Herne. Anonymer Informant berichtet von untergeschobenen Verträgen und Datenklau in Partneragenturen. Vodafone bestätigt Betrugsfälle und Kündigungen.
Erst vor wenigen Wochen war der Düsseldorfer Telekommunikationsriese Vodafone in die Kritik geraten, weil eine Auswertung der Verbraucherzentralen ergab, dass es bei keinem anderen Anbieter mehr Kundenbeschwerden gibt. Nun gibt es neue Unruhe im Zusammenhang mit Betrugsvorwürfen, Kündigungen und Strafanzeigen gegen einige Vodafone-Partnershops in der Rhein-Ruhr-Region.
Auslöser sind E-Mails, die in den vergangenen Wochen von einem anonymen Verfasser offenbar bundesweit verschickt wurden, auch direkt an Vodafone-Deutschlandchef Hannes Ametsreiter. Der Absender bezeichnet sich als selbstständiger Betreiber mehrerer Vodafone-Partneragenturen im Raum Düsseldorf. Das Ziel seiner Mail macht er gleich zu Beginn deutlich: „Ich möchte mit diesem Protokoll dazu beitragen, dass den Verantwortlichen der Firma Vodafone-Deutschland klar wird, welch kriminelle, erpresserische und korrupte Netzwerke sich seit Jahren in einigen ihrer Niederlassungen gebildet und ausgedehnt haben.“ Vodafone arbeitet bundesweit mit rund 1400 Partneragenturen zusammen.
Vorwürfe: Vetternwirtschaft und Datenhandel
Die Vorwürfe, die in den Mails geschildert werden, haben es in sich: Von Vetternwirtschaft, Datenschutzverstößen, Unterschlagung von Geldern und Kundenwaren bis zu einer Art Geldwäsche sei alles dabei, behauptet der Mailabsender, möglicherweise ein intimer Kenner des Vodafone-Innenlebens. Denn es folgen sehr detaillierte Schilderungen verschiedener Vorgänge und Absprachen – samt Nennung beteiligter Personen und Unternehmen.
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Es werde auch massiv gegen Datenschutzrichtlinien verstoßen, heißt es weiter. Kundendaten würden an Dritte verkauft und für verschiedene Zwecke verwendet. So habe eine externe Firma Zugriff auf sensible Kundendaten gehabt, darunter auch das Kundenkennwort.
Die Bundesnetzagentur teilt dazu auf Anfrage mit, dass sie angezeigten Vorfällen von unerlaubten Werbeanrufen mit Nachdruck nachgehe und im Falle eines Nachweises von unzulässigen Kontaktaufnahmen Bußgelder verhänge. Zu laufenden Ermittlungen macht die Netzagentur keine Angaben.
Vodafone stellt Strafanzeigen
In der dritten Mail vom 26. Juni stellt der Absender die Frage, ob Herr Ametsreiter bereit sei, etwas gegen diese Machenschaften zu tun. Das Unternehmen teilt auf Anfrage unserer Redaktion zu diesen Mails mit: „Vodafone untersucht derzeit eine Reihe von Vorfällen bei externen Vertriebspartnern des Unternehmens. Diese beziehen sich hauptsächlich auf eine bestimmte Vertriebsregion. Nach bisherigen Erkenntnissen handelt es sich hierbei um mindestens pflichtwidriges, teils sogar strafrechtlich relevantes Verhalten zu Lasten des Unternehmens, teilweise auch zu Lasten betroffener Kunden.“
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In den bisher zur Aufklärung gebrachten Fällen habe Vodafone „betrügerische Handlungen gegen das Unternehmen genau wie gegen seine Kunden nachweisen können, in denen teils mit hoher krimineller Energie vorgegangen wurde“. So seien Vertragsabschlüsse und Buchungen von Angeboten ohne Zustimmung der Kunden ermittelt worden, ebenso Missbrauch bei Provisionen, Rabattierungen und Incentives zu Lasten der Firma.
Dazu passt eine Auswertung des Bundesverbands der Verbraucherzentralen: Demnach entfielen 11.000 der insgesamt rund 30.000 Beschwerden im Bereich Telekommunikation auf Vodafone, dabei sei es auffallend häufig um untergeschobene Verträge gegangen.
Vodafone stellt Strafanzeigen gegen Betreiber
In fertig ermittelten Fällen hat Vodafone nach eigenen Angaben umgehend Strafanzeige erstattet und außerordentliche Kündigungen ausgesprochen. Betroffene Kunden würden benachrichtigt und für den entstandenen Schaden entschädigt. Weitere Fälle befänden sich derzeit in Untersuchung. Bei Konkretisierung von Sachverhalten wird Vodafone auch hier Strafanzeige erstatten und eng mit den zuständigen Behörden zusammenarbeiten. Als Reaktion habe das Unternehmen „erste Sofortmaßnahmen ergriffen“, etwa verschiedene Provisionsmodelle überarbeitet und Kontrollsysteme verschärft.
Vodafone hat nach eigenen Angaben seit Herbst 2020 drei Partneragentur-Betreibern außerordentlich gekündigt. Insgesamt seien 13 Ladenlokale geschlossen worden: Im Mai 2021 Agenturen in Wanne-Eickel, Dinslaken, Dorsten und Marl, im November 2020 in Herne-Mitte, Gelsenkirchen und Gladbeck und im Oktober 2020 in Remscheid, Solingen, Opladen, Leverkusen und Leichlingen.
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Mehrere Agenturbetreiber wehren sich allerdings gegen die Kündigung und wittern strategische Gründe des Vodafone-Vertriebs. Er sei „aus persönlichen- und strategischen Gründen als Vertriebspartner geopfert“ worden, erklärt ein Betreiber mehrerer Filialen in Gladbeck und Umgebung. Auch ein früherer Agenturbetreiber aus Herne weist alle Vorwürfe zurück und kritisiert, ihm sei ohne jede Vorwarnung gekündigt worden. Vodafone übe enormen Druck aus, mehr Verträge abzuschließen und „rasiere“ nun offenbar gezielt Partnershops, um den Verkauf mehr ins Internet zu verlagern.
Unsere Zeitung hatte bereits 2017 über vermehrte Beschwerden von Vodafone-Kunden berichtet. Damals hatte Vodafone auf Anfrage mitgeteilt, dass man falsche Beratungen nicht erkennen könne. Es gebe Testkäufe und hauseigene Kontrollen. Auffälligkeiten seien nicht zu erkennen.