Herne. Eine der beliebtesten Texte aus 2021: Vodafone hat im Mai einen Wanner Handyshop-Betreiber gekündigt und Anzeige gestellt. Doch der wehrt sich.
Zum Jahreswechsel veröffentlichen wir einige unserer meistegelesenen Texte aus 2021 neu. Viel Spaß beim Lesen und ein frohes neues Jahr wünscht Ihre WAZ Herne!
Verstoße ein Vertriebspartner gegen die klaren Richtlinien, gehe das Unternehmen rigoros gegen diesen Vertriebspartner vor. Mit diesen Worten hatte das Telekommunikations-Unternehmen Vodafone begründet, warum es Läden in Herne und Wanne-Eickel geschlossen hat und Strafanzeige gegen die Betreiber gestellt habe. Nun hat sich der Betreiber des Shops in Wanne-Eickel bei der Herner WAZ gemeldet. Ali Incebacakli weist die Vorwürfe zurück und wirft dem Konzern vor, seinen guten Ruf zu beschädigen.
Der gebürtige Wanne-Eickeler ist seit einigen Jahren im Mobilfunkgeschäft, unter anderem hat er fünf Shops für Unitymedia betrieben. Auch jetzt ist er noch in Wanne-Eickel mit NM Mobile vertreten. Nachdem Unitymedia von Vodafone geschluckt worden war, sei er gefragt worden, ob er mit zwei Vodafone-Shops weitermachen wolle: Dinslaken, Marl-Hüls, Start 1. April 2020. Drei Monate später sei er gefragt worden, ob er den Shop an der Hauptstraße 234 zum 1. September 2020 übernehmen wolle. Und noch im Februar sei ihm vorgeschlagen worden, weiter zu wachsen, zum Beispiel nach Wesel und Oberhausen-Sterkrade. Dafür habe er entsprechende Whatsapp-Verläufe mit einer Vertriebsbeauftragten.
Shop-Betreiber: Es gab keine Abmahnung von Vodafone
Bis zur Kündigung Anfang Mai habe es von Vodafone keinerlei Hinweise gegeben, dass man in seinen Shops Auffälligkeiten beobachte. Kein Gespräch, keine Abmahnung. „Ich bin gekündigt worden, ohne dass ich reagieren konnte.“ Sein Angebot: „Kunden, die meinen, sie seien falsch beraten worden oder hätten Verträge untergeschoben bekommen, die sie nicht wollten, können sich bei mir melden.“
Interessant für ihn: Bereits zwei Monate, bevor die Kündigung gekommen sei, habe er über interne Quelle bei Vodafone erfahren, dass er gekündigt werden soll. Doch als er nachgefragt habe, sei dies dementiert worden.
Im Gespräch mit der WAZ sagt Incebacakli: „Wenn es zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein sollte, was ich bei diesen rudimentären Angaben [von Vodafone Anm. d. Red.] nicht nachvollziehen kann, so wäre es Pflicht seitens Vodafone gewesen, mich hiervon unverzüglich in Kenntnis zu setzen, damit ich entsprechende Konsequenzen gegenüber den betroffenen Mitarbeitern ziehen, Nachforschungen anstellen und mögliche weitere Machenschaften verhindern kann. Bereits jetzt kann ich mitteilen, dass keiner meiner Mitarbeiter jemals in solcher Hinsicht auffällig geworden wäre.“
Ali Incebacakli hat seinerseits Schadenersatzansprüche gegen Vodafone gestellt
Vielmehr sei es so, dass Vodafone immer Druck ausübe, damit die Partner Umsatz machten. Im Unternehmensjargon heiße das „Karte ballern.“ Jede SIM-Karte steht für einen Vertrag. Incebacakli vermutet, dass Vodafone zurzeit ganz gezielt Shops schließt, um selbst Umsatz online oder am Telefon zu machen. Er wisse auch von zahlreichen anderen Partnern, denen in der jüngsten Vergangenheit gekündigt worden sei. Vodafone habe gesagt, dass man „rasieren“ wolle.
Die Kündigung hält Incebacakli für unwirksam, sie enthalte keine Namen, weder von Kunden noch von Mitarbeitern. Seine Reaktion: Er habe selbst gekündigt, weil er nicht mehr mit Vodafone zusammenarbeiten wolle. Außerdem: Bislang habe sein Anwalt keine Kenntnis von einer Strafanzeige.
Und Incebacakli stellt Schadenersatzansprüche. Darin enthalten sei der sogenannte Handelsvertreterausgleich. Das heißt: Incebacakli möchte einen Betrag von Vodafone haben, weil er dem Unternehmen seinen Kundenstamm überlässt. Incebacakli vermutet, dass er fristlos gekündigt worden sei, damit ihm dieser Ausgleich nicht zusteht.
>>> DAS SAGT VODAFONE
Wenn Vodafone neue Standorte für Partneragenturen zu vergeben habe bzw. für einen Standort einen neuen Betreiber suche, gebe es bundesweit einen klaren Bewerber-Prozess. Dabei würden alle freien Standorte an alle Betreiber in der jeweiligen Region (in diesem Fall NRW) kommuniziert. Auch für die Standorte Wesel und Oberhausen-Sterkrade seien die zu vergebenen Standorte kommuniziert worden und alle Betreiber in NRW hatten die Möglichkeit, sich auf diese Standorte zu bewerben. Das hätten etliche Betreiber getan, darunter auch NM Mobile. „In Wesel haben wir uns nach den Bewerber-Gesprächen für einen anderen Betreiber entschieden, da wir ihn als qualifizierter für den Standort eingestuft haben. Im Fall Oberhausen-Sterkrade haben wir uns letztendlich entschieden, den Standort nicht weiter zu betreiben. Der Shop wurde inzwischen auch zurückgebaut“, teilt Vodafone mit.
Der Grund dafür, dass Vodafone den Betreiber vor der fristlosen Kündigung nicht abgemahnt habe, sei ein Betrugs-Szenario: Die NM Mobile habe bei Vodafone mehrere Mobilfunkverträge eingereicht, die ohne Wissen der jeweiligen Kunden abgeschlossen wurden, um unberechtigte Provisionen zu kassieren und an die Hardware (Smartphones) zu gelangen. Der Verkauf dieser Hardware sei dann über Online-Plattformen wie Ebay oder den Fachhandels-Shop der NM Mobile erfolgt. Hierzu gebe es etliche Kundenbeschwerden und Hinweise. Als selbstständiger Handelsvertreter müsse sich der Betreiber das Verhalten seiner Mitarbeiter in seinen Ladenlokalen zurechnen lassen.
Die Kündigung sei aufgrund eines schuldhaften Verhaltens des Vertriebspartners erfolgt und sei wirksam, so dass kein Raum für einen Handelsvertreterausgleichsanspruch verbleibe. Die Strafanzeige sei am 19. Mai bei der Staatsanwaltschaft Essen erstattet worden.