Brüssel. .

In der Europäischen Union mehren sich Stimmen, den deutschen Kohlekompromiss 2018 nicht mehr infrage zu stellen. „Der Wind hat sich gedreht“, verriet ein EU-Diplomat.

Die Aussichten auf eine Verlängerung der Kohle-Beihilfen haben sich verbessert. Deutschland findet nach Angaben von Diplomaten bei der großen Mehrzahl der EU-Partnerstaaten mittlerweile Verständnis für seine Forderung, die Subventionen noch bis zum Jahr 2018 zu genehmigen. „Der Wind hat sich ge­dreht“, sagte ein EU-Diplomat nach der jüngsten Beratung des Themas im Kreis der 27 Mitgliedsstaaten auf Botschafterebene. Belgien als derzeitiger Vorsitzender im Ministerrat soll nun einen entsprechenden Vorschlag ausarbeiten. Da­mit die Förderung tatsächlich bis 2018 weiterlaufen kann, muss allerdings auch noch die EU-Kommission zu­stimmen, die bislang die Beihilfen 2014 beenden will.

Bald Schicht im Schacht?

Die EU will unrentable Steinkohle-Zechen schon 2014 dicht machen. Der spanische EU-Kommissar Joaquín Almunia schockte mit dieser Ankündigung die deutsche Politik:
Die EU will unrentable Steinkohle-Zechen schon 2014 dicht machen. Der spanische EU-Kommissar Joaquín Almunia schockte mit dieser Ankündigung die deutsche Politik: "Das ist nicht nur eine Frage der Fairness gegenüber den Wettbewerbern, sondern auch im Interesse des Steuerzahlers." © AFP
Rote Karte gab es dafür von NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD):
Rote Karte gab es dafür von NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD): "Dieser Vorschlag ist nicht akzeptabel. Er würde betriebsbedingte Kündigungen in erheblicher Größenordnung zur Konsequenz haben." © ddp
Auch für den frisch gebackenen NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) bitter, was er da von der EU aufgetafelt bekommt:
Auch für den frisch gebackenen NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) bitter, was er da von der EU aufgetafelt bekommt: "Das hat katastrophale soziale und wirtschaftliche Auswirkungen insbesondere für das Ruhrgebiet und muss verhindert werden." © WAZ FotoPool
Selbst der grüne NRW-Umweltminister Johannes Remmel (will Steinkohle in Deutschland länger fördern als die EU:
Selbst der grüne NRW-Umweltminister Johannes Remmel (will Steinkohle in Deutschland länger fördern als die EU: "Ich bin zwar gegen Steinkohle, aber für Planungssicherheit. © ddp
Klar, dass die Gewerkschaft IG BCE nun nach der Bundesregierung schreit. Gewerkschaftschef: Michael Vassiliadis:
Klar, dass die Gewerkschaft IG BCE nun nach der Bundesregierung schreit. Gewerkschaftschef: Michael Vassiliadis: "Die Bundesregierung muss vertragstreu bleiben. Alles andere wäre ein schwerer Vertrauensverlust in die Verlässlichkeit der Politik." © AP
Auf Bundeskanzlerin Merkel kann er dabei zählen:
Auf Bundeskanzlerin Merkel kann er dabei zählen: "Begeistert bin ich nicht, um es vorsichtig zu sagen. Für mich gelten die Verträge, die wir mit den Beteiligten abgeschlossen haben." © Remo Bodo Tietz; NRZ
Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sieht dagegen durch die Brille des Steuerzahlers:
Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sieht dagegen durch die Brille des Steuerzahlers: "Es ist eine Richtung, die ökologisch und ökonomisch aus meiner Sicht durchaus vernünftig ist". © ddp
Kritik gabs dafür von SPD-Chef Sigmar Gabriel: Brüderle glänze
Kritik gabs dafür von SPD-Chef Sigmar Gabriel: Brüderle glänze "durch Tatenlosigkeit". "Mit dem Brüsseler Beschluss ist der Steinkohlekompromiss in Deutschland hinfällig. Dies ist in keiner Weise akzeptabel." © ddp
Ergeben bleibt EU-Kommissar, Günther Oettinger (CDU) zurück:
Ergeben bleibt EU-Kommissar, Günther Oettinger (CDU) zurück: "Für eine Verlängerung um mehr als vier Jahre war in der EU-Kommission keine Mehrheit zu haben". © ddp
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„Das Schiff ist noch nicht im Hafen“, hieß es aus Diplomatenkreisen. „Allerdings gibt es jetzt eine freundlichere Großwetterlage.“ Denn um die Beihilfen für die kommenden acht Jahre zu sichern, be­nötigen die Kohleländer Deutschland, Spanien und Ru­mänien eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedsländer. Die haben sie nach der Ar­beitssitzung vom Freitag offenbar in der Tasche, nur die Niederlande, Dänemark und Schweden sind noch gegen ei­ne Verlängerung. Diese Mehrheit reicht aber nur, falls auch die EU-Kommission zustimmt – und die sträubt sich bislang. Überstimmen könnten die Mitgliedsländer die Brüsseler Exe­kutive nur mit einem einstimmigen Beschluss. Der ist derzeit je­doch nicht in Sicht. Die Deutschen können nun darauf hoffen, dass die EU-Kommission umkippt.

Verständnis für das deutsche Werben

Die dänische Klimakommissarin Connie Hedegaard be­tonte zwar noch diese Woche, ihre Behörde sei entschlossen, den Subventionshahn bis zum Ende der eigenen Amtsperiode im Oktober 2014 zuzudrehen. Allerdings herrscht jenseits der offiziellen Linie auch in der Zentrale der Europäischen Union keinesfalls Einigkeit, was die Zukunft der Kohlesubventionen angeht.

Am Freitag nun zeigten die Botschafter aus mehr als zwanzig Mitgliedsländern Verständnis für das deutsche Werben. Zwar standen die Subventionsgegner nach Angaben von EU-Diplomaten mit ihrer Skepsis, was die Förderung un­rentabler Wirtschaftszweige angeht, nicht alleine da. Bei den meisten Abgesandten überwog aber Verständnis für Befürchtungen, was die negativen sozialen Auswirkungen eines vorzeitigen Förderstopps angeht.

Kompromiss nicht mutwillig aushebeln

Zudem wollten viele den nationalen deutschen „Kohlekompromiss“ den Informationen zufolge nicht mutwillig aushebeln. Im Jahr 2007 hatten sich Bund, Länder, Ge­werkschaften und die Industrie darauf verständigt, die Förderung 2018 – und nicht schon 2014 – auslaufen zu lassen.

Wenn die EU-Kommission einlenkt und sich der Mehrheit der Mitgliedsstaaten mit einem neuen Vorschlag an­schließt, könnte der Ministerrat die Neuregelung noch in der ersten Dezemberhälfte ab­segnen. Die Zeit drängt: Wenn bis Ende 2010 kein neuer Be­schluss zustande kommt, läuft die derzeitige Subventionsregelung noch Ende dieses Jahres aus.