Essen. .

Die NRW-Regierung will schärfere Gesetze gegen feindliche Übernahmen. Beim Besuch von Kanzlerin Merkel in Essen gab es Pfiffe und Buhrufe von Hochtief-Mitarbeitern. Doch die Regierungschefin schenkte ihnen nur wenig Beachtung.

Angela Merkels Begegnung mit den Hochtief-Mitarbeitern war kurz und alles andere als harmonisch. Als die Kanzlerin am Donnerstag vor dem Eingang der Essener Philharmonie aus ihrer dunklen Dienstlimousine stieg, wurde sie von gut hundert Beschäftigten des Baukonzerns mit Pfiffen und Buhrufen empfangen. Mitarbeiter hatten Plakate mitgebracht, auf denen „Wir sind der Bau“ oder „Das merkeln wir uns“ stand. Die Kanzlerin blickte einen Moment lang zur Belegschaft, dann ging sie wortlos in die Philharmonie, wo sie von Funktionären des Deutschen Fußball-Bundes erwartet wurde.

Betriebsratschef Siegfried Müller hatte sich eigentlich einen ruhigen Protest gewünscht. „Wir haben noch die Hoffnung, dass die Kanzlerin uns hilft“, sagte er. Anfang der Woche hatte die Regierungschefin signalisiert, dass sie sich nicht in die Übernahmeschlacht zwischen Hochtief und dem spanischen Angreifer ACS einmischen wolle. „Vielleicht überlegt sie es sich anders“, spekulierte Müller.

Lücken im deutschen Aktienrecht schließen

SPD-Fraktionsvize Joachim Poß appellierte in einem Brief an die Fraktionsvorsitzenden von Union, FDP, Grünen und Linkspartei, möglichst schnell Lücken im deutschen Aktienrecht zu schließen. Es werde ausländischen Firmen zu leicht gemacht, deutsche Konzerne zu übernehmen. Auch Poß sagt: „Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass die Kanzlerin die Notwendigkeit einer Gesetzesänderung erkennt.“

Im Mittelpunkt steht die Frage, wann ein Anteilseigner zu einem Angebot an alle Aktionäre verpflichtet ist. In Deutschland muss ein Käufer bei Erreichen einer Schwelle von 30 Prozent ein Pflichtangebot für das gesamte Unternehmen vorlegen. Danach ist er für immer von dieser Pflicht befreit – unabhängig davon, wie viele Aktionäre die Offerte annehmen.

Der zu bietende Preis muss mindestens so hoch sein wie der Durchschnittskurs der vergangenen drei Monate. In der Praxis kann es sein, dass ein Kaufinteressent den Aktionären ein möglichst niedriges Angebot unterbreitet. Eine solche Offerte wird zwar kaum angenommen, doch fortan muss der Käufer keine weiteren Pflichtangebote mehr machen. Er kann also unauffällig und unbemerkt weitere Aktien erwerben, um die Kontrolle eines Konzerns zu übernehmen. Diese Taktik wird auch dem spanischen Bauriesen ACS unterstellt.

Im Ausland sind die Vorgaben für potenzielle Käufer strenger

In Spanien, Frankreich und Italien sind die Vorgaben für potenzielle Käufer strenger als in Deutschland. Wer in diesen Ländern nach Überschreiten der 30-Prozent-Schwelle innerhalb von zwölf Monaten seine Beteiligung um mehr als fünf Prozent (in Frankreich zwei Prozent) erhöhen will, muss den anderen Aktionären erneut ein – in der Regel teureres – Pflichtangebot machen. Das erschwert eine feindliche Übernahme deutlich.

Für eine ähnliche Reglung macht sich auch die NRW-Landesregierung stark. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) kündigte eine entsprechende Bundesratsinitiative an, die eine möglichst rasche Gesetzesverschärfung ermöglichen soll. Fraglich ist allerdings, ob NRW eine Mehrheit für den Vorschlag findet. Und womöglich kommt die juristische Hilfe für Hochtief ohnehin zu spät.