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Die Bundesregierung möchte nicht in die geplante Übernahme des Essener Baukonzerns Hochtief durch den spanischen Konkurrenten ACS eingreifen. Eine Änderung des Übernahmerechts gilt als unwahrscheinlich.

Die Bundesregierung greift nicht in die geplante Übernahme des Baukonzerns Hochtief durch den spanischen Konkurrenten ACS ein. Der Aufkauf eines privaten Unternehmens sei in Deutschland eindeutig rechtlich geregelt, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. „Die Bundesregierung glaubt nicht, dass an dem Verhalten der spanischen Seite, ACS gegenüber Hochtief, rechtlich nach diesen Regeln irgendetwas auszusetzen sei“, erklärte er. Eine Änderung des Übernahmegesetzes bezeichnete Seibert als unwahrscheinlich. Zuvor hatten „Financial Times Deutschland“ und „Spiegel“ übereinstimmend berichtet, die Bundesregierung prüfe angesichts des umstrittenen Kaufangebots eine Revision des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

Es handele sich nicht „um einen Fall von Anschleichen“, sagte Seibert. ACS habe schon 2007 offengelegt, dass die Beteiligungsgrenze von 25 Prozent überschritten werde.Gleichwohl habe die Bundesregierung im Lichte des aktuellen Vorgangs eine Prüfung des Übernahmegesetzes veranlasst, sagte Seibert. Eine erste Prüfung habe ergeben, dass Änderungen „nicht sinnvoll“ seien. Gesetzesänderungen in dieser Richtung seien in Deutschland „im Moment eher unwahrscheinlich“. Die Bundesregierung sei der Meinung, dass die entsprechende EU-Richtlinie gut umgesetzt sei.

Die Regierung als „informierter Beobachter“

Seibert sagte, die Bundesregierung nehme die Belange der Belegschaft sehr ernst. Es bestehe weiterhin ein Interesse daran, dass der Konzern nicht zerschlagen werde und sein Sitz in Essen bleibe. Die Bundesregierung habe aber auch immer gesagt, „dass sie es nicht als Regierungsaufgabe“ sehe, diese Übernahme „durch Regierungshandeln zu verhindern“.

Die Regierung lasse sich permanent unterrichten, sagte Seibert und bestätigte, dass Hochtief-Chef Herbert Lütkestratkötter bereits persönlich im Kanzleramt vorstellig wurde. Man stehe weiterhin in telefonischem Kontakt, sagte der Sprecher. Die Rolle der Bundesregierung sei die eines „informierten Beobachters, der sich erkundigt, wie die Dinge weitergehen.“Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums erklärte, es dürfe auch aus ordnungspolitischen Gründen keine „Lex Hochtief“ in Deutschland geben.

SPD-Chef Gabriel will Gesetzentwurf einbringen

Für Hochtief sind damit die Hoffnungen drastisch gesunken, durch eine Novellierung des deutschen Übernahmerechts neue Hürden für den spanischen Baukonzern zu errichten. Ein letzter Strohhalm bleibt ihr allerdings noch: SPD-Chef Sigmar Gabriel kündigte an, die Sozialdemokraten würden eine eigene Gesetzesnovelle zum Übernahmerecht in den Bundestag einbringen. Gabriel betonte, es gehe dabei nicht um Protektionismus, sondern darum, gleiche Spielregeln in ganz Europa zu schaffen.

Doch während ACS in Deutschland zumindest ein wenig aufatmen kann, drohen dem spanischen Baukonzern in Australien unerwartete neue Schwierigkeiten beim Übernahmekampf. In Sydney appellierte die ertragsstärkste Hochtief-Tochter Leighton an die australische Wertpapieraufsicht ASIC, die Rechte ihrer Minderheitsaktionäre zu schützen. Sollte ACS ein Übernahmeangebot für die nicht von Hochtief gehaltenen Minderheitsanteile vorlegen, müsse es sich dabei um ein vollfinanziertes Barangebot inklusive Aufschlag für die Kontrollübernahme handeln, verlangte das Leighton-Management. Andernfalls solle den Aktionären die Unabhängigkeit des Unternehmens garantiert werden.

ACS plant Kapitalerhöhung um bis zu 6 Milliarden Euro

Eine derartige Barofferte für Leighton könnte die Hochtief-Übernahme für die Spanier um mehr als drei Milliarden Euro verteuern und damit massiv erschweren. Umstritten ist allerdings, ob ACS nach dem australischen Aktienrecht überhaupt zu einem eigenen Angebot an die Leighton-Minderheitsaktionäre verpflichtet ist. Die Spanier bestreiten dies. Hochtief hat dagegen an die ASIC appelliert, dem spanischen Baukonzern einen solchen Schritt zur Auflage zu machen. Hochtief hält rund 55 Prozent an Leighton. Das australische Unternehmen ist die Ertragsperle des Essener Konzerns und spielt deshalb auch im Übernahmepoker eine besondere Rolle.

Die Übernahmepläne von ACS hatten in der vergangenen Woche einen ersten Rückschlag erlitten, als der Konzern bei der deutschen Wertpapieraufsicht BaFin einen vierwöchigen Aufschub für die Einreichung seines Übernahmeangebots beantragen musste. Der Hintergrund der Verzögerung: Der spanische Bauriese muss seine Pläne zur Finanzierung des Hochtief-Kaufs angesichts des heftigen Widerstands aus Essen völlig überarbeiten.

Am 19. November soll die Kapitalerhöhung bewilligt werden

Eine außerordentliche Aktionärsversammlung soll nun voraussichtlich am 19. November dem spanischen Baukonzern eine Kapitalerhöhung von bis zu 50 Prozent bewilligen. Das Unternehmen könnte damit bis zu 157 Millionen neue Aktien ausgeben, die zum aktuellen Börsenkurs einen Wert von fast sechs Milliarden Euro hätten. Die geplante Kapitalerhöhung solle ACS die Möglichkeit geben, auf alle denkbaren Szenarien zu reagieren und die Übernahme bis zum Januar kommenden Jahres erfolgreich abzuschließen, betonte der Baukonzern. Die Mehrheit der Aktionäre habe bereits ihre Unterstützung zugesichert.

ACS hatte vor vier Wochen seine Pläne für eine Hochtief-Übernahme bekannt gegeben. Das spanische Unternehmen will den Anteilseignern acht eigene Aktien für fünf Hochtief-Papiere anbieten. Schon heute hält ACS knapp 30 Prozent der Hochtief-Aktien. Pläne für eine Zerschlagung des Essener Konzerns bestreiten die Spanier.(dapd)