Essen..
Sigmar Gabriel besuchte am Donnerstag den Essener Baukonzern Hochtief. Der SPD-Chef appellierte an die Bundeskanzlerin, das Unternehmen im Abwehrkampf gegen den spanischen Angreifer ACS zu verteidigen.
Als Sigmar Gabriel in Essen eintrifft, wirkt er noch seltsam zurückhaltend. Warum er ins Ruhrgebiet gereist sei, wird der SPD-Chef gefragt, als er den Saal betritt. „Um mich zu informieren“, antwortet er knapp. „Erstmal will ich zuhören.“ Ob die Politik helfen könne? „Mal sehen“, sagt Gabriel. Dann zieht er sich zu einem Gespräch mit Managern und Betriebsräten zurück.
Gabriel wird von mehreren hundert Beschäftigten im Innenhof eines modernen Hochtief-Gebäudes in der Nähe der Messe Essen erwartet. „Herr Gabriel, kämpfen sie für uns“, haben Mitarbeiter auf Bettlaken geschrieben. Auf Plakaten ist zu lesen: „11 000 Wähler brauchen ihre Hilfe.“ Die Erwartungen sind hoch. Schließlich geht es um eine spektakuläre Übernahmeschlacht: Deutschlands größter Baukonzern ist ins Visier des spanischen Konkurrenten ACS geraten. Und mit Gabriel schaltet sich erstmals ein deutscher Parteichef ein.
Einige Jahre später war Holzmann pleite
Tatsächlich hat sich der SPD-Chef auf eine heikle Mission eingelassen. Er musste damit rechnen, dass sein Auftritt Erinnerungen wachrufen würde an den Fall Holzmann. 1999 war es der damalige Kanzler Gerhard Schröder, der den Mitarbeitern des angeschlagenen Baukonzerns Hilfe versprach. Schröder ließ sich feiern. Einige Jahre später war Holzmann pleite.
Wohlweislich macht Gabriel in Essen deutlich, dass es bei Hochtief eben nicht um die politisch motivierte Rettung eines angeschlagenen Konzerns gehe. Hochtief sei nicht Opel, Karstadt, Quelle oder Holzmann, betonte er. Nach dem Treffen hinter verschlossenen Türen war von der anfänglichen Zurückhaltung des SPD-Chefs nichts mehr zu spüren. „Wir reden über ein Unternehmen, das keinen Cent staatliche Hilfe braucht“, rief er den Beschäftigten zu. Hochtief sei eine „der wenigen Perlen in der deutschen Unternehmenslandschaft“. Es sei wichtig, „dass solche Unternehmen ihren Sitz in Deutschland behalten“.
Aber bewusst schlug Gabriel in seiner rund zwanzigminütigen Rede auch leise Töne an. Er wolle „keinen typischen Politikerbesuch“ absolvieren, beteuerte er. Mit markigen Worten ließen sich zwar schöne Überschriften produzieren, aber das bringe die Beschäftigten keinen Schritt weiter.
Gabriel appellierte an Bundeskanzlerin Angela Merkel
Tatsächlich vertiefte sich Gabriel in Details des deutschen Übernahmerechts. Der Fall Hochtief zeige, dass es nicht ausreiche, wenn Firmenkäufer nur beim Überschreiten der 30-Prozent-Schwelle den anderen Aktionären ein Übernahmeangebot machen müssten, erklärte er. Notwendig seien weitere verpflichtende Übernahmeangebote – denkbar etwa in Zwei-Prozent-Schritten. Derartige Regeln gebe es in anderen europäischen Ländern bereits. Ohne eine Gesetzesverschärfung bestehe jedenfalls die Gefahr, dass deutsche Konzerne für ausländische Unternehmen „zum Schnäppchenpreis“ erhältlich seien.
Gabriel appellierte an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Hochtief im Abwehrkampf gegen den spanischen Angreifer ACS zu verteidigen. „Wirtschaft wird nicht nur in der Wirtschaft gemacht“, sagte der SPD-Chef. Die Regierung müsse dabei helfen, ein Konsortium zusammenzustellen, das sich mit 25,1 Prozent an Hochtief beteiligt. Durch eine solche Sperrminorität würde der Handlungsspielraum von ACS deutlich eingeschränkt.
Auch die deutsche Finanzwelt sei gefordert, mit Investitionen in den Essener Baukonzern einen „guten unternehmerischen Patriotismus“ zu beweisen, forderte Gabriel. Der Finanzbranche rief er zu: „Überlegt euch mal, in welchem Land ihr groß und reich geworden seid. Investiert mal in den deutschen Standort. Bei Hochtief seid ihr gut aufgehoben.“
Die Hochtief-Beschäftigten bedankten sich bei Gabriel mit kräftigem Applaus. Die Bundesregierung reagierte hingegen zunächst erkennbar reserviert. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sagte im japanischen Nagoya: „Natürlich informiere ich mich über die Situation. Ein aktives Eingreifen der Politik ist ordnungspolitisch aber nicht angezeigt.“