Berlin. .
Das Kabinett hat die Gesundheitsreform beschlossen. Ab kommendem Jahr müssen die Versicherten nun höhere Krankenkassenbeiträge bezahlen. Doch das ist nicht die einzige Änderung.
Warum war die Reform nötig?
Weil der Gesetzlichen Krankenversicherung 2011 ein Defizit über elf Milliarden Euro droht. Höhere Beitragssätze sollen nun 6,3 Milliarden Euro einbringen. Zudem müssen die Leistungserbringer im Gesundheitswesen 3,5 Milliarden Euro allein 2011 einsparen. Genau genommen bestehen die „Einsparungen“ oftmals darin, dass die künftigen Mehrausgaben nicht so stark ansteigen dürfen wie vorgesehen.
Wer muss sparen?
Die Pharmabranche soll zwei Milliarden Euro beisteuern. Die Verwaltungsausgaben der Krankenkassen dürfen nicht steigen. Das wären 300 Millionen Euro. 20 Millionen Euro kommen durch die Begrenzung des Honorarzuwachses bei Zahnärzten hinzu. Eine halbe Milliarde müssen Krankenhäuser 2011 beisteuern. Bei der Hausarzt-zentrierten Versorgung soll die Vermeidung von Mehrausgaben bis zu 500 Millionen Euro bringen.
Wie entwickeln sich die Beitragssätze?
Der Beitragssatz steigt am 1. Januar 2011 von 14,9 Prozent des Bruttolohnes auf 15,5 Prozent und wird dauerhaft eingefroren. Damit hat er das Niveau vor der Wirtschaftskrise von Anfang 2009 erreicht. Die Arbeitgeber bezahlen 7,3 Prozent und die Arbeitnehmer 8,2 statt bislang 7,9 Prozent. Wer also 1000 Euro brutto im Monat verdient, bezahlt 82 anstatt 79 Euro. Dazu erheben einige Kassen Zusatzbeiträge, weil sie mit dem Geld aus dem Gesundheitsfonds nicht mehr auskommen.
ALG-II-Bezieher sind vom Zusatzbeitrag freigestellt
Wer muss neben den Arbeitnehmern, Selbstständigen und Rentnern den Zusatzbeitrag bezahlen?
Die Empfänger von Arbeitslosengeld I. Wenn sie das überfordert, können sie einen Ausgleich bei der Bundesagentur für Arbeit beantragen. ALG-II-Bezieher sind vom Zusatzbeitrag freigestellt – ebenso wie Entgeltersatzempfänger. Dazu gehören die Bezieher von Kranken-, Versorgungskranken-, Verletzten-, Übergangs-, Mutterschafts- und Elterngeld. Wehr- und Zivildienstleistende sind von der Zahlung ebenso ausgenommen wie Azubi, die im Monat bis zu 325 Euro verdienen. Bei Sozialhilfeempfängern bezahlen die Kommunen den Beitrag.
Wie entwickelt sich der Zusatzbeitrag?
Der Zusatzbeitrag war bislang auf ein Prozent des Bruttogehalts begrenzt und betrug maximal 37,50 Euro im Monat. Diese Deckelung fällt weg. Der Bund rechnet damit, dass 2011 nur wenige weitere Kassen einen Zusatzbeitrag erheben. Für 2012 kalkuliert das Gesundheitsministerium mit einem durchschnittlichen Zusatzbeitrag von acht Euro, 2013 mit zwölf und 2014 mit 16 Euro.
Können sich Arme den Zusatzbeitrag zur Krankenversicherung bald nicht mehr leisten?
Um dies zu verhindern, ist ein Sozialausgleich vorgesehen – und zwar dann, wenn ein Versicherter mehr als zwei Prozent seines Bruttogehalts für den Zusatzbeitrag bezahlen muss. Was darüber hinausgeht, soll aus Steuergeldern durch den Sozialausgleich ersetzt werden. Er orientiert sich am durchschnittlichen Zusatzbeitrag, den alle Kassen erheben.
Sozialausgleich erst 2012
Wo sind die Tücken des Sozialausgleichs?
Der Sozialausgleich wird erst 2012 erfolgen, wenn noch mehr Kassen einen Zusatzbeitrag erheben. Dann aber ist Vorsicht geboten. Wenn eine Kasse mehr verlangt als den durchschnittlichen Zusatzbeitrag, bleibt der Versicherte auf den zusätzlichen Kosten sitzen.
Ein Rechenbeispiel: Der durchschnittliche Zusatzbeitrag liegt in einigen Jahren bei 25 Euro, doch eine Kasse verlangt einen Zusatzbeitrag von 40 Euro. Bei einem Bruttogehalt von 1000 Euro liegt die Belastungsgrenze des Mitglieds bei 20 Euro. Nun greift die Überforderungsklausel und es kommt zum Sozialausgleich. Der Versicherte bekommt aber nur fünf Euro und muss unter dem Strich selbst 35 Euro bezahlen. Der Versicherte kann dann aber zu einer billigeren Kasse wechseln.
Verspätungszuschlag
Wer führt den Sozialausgleich für ärmere Mitglieder durch?
Der Arbeitgeber oder die Rentenversicherer.
Was passiert, wenn ich meinen Zusatzbeitrag zur Krankenversicherung nicht bezahle?
Wer insgesamt sechs Monate säumig ist, bekommt einen Verspätungszuschlag aufgebrummt. Er beträgt mindestens 30 Euro und maximal drei Monatsbeiträge. Bis zur Zahlung der ausstehenden Beiträge plus Säumniszuschlag hat der Betroffene keinen Anspruch auf Sozialausgleich.
Welche Neuerungen gibt es beim Wechsel zu einem privaten Anbieter?
In Zukunft können gesetzlich Versicherte zu einer privaten Krankenkasse wechseln, wenn sie ein Jahr lang über der Versicherungspflichtgrenze von 4162,50 Euro im Monat liegen. Bislang galt die Drei-Jahres-Frist.