Berlin. .
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch grünes Licht für die schwarz-gelbe Gesundheitsreform gegeben. Der Gesetzentwurf sieht unter anderem höhere Beiträge für Arbeitnehmer vor. Die SPD übt massive Kritik.
Unmittelbar vor dem Kabinettsbeschluss hatte Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler die Pläne der schwarz-gelben Regierung zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung verteidigt. Die Gesundheitsreform nütze den Patienten und sei damit in der Sache richtig, sagte Gesundheitsminister Philipp Rösler am Mittwochmorgen im ZDF. Das Bundeskabinett trifft sich heute Vormittag zu Beratungen über Röslers Sparpläne. Zur Abwendung eines zweistelligen Milliardendefizits der gesetzlichen Krankenkassen im kommenden Jahr müssten alle Seiten beteiligt werden. „Eine andere Möglichkeit gibt es nicht, das System am Laufen zu halten“, erklärte der Minister.
Rösler wehrte sich gegen Kritik von SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles, er betreibe Klientelpolitik für die Pharma-Industrie und fördere eine Zwei-Klassen-Medizin. Die Reform führe dazu, dass die gesetzlichen Krankenkassen 2011 elf Milliarden Euro zusätzlich bekämen, sagte er. Dies sichere das System und komme den Versicherten zu Gute. Der Pharmaindustrie würden zwei Milliarden Euro durch Herstellerrabatte und ein Preismoratorium genommen.
SPD kritisiert einseitige Belastung der Arbeitnehmer
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hatte kritisiert, mit der Gesundheitsreform würden die Lasten einseitig auf die Arbeitnehmer umverteilt. Dies sei eine „ziemlich dreiste Klientelpolitik“, sagte sie im „Morgenmagazin“ des ZDF. Die eigentlichen Probleme im Gesundheitswesen würden nicht gelöst.
Der SDP-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warf der Bundesregierung vor, mit der Reform einen gefährlichen Weg einzuschlagen. „Das, was die Regierung beschließt, ist das Ende des solidarischen Gesundheitssystems“, sagte er „Spiegel Online“. Die gesetzlich Versicherten würden über steigende Beiträge und eine Kopfpauschale gleich zweifach belastet, während Privatversicherte Privilegien bekämen. „Die Reform ist ein Brandbeschleuniger für die Zweiklassenmedizin“, warnte Lauterbach. Der normale Bürger könne sich auf rasant steigende Kosten einstellen, die über den nächsten Jahren „stetig den Nettolohn bremsen“ würden.
Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung warf der Bundesregierung vor, nicht entschlossen genug zu sparen und den Bürgern somit unnötig Geld aus der Tasche zu ziehen. Die Beiträge würden erhöht, „damit die Einnahmen der Ärzte, Zahnärzte und Krankenhäuser weiter kräftig steigen können“, erklärte Verbandschefin Doris Pfeiffer. „Durch ein engagierteres Sparprogramm hätte man das Ziel der finanziellen Stabilität auch ohne einen solchen Beitragsaufschlag erreichen können.“
Pfeiffer beklagte, dass die Kliniken rund 1,5 Milliarden Euro zusätzlich bekommen sollten, obwohl etwa jedes fünfte Krankenhausbett leer stehe. Außerdem werde den niedergelassenen Ärzten „schon wieder eine Honorarsteigerung“ finanziert, obwohl sie schon heute nach Abzug aller Praxiskosten ein durchschnittliches Brutto-Einkommen von rund 164.000 Euro hätten.
Keine Zusatzbeiträge auf breiter Front
Röslers Gesetzentwurf sieht höhere Beiträge für Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie Einsparungen für Ärzte, Kliniken und Krankenkassen vor. Für die Zukunft werden die steigenden Gesundheitskosten von den Arbeitskosten entkoppelt. Dazu wird der Arbeitgeberbeitrag auf dem neuen Niveau festgeschrieben, während die Versicherten die wachsenden Ausgaben allein über die Zusatzbeiträge schultern müssen. Die bisherige Obergrenze für die Zusatzbeiträge von maximal ein Prozent des Einkommens wird abgeschafft. Für Geringverdiener wird ein Sozialausgleich aus Steuermitteln installiert.Die Reform soll noch im Herbst durch den Bundestag gebracht werden.
Für 2011 rechnet die Koalition nicht mit Zusatzbeiträgen auf breiter Front. Danach werden sie bei einzelnen Kassen unterschiedlich sein - je nach deren Finanzlage. Der Parlamentarische Staatssekretär im Gesundheitsministerium, Daniel Bahr (FDP), sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, das sei gewollt und „ganz im Sinne des Wettbewerbs“. (Reuters/dapd)