Berlin. .
Für die 50 Millionen Mitglieder wird die Krankenkasse in den nächsten Jahren deutlich teurer. Die Kritik an der neuen Gesundheitsreform ist heftig, der DGB nennt sie einen „Affront“ gegenüber den 70 Millionen gesetzlich Versicherten.
Für die 50 Millionen Mitglieder wird die Krankenkasse in den nächsten Jahren deutlich teurer. Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch eine Gesundheitsreform, die zunächst den normalen Kassenbeitrag für 2011 kräftig anhebt. Danach sind wachsende Zusatzbeiträge geplant, die der Versicherte alleine zahlt. Gesundheitsminister Philipp Rösler verteidigte die Reform gegen Kritik von allen Seiten.
„Wir sorgen für ein faires und stabiles Gesundheitssystem, das auch künftigen Generationen eine Gesundheitsversorgung auf dem bewährt hohen Leistungsniveau sichert“, betonte der FDP-Politiker. Opposition, Sozialverbände und Krankenkassen sowie die Arbeitgeber ließen aber kein gutes Haar an den Regierungsplänen, und die CSU meldete sich sofort mit Nachbesserungswünschen zu Wort.
„Unangenehme Entscheidungen“
Mit der Reform steigen die von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gemeinsam finanzierten Kassenbeiträge zum 1. Januar 2011 von heute 14,9 auf 15,5 Prozent. Allein das belastet die Beitragszahler mit gut sechs Milliarden Euro. Anschließend soll der Arbeitgeberbeitrag bei 7,3 Prozent eingefroren werden. Künftige Kostensteigerungen übernimmt allein der Versicherte über steigende Zusatzbeiträge. Eine Überforderung soll mit einem Sozialausgleich verhindert werden.
Rösler betonte, kurzfristig habe ein für 2011 erwartetes Defizit von bis zu elf Milliarden Euro ausgeglichen werden müssen. An „unangenehmen Entscheidungen“ komme er dabei nicht vorbei. Die Reform schaffe aber auch den Einstieg in ein neues Finanzierungssystem, und sie trage zu mehr Effizienz und Wettbewerb im System bei.
Der Entwurf werde von den Koalitionspartnern CDU und CSU mitgetragen, meinte Rösler. Der bayerische Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) erklärte allerdings, es gebe „erheblichen Nachbesserungsbedarf“, sowohl bei der fachärztlichen Versorgung als auch bei Hausarztverträgen.
Krankenkassen vermissen entschiedenes Sparen
Bei Pharmaindustrie, Ärzten, Zahnärzten, Kliniken und den Verwaltungskosten der Kassen will Rösler 2011 insgesamt 3,5 Milliarden Euro einsparen. Das bedeutet, dass Ausgaben weniger schnell wachsen als ohne die Sparbeschlüsse. Allerdings warf der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung Rösler vor, nicht entschlossen genug zu handeln. „Durch ein engagierteres Sparprogramm hätte man das Ziel der finanziellen Stabilität auch ohne einen solchen Beitragsaufschlag erreichen können“, erklärte Verbandschefin Doris Pfeiffer der Nachrichtenagentur dapd.
Pfeiffer kritisierte auch Röslers Pläne, Gutverdienern den Wechsel in die private Krankenversicherung zu erleichtern. Das koste die gesetzlichen Kassen 400 Millionen Euro pro Jahr.
Opposition gegen Reform
Die Opposition und die Sozialverbände kritisieren die Reform als ungerecht. Versicherte und Patienten würden einseitig belastet, „daran ändern auch verbale Verharmlosungen nichts“, sagte der Präsident der Sozialverbandes Deutschland, Adolf Bauer.
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles argumentierte ähnlich und warnte vor verheerenden Folgen für Versicherte: „Stetig höhere Beiträge und weniger Netto für gesetzlich Versicherte“ wegen der einseitigen Zusatzbeiträge. Für 2011 rechnet die Koalition allerdings noch nicht mit Zusatzbeiträgen auf breiter Front. Danach werden sie bei einzelnen Kassen unterschiedlich sein - je nach deren Finanzlage.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hält die geplante Gesundheitsreform der Bundesregierung für einen „Affront“ gegenüber den 70 Millionen gesetzlich Versicherten. Die bestehenden Gerechtigkeitsprobleme würden durch die Pläne nicht gelöst, sondern „drastisch verschärft“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach am Mittwoch in Berlin. Die Versicherten müssten künftig allein alle Kostensteigerungen tragen. „Dies wäre der Anfang vom Ende der solidarischen Krankenversicherung“, warnte sie und forderte Korrekturen im Gesetzgebungsverfahren.
Die Arbeitgeberbeiträge dürften nicht eingefroren werden, mahnte Buntenbach. Vielmehr müssten die Arbeitgeber in Zukunft wieder paritätisch an der Finanzierung beteiligt werden. Dadurch könnten den Versicherten Zusatzbeiträge gänzlich erspart werden.
Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt beklagte die Belastung durch die Beitragserhöhung 2011. Rösler entgegnete, er sei verwundert über diese Kritik, zumal die Gesundheitskosten auf Dauer von den Lohnkosten entkoppelt würden. (dapd)