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Fragen und Antworten zum Energiekonzept der Bundesregierung, die ab 2020 die Zwangssanierung für die „Energieschleudern“ unter den Wohnhäusern plant. Es locken steuerliche Anreize, Sanktionen drohen.

Die Bundesregierung nennt ihr Energiekonzept, das sie am 28. September verabschieden will, „visionär“. Es definiert Ziele bis 2050. Eines davon lautet: In den nächsten 40 Jahren sollen alle Gebäude gedämmt, mit neuen Fenstern und mit Heizungen ausgestattet werden, die mit erneuerbaren Energien befeuert werden. Eigentümer- und Mieterorganisationen blasen zum Protest. Und es regt sich Widerstand in der Union.

Warum wählt die Bundesregierung gerade den Wohnbereich aus?

40 Prozent des Energieverbrauchs in Deutschland entfallen laut dem Bundesumweltministerium auf Gebäude. Drei Viertel des Altbaubestands wurden noch vor der ersten Wärmeschutzverordnung mit inzwischen veralteten Heizungssystemen errichtet. Deshalb will die Bundesregierung die Sanierungsquote zum klimaneutralen Haus von derzeit einem Prozent jährlich auf zwei Prozent verdoppeln.

Gibt es einen Zeitplan?

Bis 2050 sollen alle Gebäude nicht mehr mit Erdgas oder Öl, sondern beispielsweise mit Biogas oder mit regenerativen Energien (Wind, Sonne) be­heizt werden. Bis 2020, wenn der Sanierungsfahrplan be­ginnt, soll der Wärmebedarf in Häusern um 20 Prozent und bis 2050 um 80 Prozent reduziert werden.

Welche Ziele verfolgt die Bundesregierung?

Sie will den Ausstoß des Klimakillers CO2 senken, das bei der Erzeugung von Strom und Wärme aus fossilen Energieträgern wie Kohle und Öl entsteht. Sie will damit aber auch die Abhängigkeit von Energieimporten eindämmen. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) erwartet vom Sanierungsprogramm „enorme positive volkswirtschaftliche Effekte“: „Jede investierte Milliarde in die energetische Gebäudesanierung sichert 25 000 Arbeitsplätze in Deutschland.“

Was kostet das Sanierungsprogramm?

Röttgen spricht von einem Investitionsvolumen von jährlich 20 Milliarden Euro. Bei dieser Kostenrechnung hat er die Einsparungen, zum Beispiel durch die Verminderung der Energieimporte, bereits eingerechnet. Nach Angaben der Immobilien-Branche verschlingt der Null-Emissions-Standard insgesamt 2,6 Billionen Euro.

Wer ist für die Sanierung der Gebäude verantwortlich?

In erster Linie die Eigentümer. Ab 2020 sind zunächst die „Energieschleudern“ be­troffen, die auch bauphysikalisch überholt werden müssen. Die Besitzer haben die Wahl zwischen Maßnahmen an der Gebäudehülle, der Verbesserung der Anlagentechnik oder dem Einsatz erneuerbarer Energien. Die Reihenfolge legen sie selbst fest.

Gibt es Staatszuschüsse?

Über ein aufgestocktes CO2-Gebäudesanierungsprogramm und steuerliche Anreize erhält eine staatliche Förderung, wer die Klima-Zielwerte vorzeitig erfüllt oder übererfüllt. Im Gespräch ist auch ein Abrissprogramm, das den Wiederaufbau des Hauses an gleicher Stelle vorschreibt. Wer die Klima-Ziele nicht er­reicht, muss stattdessen mit Steuernachteilen rechnen.

Was kommt auf Hausbesitzer und Mieter zu?

Die Bundesvereinigung der Spitzenverbände der Immobilienwirtschaft hat Modellrechnungen aufgemacht: Danach kostet die energetische Sanierung eines Mehrfamilienhauses mit 16 Wohneinheiten 680 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Der Aufwand für Einfamlienhäuser schlage sogar mit 750 Euro pro Quadratmeter zu Buche. Bundesweit gebe es derzeit 3,5 Milliarden Quadratmeter Wohnfläche. Der Eigentümerverband Haus & Grund rechnet mit noch höheren Kosten und mit Mietsteigerungen um 200 Prozent. Denn die Sanierungskosten könnten auf die Mieter umgelegt werden.

Ist der Entwurf des Energiekonzepts mehrheitsfähig?

Es zeichnet sich ab, dass die Unions-Bundestagsfraktion das Programm entschärfen will. „Wir brauchen Anreize und Förderung, keine Strafe“, sagte ihr Vorsitzender Volker Kauder in einem Interview.

Schärfer äußerte sich die Spitzenkandidatin der rheinland-pfälzischen CDU, Julia Klöckner: „Die Pläne brauchen ein Stoppschild“, sagte sie. Für viele Menschen komme „eine teure Zwangssanierung einer Enteignung gleich“.

Bauminister Peter Ramsauer (CSU) will am Ziel der CO2-Neutralität festhalten, den Weg dorthin aber nicht festschreiben.

Was schreibt die EU vor?

Im Gesetzespaket zur Energieeffizienz, welches das Europäische Parlament im Mai verabschiedete, heißt es zum Thema bestehende Gebäude: größere Renovierungen müssten gleichzeitig die Energieeffizienz verbessern – „sofern dies technisch und wirtschaftlich machbar ist“.