Essen. .
Der Essener Hochtief-Konzern steht möglicherweise vor einer mehrheitlichen Übernahme durch den spanischen Baukonzern ACS. Für den Konzern soll sich jedoch so gut wie nichts ändern, versichert man. Der Firmensitz soll in Essen bleiben
Seit 1922 hat der größte deutsche Baukonzern Hochtief seinen Firmensitz in Essen. Und das soll auch so bleiben – trotz der Ankündigung des spanischen Bauriesen ACS, das Unternehmen mehrheitlich übernehmen zu wollen. Bislang hält ACS 29,98 Prozent an Hochtief und ist somit größter Aktionär. Die Gruppe strebe einen Anteil von etwas mehr als 50 Prozent an, so ACS am Donnerstag.
Damit geht ein jahrelanges Verwirrspiel zu Ende. Denn als ACS im Jahr 2007 gut 25 Prozent an Hochtief übernahm, keimten bereits Spekulationen auf, wonach die Spanier den Anteil aufstocken würden. ACS dementierte.
Zwei Jahre später das gleiche Spiel: Nachdem sich der Konzern weitere 4,9 Prozent an Hochtief gesichert hatte, rechneten Marktbeobachter wiederum mit einer mehrheitlichen Übernahme. ACS wiegelte erneut ab. Jetzt erfolgte die (offizielle) Kehrtwende.
„Das ist kein ernsthaftes Angebot“
So bietet ACS nun den Aktionären einen Tausch von fünf Hochtief-Papieren gegen acht ACS-Aktien an. Was aber kaum mehr ist, als die Hochtief-Scheine ohnehin wert sind. „Das ist kein ernsthaftes Angebot“, sagte Marc Tüngler, Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz.
Das weiß natürlich auch ACS, schließlich verfolgt die Gruppe zunächst ein anderes Ziel. Denn: „Laut dem deutschen Aktienrecht müssen wir ab einer Beteiligung von 30 Prozent den Aktionären ein Pflichtangebot unterbreiten“, sagte ACS-Vorstandsmitglied Ángel García Altozano dieser Zeitung. Sein Unternehmen mache daher nur das gesetzlich vorgeschriebene Angebot. „Wir erwarten nicht unbedingt, sofort auf über 50 Prozent zu kommen.“
Nach der Pflichtofferte könne ACS dann Aktien auf dem freien Markt kaufen. „Wir haben uns dabei keine Frist gesetzt, um über 50 Prozent zu kommen“, so García Altozano. Auf keinen Fall solle die Beteiligung darüber hinaus ausgebaut werden. Und: „Es wird sich für Hochtief nichts ändern. Das Unternehmen soll weiter in Frankfurt an der Börse gelistet sein. Die Zentrale würde in Essen bleiben.“
ACS-Chef denkt in den höchsten Kategorien
Mit der Übernahme will sich ACS an die Spitze der Infrastruktur-Unternehmen der westlichen Welt stellen. Das sagte ACS-Chef Florentino Pérez, der auch Präsident des Fußballclubs Real Madrid ist. Und nicht nur Kraft dieses Amtes ist es der 63-Jährige gewohnt, nur in den höchsten Kategorien zu denken. In seiner Ägide verpflichtete Real Stars wie Zinedine Zidane, David Beckham, Kaka oder Cristiano Ronaldo. Zu Beginn dieser Saison kamen die deutschen Nationalspieler Mesut Özil und Sami Khedira hinzu.
Jetzt soll die nächste „Neuerwerbung“ aus Deutschland ACS in die Champions-League der Bauindustrie schießen. 2009 betrug der Hochtief-Umsatz 18,2 Milliarden Euro, der Reingewinn lag bei 195 Millionen Euro. Zudem ist der Konzern international aufgestellt und erwirtschaftet nur knapp zehn Prozent seines Geschäftes in Deutschland.
Viel stärker im Heimatmarkt ist ACS engagiert – und machte 2009 drei Viertel seines Umsatzes von 15,6 Milliarden Euro (Gewinn: 842 Millionen Euro) in Spanien. Doch dort liegt das Geschäft seit der Finanzkrise am Boden. Also folgte der Blick ins Ausland – und zwar über Hochtief, das parallel zum Baugeschäft auch Flughäfen, Krankenhäuser und Mautstraßen betreibt. Daneben ist Hochtief über die australische Tochter Leighton im profitablen Minengeschäft und in den Wachstumsmärkten Asien und Australien tätig. Alles gute Gründe für ACS-Chef Pérez, der schon unter Franco Direktor der spanischen Vereinigung für Straßenwesen war, Hochtief endgültig ins Visier zu nehmen.