Hannover. .
Die SPD will vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, wenn Schwarz-Gelb einen Atomvertrag mít den Stromkonzernen abschließt. Auch Grünen-Fraktionschef Trittin attackiert die Unternehmen in der Debatte um längere Laufzeiten für Atomkraftwerke.
Die SPD will vor dem Verfassungsgericht klagen, falls die Bundesregierung mit den großen Stromkonzernen einen Atomvertrag abschließt. Der stellvertretende Chef der SPD im Bundestag, Ulrich Kelber, sagte am Montag im Südwestrundfunk, ein vertraglich abgesicherter Fonds, mit dem die Konzerne für längere Laufzeiten der Atomkraftwerke bezahlen wollen, sei ein „schmutziger Deal“. Er würde Bund und Länder unzulässigerweise über Jahre hinweg festlegen, ohne Rücksicht auf Sicherheitsaspekte, kritisierte er. Außerdem würden Bundestag, Bundesrat und die Wähler entmündigt.
„Das ist der dreisteste Versuch der Lobby-Bedienung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“, bilanzierte der SPD-Politiker. Kelber sprach sich dafür aus, an der geplanten Brennelementesteuer auch gegen den Widerstand der Energieunternehmen festzuhalten. Außerdem bekräftigte er die Absicht der SPD vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen, falls die Bundesregierung längere Atomlaufzeiten ohne Zustimmung des Bundesrates beschließen sollte.
Scmutziger Deal
Die Grünen weisen den Druck der Stromkonzerne auf längere Laufzeiten für Atomkraftwerke scharf zurück. Fraktionschef Jürgen Trittin sagte der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“: „Ich glaube, es ist höchste Zeit, die vier Energiekonzerne in ihre Schranken zu verweisen. Sie haben unterschrieben, dass ihre Atomkraftwerke nur 32 Jahre lang laufen. Wer glaubt, den Staat kaufen oder erpressen zu können, um davon los zu kommen, der scheint in einer anderen Welt zu leben.“
Trittin zeigte sich zuversichtlich, längere Laufzeiten über den Bundesrat stoppen zu können, wo Schwarz-Gelb seit der Regierungsbildung in NRW nicht mehr über eine Mehrheit verfügt. „Ich wünsche viel Vergnügen bei diesem Versuch, das Atomausstiegsgesetz ohne den Bundesrat zu ändern. Das landet mit Sicherheit vor dem Bundesverfassungsgericht.“ Mit Blick auf mögliche Regierungsbildungen nach den Wahlen im März nächsten Jahres und später im Bund erklärte Trittin: „ Die Stromkonzerne würden an dieser Stelle lernen, dass das, was ihnen jetzt zugestanden wird, bei der nächsten Wahl wieder kassiert wird.“
Schuss gehe nach hinten los
Die Grünen haben die Ankündigung der vier großen Energiekonzerne begrüßt, im Fall einer Brennelementesteuer umgehend die deutschen Atomkraftwerke abzuschalten. „Das sollen sie ruhig machen“, sagte der hessische Grünen-Chef Tarek Al-Wazir der „Berliner Zeitung“.
Die Konzerne wollten mit der möglichen Abschaltung der Meiler die Einführung einer Brennelementesteuer verhindern. Doch nach Meinung Al-Wazirs gehe der Schuss nach hinten los. „Offensichtlich sind die erneuerbaren Energien so schnell preiswerter geworden, dass die Atomenergie schon bei einer Abgabe von 2,3 Milliarden Euro nicht mehr konkurrenzfähig ist.“ Zudem verweist der Grünen-Politiker auf eine Greenpeace-Studie, wonach die sieben Alt-AKW Biblis A und B, Brunsbüttel, Neckarwestheim 1, Isar 1, Philippsburg 1 und Unterweser sowie der Reaktor Krümmel aktuell nur noch 5,4 Prozent zur deutschen Stromversorgung beitragen.
Sie könnten sofort stillgelegt werden, ohne dass Engpässe bei der Stromversorgung entstünden. „Vor zwei Jahren haben sechs Atomkraftwerke stillgestanden und keiner hat es bemerkt“, argumentiert Al-Wazir. Angesichts der wachsenden Bedeutung erneuerbarer Energien, die inzwischen mehr als 16 Prozent zur Stromproduktion beitragen, werde der Atomstrom überflüssig, sagte der Grünen-Politiker. (ddp/ap)