Stuttgart. .
Die umstrittene Tieferlegung des Stuttgarter Hauptbahnhofs wird dramatisch teurer. Das gaben Bahn und Land Baden-Württemberg am Dienstag bekannt. Die neueste Kalkulation: Das Projekt wird 865 Millionen Euro mehr kosten.
Das umstrittene Bahnprojekt „Stuttgart 21“ wird deutlich teurer als geplant. Nach einer aktualisierten Kalkulation sollen die Kosten für die Neubaustrecke zwischen Wendlingen und Ulm um 865 Millionen Euro höher ausfallen als bisher veranschlagt, wie Bahnchef Rüdiger Grube am Dienstag in Stuttgart sagte. Die Gesamtkosten für die 60 Kilometer lange Strecke beliefen sich damit auf 2,89 Milliarden Euro. Die bisherige Kostenschätzung von 2004 war von 2,025 Milliarden Euro ausgegangen.
Die Mehrkosten muss laut dem zwischen Deutscher Bahn, dem Bund und dem Land Baden-Württemberg im April 2009 geschlossenen Vertrag der Bund tragen, wie Bahn-Infrastrukturvorstand Volker Kefer sagte. Aus dem Bundesverkehrsministerium hieß es dazu: „Wir sind mit der Bahn und dem Land in engem Gespräch, um die Finanzierung auch unter den neuen Gegebenheiten sicherzustellen.“
Bahn hält an Bauprojekt fest
Die Kostensteigerungen setzen sich den Angaben zufolge aus Preissteigerungen in Höhe von rund 200 Millionen Euro, die sich seit 2004 ergeben hätten, sowie aus 665 Millionen Euro Mehrkosten durch die Präzisierung des Bauvorhabens zusammen: Dies gelte zum einen für den Tunnelbau, den Bahnkörper und den Erdbau wie etwa Dämme, Rückhaltebecken und Kabeltiefbau, außerdem den Bau von Brücken und Stützbauwerken sowie den Oberbau und die Eisenbahntechnik.
Im Herbst solle mit dem Bau begonnen werden, versicherte Grube. Beide Bahnvertreter betonten, dass ungeachtet der Kostensteigerung der volkswirtschaftliche Nutzen des Bahnprojekts nach wie vor gegeben sei. Auch in den nächsten Jahren bis zur Fertigstellung 2019 seien mit inflationsbedingten Kostensteigerungen zu rechnen, sagte Kefer. „Wir glauben aber, dass die Kosten zu einem hohen Prozentsatz stabil bleiben werden“, fügte er hinzu.
Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) nannte die Summe „überschaubar und begründbar“. Es sei zu bedenken, dass seit der ersten Projektskizzierung bis zu einer ersten konkreten Kostenaufstellung allein 200 Millionen Euro Inflation angefallen sein. „Wenn ich die Differenz betrachte, habe ich sehr, sehr großes Vertrauen“, sagte Mappus. Er habe unter Berufung auch auf seinen Vorgänger mehrmals betont: „Wir machen Stuttgart 21 nicht zu jedem Preis.“ Dies bedeute, dass die Kalkulation vertretbar und begründbar sein müsse.
Gesamtkosten bisher 4,09 Milliarden Euro
Kritik an der Verteuerung des Projekts übte Grünen-Bundeschef Cem Özdemir: „Angesichts der explodierenden Kosten und der Lage unserer Haushalte gehört das Projekt „Stuttgart 21“ in eine Ausstellung für nicht realisierbare Luftschlösser.“ Stattdessen forderte er „Investitionen in sinnvolle Baumaßnahmen, die akute Engpässe beim Personen- und Güterverkehr beseitigen“.
Die Hochgeschwindigkeitsstrecke von Wendlingen nach Ulm ist verknüpft mit dem Großprojekt „Stuttgart 21“, bei dem der Stuttgarter Hauptbahnhof vom Kopf- zum Durchgangsbahnhof umgestaltet, unter die Erde verlegt und der Flughafen an das Schienennetz angebunden werden soll. Das Vorhaben kostete nach bisherigen Berechnungen 4,09 Milliarden Euro.
Ein Bündnis aus Gegnern des Verkehrsprojektes „Stuttgart 21“ veröffentlichte am Dienstag ein Gutachten der Schweizer Firma SMA, das der Planung Mängel attestiert: So sei die Infrastruktur zu knapp ausgelegt und der Bahnhof werde zum Nadelöhr, sagte Gerhard Pfeifer vom Bündnis „Kopfbahnhof 21“, dem unter anderen der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und der Verkehrsclub Deutschland (VCD) angehört.
Das Gutachten zeige, dass die Infrastruktur im Wirtschaftsraum Mittlerer Neckar durch „Stuttgart 21“ nicht verbessert, sondern reduziert werde. Es bestehe sogar die Gefahr, dass in Zukunft Züge um Stuttgart herumgeführt werden müssten. Bahnchef Grube entgegnete, er kenne das Gutachten nicht. Er könne sich aber nicht vorstellen, dass ein Planfeststellungsbescheid ausgestellt werde, wenn das Projekt nicht sicher sei. (ddp)