Berlin. Die flächendeckende Einführung der elektronischen Gesundheitskarte bleibt vorerst Zukunftsmusik. Die Vorbereitungen zur Einführung im Bezirk Nordrhein, der offiziellen Startregion, sind gestoppt worden. Ärztevertreter verlangen nun weitere Tests mit dem System.
Die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte entwickelt sich zur unendlichen Geschichte. Die Ausgabe des neuen Kärtchens mit Bild und zusätzlichen Funktionen wird nach Angaben der zuständigen Gesellschaft Gematik wahrscheinlich nicht im nächsten Jahr, sondern erst 2011 abgeschlossen sein. Geht es nach der Ärzteschaft, sind sogar noch weitere Verzögerungen absehbar.
Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe verlangte am Donnerstagabend in Berlin weitere großangelegte Tests, die das Projekt um mindestens ein weiteres Jahr verzögern könnten. Das sei für die Ärzte «Bedingung». In der offiziellen Startregion Nordrhein hätten die Praxen ihre Vorbereitungen jedenfalls einstweilen gestoppt. Auch die Kassenzahnärztliche Vereinigung Nordrhein betonte, die Ausgabe der Karte werde nicht diesen Sommer, sondern frühestens Ende 2009 beginnen.
Schwierigkeiten in der Startregion
Nordrhein war als die Region ausgewählt worden, wo die Ausgabe der Karte dieses Jahr beginnen sollte. Danach sollten sie bis 2010 schrittweise alle 80 Millionen Krankenversicherten in Deutschland bekommen. Als Vorbereitung müssen aber zunächst die Arztpraxen neue Lesegeräte für die Karte anschaffen. Dies sei bislang nur vereinzelt geschehen, sagte Hoppe. Nachdem die Ärztekammer Nordrhein eine «Denkpause» empfohlen habe, hätten die Ärzte die Anschaffung der Geräte gestoppt.
Derzeit sei damit zu rechnen, dass die Karte in Nordrhein erst Ende dieses Jahres eingeführt werde, sagte Gematik-Sprecher Daniel Poeschkens am Freitag der AP. Weitere Produktion und Verteilung der neuen Karte würden dann wahrscheinlich erst 2011 abgeschlossen sein. Dabei seien die technischen Hindernisse für die Einführung inzwischen überwunden, versicherte er: «Es gibt aus technischer Sicht nichts, was dem Roll-Out entgegenstünde.» Alles sei «in trockenen Tüchern».
Erst Test, dann Einführung
Das sieht Ärztepräsident Hoppe, der auch der Ärztekammer in Nordrhein vorsteht, völlig anders. Die Ärzteschaft hat nach wie vor Bedenken wegen der Datensicherheit, die die Gematik allerdings für nicht nachvollziehbar hält. Hoppe sagte, zunächst solle es einen großangelegten Test mit mindestens 100.000 Teilnehmern in der Region Bochum geben. Dieser werde mindestens ein Jahr dauern. Danach müssten die Ergebnisse verarbeitet werden.
Einen solchen Test bereits als ersten Schritt der Einführung zu organisieren, wie es das Bundesgesundheitsministerium will, lehnt die Ärzteschaft Hoppe zufolge ab. «Das bekämpfen wir», sagte er. Poeschkens räumte ein, wie schnell die Einführung laufe, hänge von der Umsetzung vor Ort ab. Ärzte, Zahnärzte und Krankenhäuser müssten sich jeweils auf Finanzierungsvereinbarungen mit den Krankenkassen einigen.
Karte soll Vorteile bringen
Die Einführung der einst als wichtigstes deutsches IT-Projekt bezeichneten elektronischen Gesundheitskarte zieht sich bereits seit 2004 hin. Damals war sie gesetzlich festgeschrieben worden. Bereits 2006 sollte sie jeder in Deutschland in Händen halten. Versprochen wurden wichtige Zusatzfunktionen gegenüber der heutigen Krankenversicherungskarte.
Dazu gehört nicht nur ein Bild auf der Karte als Identifizierung und das elektronische Rezept, das Papierrezepte ersetzen soll. Die Speicherung von Notfalldaten und Arzneien soll gefährliche Wechselwirkungen offen legen. In der letzten Ausbaustufe soll die Karte Schlüssel zu einer «elektronischen Patientenakten» sein, die überflüssige Doppeluntersuchungen vermeiden und die Krankengeschichte eines Patienten für alle behandelnden Ärzte transparent machen soll.
Zu Beginn soll die Karte aber nur Grundfunktionen haben, die kaum über die bisherige Versichertenkarte hinausgehen, wie Poeschkens bestätigte. Erst später sollen die Funktionen Schritt für Schritt ausgebaut werden, ohne dass die Karte ausgetauscht werden muss. (ap)