Bonn. Selbst die Experten wissen nicht, wie sich die Wirtschaftskrise auf die Finanzwelt auswirkt. Wenn sie jedoch eine Prognose wagen, dann fällt die düster aus. Der Präsident der zuständigen Bundesanstalt BaFin sagte, die "volle Wucht" der Krise würden die Banken wohl in einigen Monaten treffen.
Die Bankenaufsicht sieht über den deutschen Geldinstituten neue Turbulenzen heraufziehen. Es sei «ziemlich sicher, dass unsere Banken in ein paar Monaten die volle Wucht der schärfsten aller bisherigen Rezessionen in ihren Kreditportfolien spüren werden», sagte der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) am Dienstag in Bonn. Die Banken bereiteten sich zwar mit eigenen Stresstests auf diese Situation vor. Es gebe aber keinerlei Erfahrungswerte, wie sich das starke Negativwachstum auswirken werde.
Werbung für die Bad Banks
Ein schneller Wiederaufstieg der Wirtschaft sei «mehr als unwahrscheinlich», sagte Sanio. Er mahnte deshalb die Banken, «mit der größtmöglichen Eigenkapitalstärke in die kommende schwierige Wirtschaftsphase» zu gehen. Dazu sollten sie schnell von den Möglichkeiten Gebrauch machen, ihre Schrottpapiere in die beschlossenen «Bad Banks» auszulagern. Es bestehe «die sehr konkrete Gefahr», dass die Ratingagenturen auch bisher als erstklassig bewertete Verbriefungspapiere plötzlich hart herabstuften. Das könne das Eigenkapital der Banken so stark belasten, dass ihre Möglichkeiten zur Kreditvergabe entscheidend eingeengt würden.
Die kontinuierliche Entsorgung des «Giftmülls» in einem geordneten Verfahren unter staatlichem Schutzschirm könne den Banken einen Ausweg aus der Rating-Falle bieten, erklärte Sanio. Er könne sich nicht vorstellen, dass eine Bank, die Probleme mit strukturierten Papieren habe, diese Chance nicht annehme und «gottergeben abwartet, ob sie von tödlichen Downgradings getroffen wird oder nicht». Nötigenfalls würde die BaFin eingreifen. Die Banken wären jedoch «schlecht beraten, wenn sie darauf warten, dass die BaFin sie auf den Weg zur Giftmüll-Abladestation zwingt».
Überzogene Selbstregulierung verstärkt Rezession
Kritik übte Sanio an einer deutlich überzogenen Selbstregulierung, die inzwischen den Bankenmarkt erfasst habe. Die Investoren erzwängen gegenwärtig in einer «fast schon perversen Entwicklung» Eigenkapitalanforderungen, welche die internationalen Regeln weit überträfen.
Volkswirtschaftlich gesehen sei das ein bedenklicher Zustand. Diese «ins Extrem übersteigerte Vorsicht» könne großen Schaden anrichten, denn sie bremse die Kreditvergabe und verstärke so die Rezession. Sanio trat deshalb für eine gemäßigte «Re-Regulierung» der Finanzmärkte ein, um die aus der «Schreckstarre» nach der Lehman-Pleite entstandene überzogene Selbstregulierung zu korrigieren.
Bankenaufsicht "nicht eingestellt"
Wegen der Anforderungen des Bundestags-Untersuchungsausschusses zur Hypo Real Estate habe die BaFin derzeit die Aufsicht in einigen Bereichen reduzieren müssen, erklärte die für die Bankenaufsicht zuständige Exekutivdirektorin Sabine Lautenschläger. Die Mitarbeiter seien stark beschäftigt, die von dem Ausschuss in einer Reihe von Beweisbeschlüssen verlangten Unterlagen aufzuarbeiten. Das gelte allerdings nur für einen begrenzten Zeitraum, «und natürlich machen wir Risikoaufsicht», sagte Lautenschläger.
Sanio fügte hinzu, die Darstellung, die BaFin habe die Bankenaufsicht praktisch eingestellt, sei «stark sensationsmäßig übertrieben». Derzeit sei es relativ ruhig. Sollte eine nicht kleine Bank plötzlich in Schwierigkeiten kommen, könne die Bankenaufsicht auch durch Kräfte aus anderen Abteilungen verstärkt werden. «Da brennt nichts an», versicherte Sanio. (ap)