Essen. Erst Märklin und nun Schiesser: Die Wirtschaftskrise erfasst immer mehr Unternehmen. Besonders auffällig: Unter den Pleitefirmen finden sich zunehmend traditionsreiche Namen. In vielen Fällen tun sich bei den Gründen für die Insolvenz Parallelen auf.

Die Zeiten sind hart für die Kunden deutscher Traditionsunternehmen: Zubehör für die Modelleisenbahn und adäquater Ersatz für das Tafelgeschirr dürften bald schwerer zu bekommen sein. Und nun könnte auch der Nachschub mit Feinripp-Unterhosen auf der Kippe stehen: Mit der Unterwäschefirma Schiesser ist ein weiteres deutsches Traditionsunternehmen insolvent. Zuvor hatte es bereits den Porzellanhersteller Rosenthal und den Modelleisenbahn-Fabrikateur Märklin getroffen. Es scheint, als stürze die Wirtschaftskrise altehrwürdige Firmen reihenweise in den Abgrund.

Krise als Beschleuniger

"Traditionsreiche Unternehmen, die ihr Angebot in letzter Zeit nicht auf den Prüfstand gestellt haben, sind für die Krise besonders anfällig», sagt Norbert Winkeljohann, Vorstandsmitglied der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers. Die derzeitige schlechte Lage wirke als «Beschleuniger» auf dem Weg in die Insolvenz, wenn in den Unternehmen schon zuvor Fehler gemacht wurden.

Dennoch ist Winkeljohann nicht der Meinung, dass die Krise Familienunternehmen überdurchschnittlich hart trifft. Viele von ihnen seien sogar besser aufgestellt als große Firmen, weil sie aus vergangenen Krisen gelernt hätten. Die derzeitigen Probleme der Unternehmen lägen vielmehr in der Finanzierung. Das sieht so auch Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbands mittelständischer Wirtschaft. Für die Betriebe sei die Aufnahme von Krediten «erheblich schwieriger geworden».

Finanzierungsproblem

Ohoven hat zudem noch ein anderes Finanzierungsproblem ausgemacht: Sowohl bei Schiesser als auch bei Märklin und Rosenthal hätten «ausländische Kapitalgeber» eine Rolle gespielt. Vielen sogenannte Private-Equity-Investoren, die in mittelständische Unternehmen investiert haben, sei es derzeit nicht möglich, weiteres Kapital zur Verfügung zu stellen, sagt auch Winkeljohann.

Grund sei, dass es angesichts der Krise mitunter sowohl den Investoren als auch den Betrieben selbst schlecht gehe. Bei Schiesser drehte etwa der Schweizer Mehrheitsaktionär Hesta den Geldhahn zu, bei Rosenthal musste der irische Mutterkonzern Waterford Wedgwood selbst Insolvenz anmelden.

Zu wenig Eigenkapital

Vor allem wegen seiner im internationalen Vergleich sehr niedrigen Eigenkapitalquote ist der deutsche Mittelstand stark auf Fremdkapital angewiesen, sagt Volker Treier, Chefvolkswirt des Deutschen Industrie- und Handelskammertags. So habe der Anteil an eigenem Kapital bei kleinen und mittleren deutschen Unternehmen nach einer Untersuchung des Instituts für Mittelstandsforschung im Jahr 2005 bei lediglich zwölf Prozent gelegen. Deutsche Großunternehmen kommen demnach immerhin auf 26 Prozent, während die Firmen in Großbritannien und den USA mit über 40 Prozent deutlich mehr eigenes Geld zur Verfügung haben.

Doch auch die schwierige Finanzierung reicht als Erklärung für die Pleiten bei Schiesser, Märklin und Rosenthal wohl nicht aus. Schließlich existieren alle drei Unternehmen seit über einem Jahrhundert, die aktuelle Krise ist nicht ihre erste.

Teure Auslandsinvestitionen

Wirtschaftsprüfer Winkeljohann nennt daher noch mehrere Faktoren, die den Traditionsunternehmen das Leben schwer machen. Die Globalisierung habe viele Firmen dazu gezwungen, den mit hohen Kosten verbundenen Schritt ins Ausland zu wagen. Und auch die Veränderungen bei den Rohstoffpreisen spielten eine Rolle, genauso wie Wechselkursschwankungen. Diese Kombination von Faktoren habe es so massiv in der Vergangenheit nicht gegeben.

Etwas nüchterner betrachtet Stefan Kooths vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) die Insolvenzen. «Solche Bereinigungseffekte sind die Funktion eines Abschwungs», sagt er. Durch die Pleiten komme bei Betrieben, die auf der Kippe stehen, ein «Prozess der Umstrukturierung in Gang». Letztlich sei das das Positive an der Krise. (afp)

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