Essen. Einrichtungskette JYSK gegen Ikea punkten - vor allem auch in NRW. Neue Filialen: Deutschlandchef beklagt lange Genehmigungsverfahren.
Vor 40 Jahren hat die Einrichtungskette „Dänisches Bettenlager“ ihre erste deutsche Filiale in Flensburg eröffnet. Inzwischen heißt das Unternehmen JYSK und betreibt hierzulande 950 Möbelhäuser. Allein im Ruhrgebiet gibt es 27 Läden, von denen 16 gerade modernisiert wurden. Im Interview erzählt Deutschlandchef Christian Schirmer, was JYSK von Ikea unterscheidet, warum es so schwer ist, neue Filialen zu eröffnen, warum er an die Zukunft des stationären Handels glaubt und was „hyggelig“ bedeutet.
Herr Schirmer, Ihr Einrichtungsunternehmen Dänisches Bettenlager heißt seit drei Jahren JYSK. Ist der neue Name inzwischen in der Handelswelt und in der Kundschaft angekommen?
Christian Schirmer: Die Marke Dänisches Bettenlager hatte einen Bekanntheitsgrad von mehr als 90 Prozent. JYSK kannten am Anfang nur 46 Prozent. Inzwischen sind es über 80 Prozent. Wir sind da auf einem guten Weg.
Warum kam es überhaupt zu der Umbenennung?
Schirmer: JYSK ist mit 3400 Filialen und über 30.000 Beschäftigten in 48 Ländern vertreten. Nur in Deutschland und Österreich hießen wir Dänisches Bettenlager. Das wollten wir ändern. Den neuen Namen haben wir im Rahmen der Umbenennung im September 2021 zugleich mit einer Umstellung unseres Sortiments verbunden, um unserem neuen Claim „Scandinavian Sleeping & Living“ zu entsprechen.
Was lässt sich JYSK den Umbau kosten?
Schirmer: Wir wollen unsere 950 Standorte in Deutschland, in denen 8000 Kollegen arbeiten, konsequent modernisieren. Mit Start der Umbenennung bis Ende 2026 planen wir Investitionen in Höhe von gut 250 Millionen Euro. Das sind 270.000 Euro pro Filiale. Im Ruhrgebiet haben wir bereits in Bochum Am Thie und am Castroper Hellweg sowie in Essen an der Zeche Ernestine auf das neue Konzept 3.0 umgestellt. Umsatz und Kundenzahl haben sich dort signifikant erhöht.
Planen Sie auch zusätzliche Filialen?
Schirmer: Mittelfristig wollen wir rund 1050 Standorte in Deutschland haben. Das ist aber gar nicht so leicht. Ladenlokale, die größer als 799 Quadratmeter sind, müssen die Kommunen gesondert genehmigen. Das ist eine große Herausforderung. In den Rathäusern hören wir immer wieder das Argument, man wolle die aussterbenden Innenstädte schützen. Für uns bedeuten diese Genehmigungsverfahren viel Mühe.
Spielt das Online-Geschäft für Sie im Umkehrschluss keine große Rolle?
Schirmer: Die Filialen sind unser Kerngeschäft. Dort machen wir über 90 Prozent unseres Jahresumsatzes, der in Deutschland zuletzt bei 1,172 Milliarden Euro lag. Wer skandinavisch wohnen und schlafen möchte, will unsere Produkte im Markt vor Ort erleben. Wir haben festgestellt, dass sich 80 bis 90 Prozent unserer Kunden vor dem Kauf auf unserer Homepage informieren. Dort kann man natürlich auch Artikel bestellen oder per Click & Collect reservieren.
Was unterscheidet JYSK von Ihrem schwedischen Wettbewerber Ikea?
Schirmer: Ikea hat in Deutschland 54 große Häuser. Wir sind an 950 Standorten vertreten. Wir sind deshalb näher an unseren Kundinnen und Kunden dran. Unser Anspruch, dass man nicht länger als 20 Minuten bis zur nächsten JYSK-Filiale fahren muss, ist in den allermeisten Städten erfüllt. Ich glaube aber auch, dass wir mit unseren Eigenmarken und Kampagnen die attraktiveren Angebote haben.
Nichtsdestrotz setzen Ikea und JYSK auf skandinavisches Lebensgefühl und Design. Warum ist das in Deutschland so gefragt?
Schirmer: Die Menschen mögen das Hyggelige. Das ist das dänische Wort für Gemütlichkeit. Hyggelig steht aber auch für zeitlose Möbel, die auch in zehn Jahren noch modern sind. Den skandinavischen Hype gibt es im übrigen nicht nur in Deutschland. Das ist auch in in vielen europäischen Ländern nicht anders.
Ob im Bildungssystem oder bei der Digitalisierung – die skandinavischen Länder gelten in vielen Lebensbereichen als Vorbilder. Trifft das auch für die Unternehmensführung zu?
Schirmer: Absolut. Bei JYSK haben wir klare Werte und Grundsätze der Mitarbeiterführung. Führungskräfte haben eine Vorbildfunktion. Wir möchten, dass Führungskräfte ihre Mitarbeiter so behandeln, wie sie auch selbst behandelt werden möchten. Sie dürfen nichts diktieren, was sie selbst nicht bereit wären zu tun. Bei neuen Mitarbeitenden achten wir vor allem darauf, dass sie die richtige Einstellung mitbringen. Alles andere können sie lernen.
Ist auch die Bezahlung vorbildhaft?
Schirmer: Für das abgelaufene erfolgreiche Geschäftsjahr haben wir in Deutschland rund fünf Millionen Euro als Prämien ausgeschüttet. Darüber hinaus erhalten die Teams in den Filialen auch monatliche Prämien, wenn sie zum Beispiel Umsatzziele erreicht haben.
Wegen der zuletzt hohen Inflation hat der Konsum gelitten. Sehen Sie Licht am Ende des Tunnels?
Schirmer: Wir erwarten in den nächsten sechs bis zwölf Monaten eine schleichende Verbesserung des Konsumklimas. Im Einzelhandel kommt der Trend zum Besseren immer etwas zeitversetzt an. Angesichts der globalen Krisen ist die Unsicherheit weiterhin groß.
Weitere Texte aus dem Ressort Wirtschaft finden Sie hier:
- Vorwerk-Chef: Meine Frau wollte auch keinen Thermomix haben
- Biermarkt: Darum verkauft Stauder schweren Herzens wieder Dosenbier
- Sorgen bei Thyssenkrupp: „Stahlindustrie kämpft um Existenz“
- Galeria-Doppelschlag gegen Essen: Warenhaus und Zentrale weg
- Menschen in Not: So reagieren Einzelhändler auf Bettler vor ihrer Ladentür