Essen. Laut Studie haben im Sommer erst 17,7 Prozent der deutschen Haushalte Glasfaser-Anschlüsse. Deutsche Telekom weist Verantwortung zurück.

Der Glasfaser-Ausbau, der schnelles Internet ermöglicht, kommt in Deutschland nur langsam voran. Einer Studie zufolge wird die Quote der angeschlossenen Haushalte im ersten Halbjahr 2024 nur um 1,1 Prozentpunkte auf 17,7 Prozent zunehmen. Im Sommer werden dann gerade einmal 8,1 Millionen Haushalte über einen Glasfaser-Anschluss verfügen. Deutschland bleibt damit international abgeschlagen.

Die „Digitalstrategie“ der Bundesregierung war bislang davon ausgegangen, dass inzwischen nahezu ein Drittel der Haushalte Zugang zum schnellen Internet habe. Bis zum Jahr 2030 soll nach Vorstellungen der Ampel-Koalition das Glasfasernetz flächendeckend ausgerollt sein. Aktuelle Zahlen des Verbands der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) lassen aber massive Zweifel aufkeimen, dass die Planung realistisch ist. „Bei der jetzigen Geschwindigkeit wird das Ziel 2030 nur schwer zu halten sein“, sagt VATM-Präsident David Zimmer.

Verband: „Der Telekom geht es um Handtuchwerfen“

In seinem Verband haben sich rund 180 Telekommunikationsunternehmen von Vodafone, 1&1 und Telefonica/O2 bis hin zu lokalen Anbietern zusammengeschlossen. Der Marktführer, die Deutsche Telekom, gehört nicht zu den Mitgliedern. Den ehemaligen Staatskonzern macht der VATM nun verantwortlich für den schleppenden Ausbau des Glasfasernetzes.

„Bei der Telekom geht es ganz vornehmlich um Handtuchwerfen zur Investitionsverdrängung und einer lukrativeren Weiterversorgung mit Kupfer DSL“, sagt Andreas Walter, Leiter der gerade im Auftrag des VATM vorgelegten Gigabitstudie und Geschäftsführer von Dialog Consult. „Die Telekom baut in 73 Prozent der Fälle an ihren Kunden vorbei“, lautet der zentrale Vorwurf in der Studie. Soll heißen: Die Telekom baue Glasfasernetze unter den Straßen, aber verzichtet oft auf Leitungen direkt in die Häuser, heißt es in der Untersuchung. Auf diese Weise wolle die Telekom verhindern, dass Wettbewerber in den jeweiligen Gebieten investieren. „In den meisten Regionen lohnt sich nur ein Glasfasernetz. Die Telekom streut mit ihrem Doppelausbau bewusst Sand ins Getriebe“, sagte Jan Simons vom Glasfaser-Verband Breko unserer Redaktion bereits im März.

Telekom: „Falsche Behauptungen und aggressiver Tonfall“

Damals wie heute wehrt sich der Bonner Konzern vehement gegen die Kritik der Verbände und Wettbewerber. „Der VATM setzt seine Kampagne gegen den Glasfaserausbau der Telekom mit falschen Behauptungen und in aggressivem Tonfall unbeirrt fort“, reagiert Unternehmenssprecherin Nicole Schmidt auf die jüngsten Vorwürfe. Die Interpretation der Marktzahlen sei „unseriös und unlauter“. Das eigentliche Ziel des VATM sei es, „die Telekom auszubremsen und den Wettbewerbern unregulierte Monopole bei Glasfaser zu ermöglichen sowie eine Konkurrenz zum Kupfer-Koaxialnetz durch leistungsfähigere Glasfaseranschlüsse der Telekom zu verhindern. Das ist weder im Interesse der Kunden noch der Politik“, so Schmidt.

Der Bundesnetzagentur wurden nach eigenen Angaben inzwischen 427 Fälle – davon 81 in Nordrhein-Westfalen - gemeldet, in denen es in den betroffenen Gebieten zu einem Doppelausbau des Glasfasernetzes gekommen ist, den die Bundesregierung eigentlich verhindern will. „Rein zahlenmäßig halten sich die Fälle, in denen einerseits die Deutsche Telekom und andererseits ihre Wettbewerber als das doppelt ausbauende Unternehmen bezeichnet worden sind, die Waage“, teilt die Netzagentur mit. Es habe sich aber auch gezeigt, dass die Telekom „häufiger kurzfristig auf den Vertriebsstart eines zuerst aktiven Wettbewerbers reagiert oder nur lukrative Kerngebiete erschließt“.

Netzagentur-Chef beklagt Klima des Streits

Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, versuchte am Dienstag den Streit in der Glasfaser-Branche zu schlichten. Auf der Breitband-Messe Anga Com in Köln forderte er die Verbände und Unternehmen auf, die Emotionen aus den überhitzen Diskussionen herauszunehmen und den Tonfall zu ändern. Das herrschende Klima des Streites führe zu einer negativen Berichterstattung in den Medien und verunsichere Kunden wie Investoren.

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