Ratingen. Amtsgericht Düsseldorf stimmt Insolvenzverfahren für Modekette Esprit zu. Konzernchef: Mieten zu hoch. Filialschließungen in Deutschland geplant.
Vier Jahre nach der ersten Insolvenz in Eigenverwaltung hat das Amtsgericht Düsseldorf am Freitag, 17. Mai, für die Modekette Esprit ein zweites Verfahren eröffnet. Das teilte das Unternehmen mit. Der Chef der in Hongkong ansässigen Holding kündigt indes in einem Interview Filialschließungen in Deutschland an.
Für die Mitarbeitenden in Deutschland, die am Mittwoch Vormittag in Ratingen informiert wurden, kam die Hiobsbotschaft nicht ganz überraschend. Seit längerem zeichnete sich ab, dass Esprit in eine wirtschaftliche Schieflage geraten war. Wobei das Unternehmen bei weitem nicht das Einzige ist, das unter der Flaute in der Textilbranche leidet. Esprit hatte bereits im Jahr 2020 ein Schutzschirmverfahren für mehrere deutsche Gesellschaften beantragt. Damals waren rund 50 Filialen in Deutschland geschlossen worden, etwa 1100 Stellen wurden gestrichen.
Esprit-Geschäftsführerin Man Yi Yip ist gegangen
Das zweite Insolvenzverfahren soll nun offenbar genutzt werden, um das Filialnetz weiter zu stutzen. „Wir werden versuchen, dass dies so reibungslos wie möglich abläuft. Aber es wird Schließungen geben. Es wird Veränderungen geben“, sagte William Pak, Chef der Esprit-Holding in Hongkong, dem Branchenblatt Textilwirtschaft. Der Manager hält überdies die Mieten für zu hoch. „Die Mieten sind sehr, sehr hoch, die Verträge wurden über einen langen Zeitraum abgeschlossen. Das macht eine angemessene Umstrukturierung oder Größenanpassung sehr schwierig“, so Pak.
Auf dem Prüfstand steht nach seinen Angaben auch die Europa-Zentrale in Ratingen. Pak: „Ratingen ist Mittelpunkt dieser Umstrukturierung. Der Standort wurde vor mehr als 20 Jahren zu einer Zeit gegründet, als das Modell en vogue war, Läden, Zehntausende von Optionen und so viele Regale wie möglich zu füllen.“ Nähere Angaben machte er gegenüber der Textilwirtschaft nicht.
„Sinkende Umsätze und Managementwechsel“
Dem Unternehmen steht nun die Münchner Kanzlei Gerloff Liebler Rechtsanwälte zur Seite, die über langjährige Erfahrungen bei Restrukturierungen in der Mode- und Handelsbranche verfügt und bereits für namhafte Marken wie Escada, Gerry Weber, Adler-Modemärkte, Hallhuber, Laurèl und Tennis-Point tätig war. Die derzeitige Geschäftsführerin Man Yi Yip hat Esprit verlassen, teilte der Modehändler mit. Ihre Aufgaben nehmen nun drei Rechtsanwälte wahr.
„Esprit ist eine weltweit bekannte Marke für Mainstream-Mode, die aber seit geraumer Zeit unter sinkenden Umsätzen, verbunden mit zahlreichen Umstrukturierungen und Managementwechseln, leidet“, sagte Rechtsanwalt Christian Gerloff am Mittwoch nach einer Betriebsversammlung in Ratingen. „Die Eigenverwaltungsverfahren sollen die Chance eröffnen, die europäischen Aktivitäten von ihrer Struktur und vom Produkt her so aufzustellen, dass sie nachhaltig profitabel werden können.“ Der Verkauf in den Filialen gehe vorerst ohne Einschränkungen weiter.
Verhandlungen mit einem Investor
Bereits vor dem Insolvenzverfahren seien Gespräche mit einem Finanzinvestor geführt worden, „der Interesse an wesentlichen Teilen der Vermögenswerte der Esprit-Gesellschaften im Rahmen eines Fortführungskonzepts bekundet“ habe, teilte das Unternehmen mit. „Verhandlungen über den Erwerb der Markenrechte für Europa durch diesen Investor sind bereits in einem fortgeschrittenen Stadium.“ Laut Recherchen des Branchenmagazins Textilwirtschaft soll es sich dabei um den britischen Finanzinvestor Alteri handeln, dem auch die CBR Group mit den Labels Street One und Cecil gehört.
Esprit ist weltweit in rund 40 Ländern aktiv und hat seine Hauptzentralen in Ratingen und in Hongkong. Deutschland ist der wichtigste Markt für den Konzern. Bundesweit gibt es nach Unternehmensangaben 57 Filialen, in Europa 124. Die Esprit Europe GmbH, die ihren Sitz in Ratingen hat, ist die Obergesellschaft für Esprit in Deutschland, Frankreich, Belgien, Österreich, die skandinavischen Länder, Polen und Großbritannien.
Unweit der Stadtgrenze zu Mülheim gibt es auch ein beliebtes Factory Outlet, das Auslaufmodelle von Esprit zu günstigen Preisen anbietet. Einkauf und Vertrieb sind in diversen europäischen Tochter- und Enkelgesellschaften organisiert.
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