Essen. Start-ups aus dem Ruhrgebiet wecken zunehmend Interesse im Ausland. Gäste aus China, San Francisco, New York und Finnland kommen zum Ruhrsummit.
So früh im Jahr hat der Ruhrsummit nie zuvor die Gründerszene des Ruhrgebiets und darüber hinaus in Bochum versammelt. Bereits am Dienstag, 28. Mai, treffen in der Jahrhunderthalle Start-ups, Unternehmen und Investoren aufeinander. Es ist der neunte große Kongress seiner Art.
Wenn es um die schiere Zahl von Start-ups geht, hinkt das Ruhrgebiet den Hotspots Berlin und München immer noch hinterher. Eine aktuelle Studie kommt aber immerhin zu dem Schluss, dass die Gründungsdynamik im Revier kontinuierlich zunimmt – trotz der aktuellen Wirtschaftskrise. In Berlin und München ist das nicht so. Das Wirtschaftsbündnis Initiativkreis Ruhr und der Start-up-Verband haben die Szene genauer untersuchen lassen.
Von Jahr zu Jahr mehr Start-ups im Ruhrgebiet
Das Ergebnis: Die Zahl der Start-ups im Ruhrgebiet hat sich seit 2015 Jahr für Jahr vergrößert. Von 34 ist sie auf 92 im Jahr 2023 gestiegen. Das bislang stärkste Jahr war 2021 mit 94 Neugründungen. Einen – coronabedingten – Einbruch gab es allein 2022. Die meisten Start-ups entstehen in den bevölkerungsreichsten Städten Essen, Dortmund, Bochum und Duisburg.
Nachholbedarf sieht die Studie dagegen bei der Ausstattung der Start-ups mit Wagniskapital – ein bundesweites Problem, das im Ruhrgebiet besonders auf den Nägeln zu brennen scheint. „Es wird der Bedarf nach mehr Kapitalgebern deutlich. Unser Start-up-Ökosystem ist jung und oft haben wir es mit Start-ups zu tun, die noch gar nicht viele Millionen, sondern einen ersten Anschub brauchen“, sagt Britta Dombrowe, beim Initiativkreis Ruhr verantwortlich für die Start-up-Aktivitäten. 89 Prozent der Gründerinnen und Gründer und sogar 96 Prozent der Unternehmen gaben in einer Umfrage an, dass ein besserer Zugang zu Kapital für die weitere Entwicklung des Gründungsstandorts Ruhrgebiet wichtig sei.
Initiativkreis Ruhr: Mehr Netzwerke für Start-ups
Ein weiteres Problem: Fast alle befragten Gründer und etablierten Unternehmen halten eine gegenseitige Zusammenarbeit für wichtig. Aber nur 44 Prozent von ihnen sind davon überzeugt, dass diese Zusammenarbeit im Ruhrgebiet auch wirklich gut funktioniert. Aus dieser Negativbewertung will der Initiativkreis Ruhr nun die Konsequenzen ziehen. „Wir wollen bei unserer Vernetzungsarbeit zukünftig den Mittelstand noch stärker mitdenken“, kündigt Start-up-Managerin Rebekka Bracht an. Für den Mittelstand sei es manchmal leichter, mit Start-ups zu kooperieren. In großen Konzernen gebe es zu viele interne Abstimmungsrunden und Regularien, bevor es grünes Licht für die Zusammenarbeit gebe, so Bracht.
Der wichtigste Event, der die Partner der Start-up-Szene zusammenbringt, ist zweifelsohne der Ruhrsummit. Er will in diesem Jahr den Blick weit über das Revier hinaus schweifen lassen. „Wir wollen beim Ruhrsummit erstmals die internationale Schlagkraft der Gründerszene im Ruhrgebiet herausstellen“, sagt Svenja Tietje, Geschäftsführerin des Ruhrhub in Essen, die den Event mit ihrem Team organisiert. Sie kündigt an, dass in der Jahrhunderthalle am 28. Mai 15 Start-ups aus Ländern wie den Niederlanden, Slowenien, Algerien und Indien dabei sein werden. „Auch die Außenhandelskammern aus China, San Francisco, New York, Finnland werden in Bochum vertreten sein, um Kontakte zu knüpfen“, so Tietje.
Verband Business Angels Deutschland erstmals beim Ruhrsummit
Für Start-ups ist nicht nur die Finanzierungsfrage elementar, sie brauchen auch fachliche Unterstützung von erfahrenen Menschen aus der Wirtschaft. Am Ruhrsummit nimmt deshalb erstmals der in Essen ansässige und vom Bundeswirtschaftsministerium unterstützte Bundesverband Business Angels Deutschland (BAND) teil. Der Verband sagt über sich selbst, er stehe für den „zweiflügligen” Business Angel, „der sich sowohl mit Kapital als auch mit Know-how an jungen, innovativen Start-ups beteiligt. Business Angels stehen häufig am Anfang der Finanzierungskette, dort, wo der Engpass am größten ist.“ Ruhrsummit-Organisatorin Tietje ist zuversichtlich. „BAND bringt eine Reihe von Investoren mit, welche schon gespannt auf der Geschäftsmodelle der Start-ups sind.“
Inhaltlich will sich der Ruhrsummit in diesem Jahr vor allem mit dem digitalen Wandel beschäftigen. „Unter den Start-ups gibt es einen wahnsinnigen Bedarf, sich über Zukunftsthemen wie digitales Marketing auszutauschen“, sagt Tietje. „Für junge Unternehmen ist es unwahrscheinlich wichtig, über SEO bei Suchmaschinen wie Google gefunden zu werden und nicht nur auf Social Media Kampagnen zu setzen, um darüber ihren Vertrieb anzukurbeln.“
Einen festen Ausstellungs- und Debattenplatz in der Jahrhunderthalle haben aber auch nachhaltige und sozial orientierte Start-ups. Mit einem großen Stand wird auch wieder das vom Initiativkreis Ruhr ins Leben gerufene Netzwerk Herhood vertreten sein, das Frauen Mut machen will, sich selbstständig zu machen. Als prominente Rednerinnen wollen in der „Herhood-Town“ unter anderem NRW-Gleichstellungsministerin Josefine Paul (Grüne) und die Zukunftsforscherin Anabel Ternès von Hattburg auftreten und mit Teilnehmenden diskutieren.
Kräuterbitter-Unternehmerin Christiane Underberg (80) diskutiert mit Start-ups
Aber auch auf der Liste mit Rednerinnen und Rednern, die auf der Hauptbühne auftreten, finden sich bekannte Namen: NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) wird als Schirmherrin des Ruhrsummit gegen Ende des Events reden. Mit Vertreterinnen und Vertretern der Start-ups wird aber auch die 80-jährige Gesellschafterin des Rheinberger Kräuterschnaps-Herstellers Underberg, Christiane Underberg, diskutieren. Zugesagt haben auch Frederike Fritzsche, Managerin beim Versender Otto, Thomas Druyen, Chef der Opta Data Zukunftsstiftung aus Essen, und der Zukunftsforscher David Matusiewicz.
Eine Übersicht über alle Rednerinnen und Redner sowie Veranstaltungen gibt es unter ruhrSUMMIT 2024. Dort sind auch die Tickets buchbar.
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