Duisburg. Duisburgs Hafenchef Markus Bangen zeigt sich besorgt um die Industrie. Mit Thyssenkrupp will er zusammenarbeiten – und auch mit China.
Als Chinas Staatschef Xi Jinping vor fast genau zehn Jahren bei seiner ersten Deutschland-Reise den Duisburger Hafen besucht, ist die Welt geopolitisch noch eine andere. Ein Güterzug, den Xi gemeinsam mit dem damaligen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel in Empfang nimmt, ist festlich geschmückt. Eine Artistengruppe präsentiert bunte Glücksdrachen. Es herrscht Aufbruchstimmung. Eine Eisenbahnverbindung, die von der chinesischen Metropole Chongqing bis ins Ruhrgebiet reicht, wird politisch als „Neue Seidenstraße“ vermarktet – als eine strategisch wichtige Handelsroute mit historischem Vorbild.
Wenn der heutige Hafenchef Markus Bangen über die Zusammenarbeit mit China spricht, dann klingen seine Worte weniger euphorisch als die Ausführungen seines Vorgängers Erich Staake, der den Besuch von Xi in Duisburg am 29. März 2014 mitorganisiert hat. „China hat bei uns im Hafen den Anteil, den es fast überall in jedem Hafen der Welt hat“, sagt Bangen. Für Deutschland sei China nach den USA der zweitgrößte Handelspartner, und das bilde sich auch bei der Container-Logistik in Duisburg ab. Etwa ein Viertel der Schiffscontainer werde im Zusammenhang mit dem deutsch-chinesischen Handel bewegt.
Die wirtschaftliche Bedeutung der Zugverbindung nach Chongqing sei für den Hafen indes überschaubar, erklärt Bangen. Es gehe hier um „zwei bis drei Prozent des Container-Umschlags“ in Duisburg. In der Vergangenheit habe es jedenfalls eine „übertriebene Außendarstellung“ gegeben. Derzeit kämen 20 bis 25 Güterzüge aus China pro Woche in Duisburg an, zwei bis drei davon aus Chongqing.
„Wir verkaufen auch an China, wir kaufen nicht nur in China“
Die Zusammenarbeit von Duisburg mit Chongqing sei gleichwohl „hoch einzuschätzen“, urteilt Bangen. Um das Zehn-Jahres-Jubiläum der Zugverbindung zu feiern, sei er vor wenigen Tagen in die chinesische Großstadt gereist. „Das ist die größte Stadt der Welt mit 33 Millionen Einwohnern“, erzählt Bangen. Duisburg und die Hafengesellschaft Duisport hätten in Chongqing einen guten Ruf, was sich unter anderem daran ablesen lasse, dass er vom chinesischen Stadtoberhaupt zu einem Empfang gebeten worden sei. Zur Einordnung fügt Bangen hinzu: Chongqing gehöre zu den wenigen Städten in China, „die direkt an die Zentralregierung in Peking“ berichten.
„Wir wären blöd, wenn wir nicht schauen, ob wir Möglichkeiten für den Standort Duisburg und Nordrhein-Westfalen daraus realisieren könnten“, merkt Bangen an. Zu Kritik, Deutschland mache sich im Handel abhängig von China, sagt der Duisport-Chef: „Wir verkaufen auch an China, wir kaufen nicht nur in China.“
Der Duisburger Hafen ist Europas größter Binnenhafen. Er gehört zu zwei Dritteln dem Land NRW und zu einem Drittel der Stadt Duisburg. Am Jahresende beschäftigte die Duisport-Gruppe rund 1400 Menschen und damit Unternehmensangaben zufolge etwa so viele wie im Vorjahr.
Bislang führt die Route der „Seidenstraße“ von China nach Duisburg auch über russisches Territorium. Die Züge seien mitunter „die mit Abstand beste und manchmal auch einzige Lösung, durch das Reich von Herrn Putin zu fahren“, sagt Duisport-Chef Bangen. Dies verursache trotzdem „bad feelings“ – schlechte Gefühle.
Hafenchef wünscht sich Alternativroute aus China ohne Russland
Bangen regt an, die Züge verstärkt über eine alternative Strecke nach Deutschland zu steuern. In der vergangenen Woche habe er Gespräche in Peking bei der chinesischen Eisenbahngesellschaft China Railway geführt und das Thema „Ausweichrouten“ angesprochen. Er habe den Eindruck bekommen, auch in China sei verstanden worden, dass „die westliche Welt“ ihre Meinung zu Russland „nicht kurzfristig ändern“ werde. Bangen betont, anstelle des sogenannten „Nordkorridors“ durch Russland könne auch ein „Mittelkorridor“ angesteuert werden, der von Kasachstan über Georgien und Rumänien oder auch durch die Türkei führe. Eine Umstellung könne aber eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, räumt Hafen-Chef Bangen ein.
Mit dem Geschäftsverlauf der Duisburger Hafengesellschaft zeigt sich der Manager zufrieden. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) stieg Unternehmensangaben zufolge von 22,3 Millionen auf 24,1 Millionen Euro, obwohl der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr leicht zurückging – um 0,3 Prozent auf 331,5 Millionen Euro. Insgesamt schlug die Duisport-Gruppe im vergangenen Jahr 50,8 Millionen Tonnen Güter per Schiff, Bahn und Lkw um – und damit knapp 7,5 Prozent weniger als 2022. „Die Lieferketten funktionieren“, berichtet Bangen. Es sei derzeit auch nicht erkennbar, dass durch die internationalen Spannungen höhere Kosten für die Logistik und damit auch für die Konsumenten in Deutschland entstünden.
Sorge um die Industrie, Verständnis für Thyssenkrupp
Besorgt zeigt sich Hafen-Chef Bangen mit Blick auf Deutschlands Industrie. „Das ist nicht mehr eine kurze Krise, das ist nicht ein Gejammere“, zeigt sich der Manager überzeugt. Es seien grundlegende Veränderungen zu spüren, mit denen wichtige Investitionsentscheidungen der heimischen Wirtschaft in Gefahr gerieten. Es gebe dringenden Handlungsbedarf, wenn die Politik Branchen wie etwa die Chemieindustrie in Europa halten wolle, sagt Bangen.
Verständnis zeigt der Hafenchef für die Pläne des Thyssenkrupp-Managements, die Stahlproduktion in NRW zu verkleinern. „Natürlich ist das für den Standort Duisburg ein herber Schlag“, sagt Bangen. Aber das Unternehmen müsse reagieren, wenn Deutschlands Autoindustrie weniger Stahl bestelle. Duisport und Thyssenkrupp Steel wollen künftig stärker zusammenarbeiten. Zu diesem Zweck gründen beide Unternehmen eine Logistik-Gemeinschaftsfirma unter Führung von Thyssenkrupp Steel, an der sich der Hafen mit 49 Prozent beteiligt. Zur Thyssenkrupp Steel Logistics GmbH gehören derzeit rund 300 Beschäftigte und die Werkshäfen in den Stadtteilen Schwelgern und Walsum. Das Ziel sei, die Werkshäfen „effektiver aufzustellen“, sagt Hafenchef Bangen.
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