Düsseldorf. Vom Partner zum Problem? In der NRW-Landespolitik werden Forderungen lauter, die engen Beziehungen zu China zu überprüfen.

Als Chinas Staatschef Xi Jinping im März 2014 zum Hafenbesuch nach Duisburg kommt, wartet der ganz große Bahnhof auf ihn. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (beide SPD) geben sich zu Gong-Schlägen, festlicher Musik und tanzenden Drachen die Ehre. Oberbürgermeister Sören Link (SPD) freut sich über das „starke Signal“ des Gastes aus Peking für die vom Strukturwandel gebeutelte Ruhrgebietsstadt. Die neue „Seidenstraße“ ist damals in aller Munde, der Ferne Osten erscheint näher denn je.

Man schmückt sich nicht mehr mit Beziehungen zu China

Acht Jahre und diverse Verwandlungen Xis in einen Säbel rasselnden und aus westlicher Sicht zunehmend unberechenbaren Alleinherrscher später ist der Hang, sich mit guten Beziehungen zu Peking zu schmücken, fast verschwunden. Heimlich, still und leise begruben die chinesische Staatreederei Cosco und der Duisburger Hafen schon im Sommer die geplante Zusammenarbeit für ein neues Gateway Terminal“.

Erst jetzt wurde bekannt, dass die Hafen AG, an der das Land NRW zu zwei Dritteln beteiligt ist, die Cosco-Anteile an diesem Projekt übernommen hat. Nicht einmal der Duisburger Bundestagsabgeordnete Felix Banaszak (Grüne) wusste davon, als er zu Wochenbeginn eine „neue China-Strategie“ forderte und vor möglichen chinesischen Zugriffen auf kritische Infrastrukturen warnte. Für ihn war der Cosco-Deal beim Gateway Terminal da noch aktuell. Laut der Duisburger Hafen AG ist Cosco übrigens weiterhin „ein wichtiger Kunde für die im Duisburger Hafen operierenden Containerterminals“. Der Hafen begebe sich aber „nicht in Abhängigkeiten“, beteuert das Unternehmen.

Kompromisslösung nach Kontroverse in Hamburg

In Hamburg wurde das politische Unbehagen über den Einstieg des chinesischen Staatsunternehmens in die Betreibergesellschaft eines Containerterminals im dortigen Hafen zuletzt so groß, dass schon von einem Bruch mit Cosco geredet wurde. Der am Mittwoch erzielte Kompromiss – eine niedrigere Cosco-Beteiligung als zunächst geplant – ist in der „Ampel“ im Bund weiter hoch umstritten.

Zurück zu Duisburg: Auf China angesprochen, kommen aus der Hafen AG inzwischen Stimmen, die die Rolle der Chinesen eher klein reden. Das China-Geschäft mache nur einen Bruchteil der gesamten Gütermenge aus, heißt es. Über die „Seidenstraße“ rollten pro Woche lediglich 30 Züge nach Duisburg und zurück nach China. Ein Klacks, verglichen mit den vielen Containern, die ein einziges großes Frachtschiff transportiere. Man könnte fast meinen, die Seidenstraße sei nur ein Sträßchen.

China -- ein großer Handelspartner für NRW

Tatsache ist, dass China auf Rang zwei der wichtigsten Importländer Nordrhein-Westfalens und auf Rang fünf der Exportländer liegt. 14 Prozent aller Einfuhren nach NRW kommen aus China, wie das NRW-Wirtschaftsministerium dieser Redaktion mitteilte. Das Handelsvolumen stieg laut dem Statistischen Landesamt innerhalb von zehn Jahren von 29,1 Milliarden Euro (2011) auf 47,99 Milliarden Euro (2021).

Die Zahl der chinesischen Unternehmen, die sich in NRW engagieren, und vielen Menschen Arbeit geben, stieg in diesem Zeitraum von rund 700 auf etwa 1000. Die größten darunter sind die Telekommunikationsriesen Huawei (Düsseldorf) und ZTE (Düsseldorf), der Auftragsforscher Wuxi Biologics (Leverkusen), der Automobilzulieferer Yanfeng (Neuss), der Versandhändler Woltu (Wuppertal) und der Baumaschinenherstelle Sany (Bedburg). Rund 40.000 Chinesinnen und Chinesen leben in NRW – ein Viertel aller in Deutschland lebenden chinesischen Staatsangehörigen.

Behörden und Landespolitik sind sensibilisiert

Bisher ist das blühende Geschäft mit China eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte für Nordrhein-Westfalen, und das NRW-Wirtschaftsministerium sieht diese Handelsbeziehungen trotz der aktuellen Entwicklungen in China und der Erfahrung, dass der Handel mit dem ebenfalls autoritär regierten Russland überhaupt keinen demokratischen Wandel hervorgerufen hat, „aktuell nicht beeinträchtigt“. Aber der Ton wird auch in den Behörden vorsichtiger. „Wir beobachten die Situation kontinuierlich sehr genau – auch in enger Abstimmung mit dem Bund“, erklärt das Wirtschaftsministerium in Düsseldorf gegenüber dieser Zeitung. Man stehe in fortlaufendem Austausch mit Verbänden und Unternehmen mit China-Bezug, „auch zu möglichen Risiken“, heißt es.

Das Verhältnis zu China schwankt zwischen Vertrauen und Misstrauen. „Wirtschaftliche Abschottung kann in einer globalisierten Welt nicht im Interesse von Deutschland und NRW sein. Das gilt besonders für den größten Binnenhafen Europas in Duisburg“, sagte André Stinka, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion auf unsere Anfrage. Klar sei aber auch, dass sich die heimische Wirtschaft nicht von einzelnen Staaten abhängig machen dürfe. Europa sei gut beraten, den gemeinsamen Binnenmarkt nach außen zusammen zu vertreten. „Darauf muss auch beim Duisburger Hafen geachtet werden. Hier ist das Land als Hauptanteilseigner in der Verantwortung“, so Stinka.

Es geht auch um Wissenschaft und Klimaschutz

Der frühere NRW-Wirtschaftsminister und heutige Sprecher der FDP-Landtagsfraktion für Internationales, Andreas Pinkwart, ist dafür, den Austausch mit den drei NRW-„Partnerprovinzen“ Jiangsu, Sichuan und Shanxi „auch in angespannteren außenpolitischen Phasen nach Möglichkeit weiter fortzuführen“. Dabei gehe es besonders um Stipendien und die Zusammenarbeit beim Klimaschutz. NRW sei aber gut beraten, die Kontakte zu vielen anderen Staaten weltweit weiter auszubauen, um Abhängigkeiten zu begegnen. Pinkwart nannte die traditionsreiche Partnerschaft mit Japan sowie Indien und ASEAN-Staaten wie zum Beispiel Vietnam, Thailand und Singapur.