Essen. Initiativkreis Ruhr plant Demokratie-Kampagne zur Europawahl. Rheinmetall und Uniper neue Mitglieder im Bündnis. Evonik gegen Rassismus.

Das Wirtschaftsbündnis Initiativkreis Ruhr plant eine Kampagne zur Europawahl am 9. Juni. Darin wollen die mehr als 70 Unternehmen und Institutionen nicht nur für eine hohe Wahlbeteiligung werben, sondern auch vor einem Rechtsruck in Deutschland und Europa warnen. Das hat die Vollversammlung am Donnerstagabend beschlossen.

„Das große Interesse unserer Mitglieder, sich an unserer Europakampagne zu beteiligen, ist hocherfreulich. Gemeinsam können wir zeigen, welche Bedeutung Europa für unsere Region hat und wie wichtig es ist, am 9. Juni wählen zu gehen,“ sagt Andreas Maurer, Co-Moderator des Initiativkreises Ruhr. Die Kampagne soll im Mai nicht nur im Ruhrgebiet sichtbar werden. In persönlichen Videobotschaften wollen Konzernchefs, Geschäftsführer und Rektoren von Hochschulen Plädoyers halten.

Demoskopen erwarten Rechtsruck bei der Europawahl

Rund drei Monate vor dem Urnengang sagen Meinungsforscher bei der Wahl zum Europäischen Parlament einen Rechtsruck voraus. Einer Umfrage des Instituts Ipsos zufolge können die beiden rechtspopulistischen und nationalistischen Fraktionen mit Zugewinnen rechnen. Die Fraktion Identität und Demokratie (ID), zu der auch die AfD gehört, würde 81 Abgeordnete stellen (bislang 59). Die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (ECR), deren größte Partei bislang die polnische PiS ist, würde von 68 auf 76 Sitze anwachsen.

„Wir leben in herausfordernden Zeiten – geopolitische und technische Disruptionen bestimmen unsere Zukunft. Gerade in solchen Zeiten ist es wichtig, durch Wahlteilnahme die europäische Demokratie zu stärken. Die TüV Nord Group steht für Demokratie und Vielfalt“, sagt Dirk Stenkamp, Chef von TüV Nord, der sich an der Kampagne des Initiativkreises Ruhr beteiligt. „Am Ende geht es doch um eine Welt, in der wir voneinander profitieren, niemanden ausgrenzen. Denn uns muss auch klar sein: Eine demokratische Grundordnung ist keine Selbstverständlichkeit.“

Martina Steffen ist Vorstandsmitglied des Essener Baukonzerns Hochtief.
Martina Steffen ist Vorstandsmitglied des Essener Baukonzerns Hochtief.

Die Europa-Kampagne des Initiativkreis Ruhr unterstützt auch Martina Steffen, Vorstand des Essener Baukonzerns Hochtief. „Gerade in Zeiten des Wandels und der Unsicherheit müssen wir die Demokratie und ihre Institutionen stärken“, sagt die Managerin. „Die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vor fast 70 Jahren markiert den Beginn eines Zeitalters des Friedens und Wohlstands in Europa. Deutschland und das Ruhrgebiet haben davon besonders profitiert. Es liegt an uns, diese Erfolgsgeschichte fortzuschreiben.“

Rolf Buch: „Ein Klima von Angst und Schrecken schreckt ab“

Zuletzt hatten sich zahlreiche Unternehmenschefs aus dem Ruhrgebiet gegen ausländerfeindliche Parolen, die dem Wirtschaftsstandort Deutschland schaden, ausgesprochen. Unter ihnen der Chef des Wohnungsriesen Vonovia, Rolf Buch, der den Initiativkreis Ruhr ehrenamtlich als Moderator führt. „Das Erstarken der Rechten wird auch bei unseren Geschäftspartnern im Ausland mit Sorge beobachtet. Wir werden gefragt, was in Deutschland los ist?“, sagte Buch unlängst unserer Redaktion. „Wenn Mitglieder von Parteien, die im deutschen Bundestag vertreten sind, dezidierte Pläne zur Vertreibung von Deutschen mit Migrationshintergrund diskutieren, schadet das nicht nur dem Image Deutschlands. Es beschädigt den Wirtschaftsstandort Deutschland. Ein Klima von Angst und Schrecken schreckt ab. Wir wollen das nicht und halten dagegen – für ein, tolerantes, freies und demokratisches Deutschland.“

Uniper-Chef Michael Lewis ist neues Mitglied des Initiativkreis Ruhr.
Uniper-Chef Michael Lewis ist neues Mitglied des Initiativkreis Ruhr. © dpa | Rolf Vennenbernd

Der Initiativkreis Ruhr feiert in diesem Jahr seinen 35. Geburtstag. Zum Jubiläum kann das vom damaligen Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen, der aus Essen stammte, gegründete Wirtschaftsbündnis zwei neue namhafte Mitglieder begrüßen, die ihren Sitz in Düsseldorf haben: der Rüstungshersteller Rheinmetall und der verstaatlichte Energiekonzern Uniper. „Bei Rheinmetall übernehmen wir Verantwortung in einer sich verändernden Welt – unsere Mission könnte kaum passender sein für eine Mitgliedschaft im Initiativkreis Ruhr“, sagt Rheinmetall-Chef Armin Papperger. „Den Wandel zu gestalten ist Teil unserer Identität. Gern tun wir dies gemeinsam mit starken Partnern, in der Ruhrregion und darüber hinaus.“

An die Gründung am 15. Februar 1989 erinnert auch Uniper-Chef Michael Lewis. „Die Maxime von Alfred Herrhausen, dem ersten Moderator des Initiativkreises Ruhr, gilt damals wie heute: ‚Nach vorne mit dem Ruhrgebiet’.“ Uniper habe viele Kunden im Revier und engagiere sich im Initiativkreis Ruhr, „da diesem wie uns die erfolgreiche Transformation und Zukunftsgestaltung des Ruhrgebiets am Herzen liegt und wir Verantwortung für die Region und die Menschen übernehmen wollen, die dort leben und arbeiten.“

IHKs Bochum und Dortmund gegen antidemokratische Tendenzen

Für Weltoffenheit, Toleranz und Vielfalt sprach sich in dieser Woche auch die Hauptversammlung der IHK Mittleres Ruhrgebiet in Bochum aus und verabschiedete ein „Bekenntnis zur Demokratie“ und ein Positionspapier. „Wir werden uns künftig stärker einmischen, um antidemokratischen Tendenzen zu begegnen“, kündigt IHK-Hauptgeschäftsführer Michael Bergmann an.

Für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit dürfe es keinen Raum geben, forderte die Vollversammlung der IHK Dortmund. „Eine Politik, die einen grenzüberschreitenden Austausch ablehnt, stellt eine Gefahr für unsere Wirtschaft dar und schadet unserem Exportstandort in besonderem Maße“, erklärte die Kammer.

4600 Evonik-Beschäftigte: Engagement für Menschenrechte

Mehr als 4600 Beschäftigte des Essener Chemiekonzerns Evonik haben nach Angaben des Betriebsrats „Zeichen gegen Rassismus und für Menschenrechte“ gesetzt. Gesamtjugend- und Auszubildendenvertretung hatten eine Umfrage an allen internationalen Standorten des Unternehmens gestartet. Rund 90 Prozent der Befragten erklärten demnach, ihnen sei ein Engagement für Menschenrechte wichtig. Nur 30 Prozent waren der Meinung, dass Menschenrechtsverletzungen ausreichend in Medien und Politik thematisiert werden. „In Zeiten, in denen die Welt von Unsicherheit geprägt ist, ist unsere Einigkeit und unser Engagement für Gerechtigkeit, Gleichheit und Respekt wichtiger denn je“, sagt Evonik-Gesamtbetriebsratsvorsitzender Martin Albers.

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