Essen. Tiktok-Trend #Klarnaschulden: Junge Leute überbieten sich in Kurzvideos mit ihren offenen Rechnungen. Wieso das sogar strafbar sein kann.
„Ich zahl´ einfach nach 30 Tagen mit Klarna, was soll schon passieren?“ steht auf dem Bild einer jungen Frau mit dunklen, langen Haaren. Sie trägt ein pinkes Top mit einer weißen Hose. Eine pinke Tasche hält sie in der Hand. Dann ändert sich das Bild. Zu sehen sind die vermeintlichen Schulden der jungen Frau beim Zahlungsdienstleister Klarna: 1937,70 Euro.
Bei dem kurzen Beitrag handelt es sich um ein Video auf dem sozialen Netzwerk Tiktok. Versehen ist es mit dem Hashtag #Klarnaschulden. Unter dieser Markierung häufen sich die Videos – inzwischen gibt es fast 72 Millionen Aufrufe insgesamt. Dabei handelt es sich um einen Trend, der Anfang dieses Jahres auf dem sozialen Netzwerk entstanden ist. Junge Menschen zeigen ihre vermeintlichen Schulden und überbieten sich gegenseitig. Viele Schuldenbeträge sind vier-, manche sogar fünfstellig. Seine Schulden öffentlich hochzuladen, kann weitreichende Folgen haben.
Klarna und Co.: Schulden zu veröffentlichen, kann strafrechtliche Folgen haben
Bei solchen „Buy now, pay later“-Angeboten (BNPL) handele es sich aber nicht grundsätzlich um Schuldenfallen, erklärt Birgit Vorberg, Juristin bei der Verbraucherzentrale NRW. Dennoch könnten Angebote wie das von Klarna sich schnell zu einer entwickeln. Die Möglichkeit vieles zu kaufen, ohne direkt bezahlen zu müssen, könne dazu führen, den Überblick über die Finanzen zu verlieren. „Einfache Bezahlmöglichkeiten sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass man trotzdem auf jeden Fall bezahlen muss“, so Vorberg.
Auf den Tiktok-Trend reagiert die Juristin mit Unverständnis. Zum einen, dass Schulden als ein Statussymbol präsentiert werden und zum anderen, dass man damit an die Öffentlichkeit geht, finde sie fragwürdig. Das könne weitreichende Folgen haben – im Extremfall sogar strafrechtliche. „Wer in der Öffentlichkeit seine Schulden zeigt und trotzdem weiterhin Verträge abschließt, mit dem Wissen, diese nicht bezahlen zu können, der kann eine Anzeige wegen Eingehungsbetrug bekommen“, erklärt Vorberg. Das passiere allerdings nur in Einzelfällen. „Man verbaut sich damit die finanzielle Zukunft.“
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#Klarnaschulden: Unternehmen beobachtet Trend mit Sorge
Doch was sagt Klarna selbst zu dem Tiktok-Trend? Das Unternehmen blicke mit Sorge auf den Hashtag in dem sozialen Netzwerk. „Wir haben weder ein Interesse noch einen Anreiz, Menschen in die Verschuldung zu treiben, unabhängig von ihrem Alter“, sagt das Unternehmen auf Anfrage dieser Redaktion. Fast alle Rechnungen würden bei dem Dienstleister rechtzeitig gezahlt werden. Lediglich ein Prozent der Rechnungen werde nicht in der vorgegebenen Frist beglichen.
Außerdem würde bei jeder Transaktion neu entschieden, ob der Kunde für die Zahlung mit Klarna zugelassen wird. Es könnten nur die Klarna nutzen, die auch zurückzahlen könnten. „Wir schränken die Nutzung unserer Services bei ausstehenden Zahlungen ein, so dass es nicht möglich ist, Schulden anzuhäufen“, so das Unternehmen. Bei einer ersten Bezahlung mit Klarna könnten Nutzer auch nur für einen Betrag um die 100 Euro einkaufen. „Zeigen die Kundinnen und Kunden einen verantwortungsvollen Umgang und zahlen innerhalb der vorgegebenen Frist zurück, wird der Betrag beim nächsten Einkauf graduell erhöht.“
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Schuldneratlas 2023: Anzahl der Unter-30-Jährigen mit Schulden steigt an
Aber: Immer mehr junge Menschen verschulden sich. Das geht aus dem diesjährigen Schuldneratlas hervor. Während in allen anderen Altersgruppen die Anzahl der verschuldeten Menschen rückläufig ist, steigt sie in der Gruppe der Unter-30-Jährigen zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder an. Das teilt die Auskunftei Creditreform mit. Rund 745.000 Menschen unter 30 Jahren haben demnach Schulden. Das sind 3000 Fälle mehr als im vergangenen Jahr.
„Möglicherweise ist dies zurückzuführen auf die steigende Nachfrage nach sogenannten „Buy now, pay later“-Angeboten, die einen Einstieg in die Überschuldungsspirale begünstigen“, so Creditreform. „Solche Zahlungsmethoden machen das Online-Shopping bequemer“, sagt auch Juristin Birgit Vorberg. Die Möglichkeit etwas zu kaufen, ohne direkt bezahlen zu müssen, könne dazu verleiten mehr zu shoppen, ohne in dem Moment das Geld auf dem Konto zu haben.
Hinzu kommt, dass die Nachfrage nach Ratenkrediten sowie BNPL-Angeboten neue Höchstwerte erreicht habe, teilt Creditreform mit. Im vergangenen Jahr sei die Anzahl der aufgenommenen Ratenkredite fast um ein Drittel gestiegen. Der starke Anstieg sei vor allem durch die Zahlungsdienstleister im Online-Handel zurückzuführen. „Diese richten sich vor allem an jüngere, internetaffine und besonders konsumoffene Zielgruppen“, so die Auskunftei.
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Verbraucherzentrale NRW: Eigenes Budget muss berechnet werden
Grundsätzlich ist aber jeder für sich selbst und seine Ausgaben verantwortlich, so die Juristin der Verbraucherzentrale NRW. BNPL-Angebote könnten in jedem Alter zu einem Problem werden, so Vorberg. „Junge Leute haben vielleicht weniger Erfahrung, selbstständig zu leben. Wie viele Kosten man da eigentlich hat, wird oft unterschätzt.“ Mit einem geringeren Einkommen, das Jüngere oft haben, sei es dann auch schwerer, die Schulden wieder loszuwerden. Es könnte auch zu einem negativen Schufa-Eintrag kommen, sodass unter Umständen keine Kredite mehr gewährt werden im späteren Leben. Ein Tipp der Expertin: „Wer mehrere tausend Euro Schulden hat, kann Beratungsangebote wie eine Schuldnerberatung in Anspruch nehmen.“ Es gebe auch Angebote speziell für junge Menschen.
Ein weiterer Tipp der Juristin: „Rechnungskauf sollte nur in Maßen eingesetzt werden, genauso wie der Ratenkauf. Das sollte man nicht wahllos machen, sondern auf wichtige Dinge beschränken.“ Für den kurzfristigen Konsum sollten sowohl BNPL-Angebote als auch der Ratenkauf nicht genutzt werden. Generell sei es aber wichtig, sein Budget zu kennen, sagt Vorberg – unabhängig von der Bezahlmethode. Die Einnahmen und Ausgaben sollten entgegengerechnet werden. So könne herausgefunden werden, wie viel Geld für übrig bleibt, um es für Konsum auszugeben.
So funktioniert „Buy now, pay later” mit Klarna
Immer mehr Online-Händler bieten die Bezahlmethode „Buy now, pay later“ (deutsch: Kaufe jetzt, bezahle später) an. Klarna ist einer dieser Dienstleister, der ab einem Alter von 18 Jahren genutzt werden kann. Dort haben Kundinnen und Kunden ab dem Rechnungsdatum 30 Tage Zeit, die eingekauften Produkte zu bezahlen.
Wer Klarna als Bezahlmethode auswählt, müsse den Name, die Anschrift sowie die E-Mail-Adresse angegeben. Anschließend führt der Dienstleister eine Bonitätsprüfung durch, die darüber entscheidet, ob man für die Zahlung zugelassen wird. In der Klarna-App kann das Bankkonto verknüpft und die Zahlungen verwaltet werden. Retouren können in der App ebenfalls angegeben werden. Der Händler storniert dann automatisch die offene Rechnung. Auch andere Dienstleister, wie beispielsweise Paypal bieten die Möglichkeit an, dass das Geld erst 30 Tage nach dem Kauf vom Konto abgezogen wird.
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