Essen. Im Ringen um die Stahlsparte von Thyssenkrupp liefert Konzernchef López Argumente für einen Deal mit Kretinsky. Betriebsräte machen Druck.
Angesichts von Plänen zum Verkauf der Stahlsparte an den tschechischen Milliardär Daniel Kretinsky geht Thyssenkrupp-Chef Miguel López in die Offensive und wirbt für „Energie-Partnerschaften“. Namentlich nennt López den tschechischen Milliardär Daniel Kretinsky, der eine Übernahme der Thyssenkrupp-Stahlsparte anstrebt, zwar nicht, aber er liefert Argumente für eine Zusammenarbeit.
„Die Energiefrage ist der zentrale Stellhebel für die Wettbewerbsfähigkeit und Zukunft der Stahlindustrie in Deutschland“, erklärte ein Sprecher von López. Dies habe der Konzernchef unlängst auch vor Arbeitnehmervertretern von Thyssenkrupp deutlich gemacht. „Bereits heute liegt der Anteil der Energiekosten an den Gesamtkosten für die Herstellung einer Bramme Rohstahl bei Thyssenkrupp bei rund fünf Prozent. Für zukünftige, grüne Verfahren zur Stahlherstellung wird der Energiekostenanteil auf bis zu 50 Prozent steigen.“
Thyssenkrupp plant, die bestehenden Hochöfen in Duisburg durch Direktreduktionsanlagen zu ersetzen. Damit ändert sich der Energiebedarf am Stahlstandort grundlegend. Das Unternehmen benötigt künftig viel mehr Strom als heute.
López lotet derzeit die Chancen für einen Verkauf des Stahlgeschäfts an Kretinsky aus. Mit seinem Unternehmen EPH ist der tschechische Unternehmer bereits in der deutschen Energiebranche aktiv. Im Jahr 2016 übernahm er vom Energieversorger Vattenfall das ostdeutsche Braunkohlegeschäft der Leag mit Kraftwerken und Tagebaugebieten in der Lausitz.
IG Metall: „Nicht überzeugt“
In einem Flugblatt der IG Metall NRW, das auf den 25. Oktober datiert ist, zeigt sich die Gewerkschaft weiterhin „nicht überzeugt“ von den Verkaufsplänen. So stelle sich die Frage, ob Kretinskys Firma genügend Geld mitbringe für das Stahlgeschäft. López habe dazu vor Betriebsräten gesagt, über die Finanzausstattung sei noch nicht gesprochen worden. Der jetzige Stand sei ein „50-50-Deal“.
Die IG Metall stellt auch die Frage in den Raum, warum López mit Kretinsky einen potenziellen Anteilskäufer aus der Energiewirtschaft auswähle, der zum Stahl „keine Verbindung“ habe. Andere Angebote hätten „keine Durchführbarkeit”, habe López dazu gesagt.
Zu „einzelnen – aus dem Kontext entnommenen – Äußerungen“ im Rahmen einer internen Veranstaltung mit Betriebsräten wollte das Unternehmen keine Stellung nehmen, erklärte ein Konzernsprecher dazu auf Anfrage. Grundsätzlich stehe der Thyssenkrupp-Vorstand „in einem permanenten Dialog“ mit den Gremien der Mitbestimmung.
Zukünftig seien „Kooperationen mit privatwirtschaftlichen oder staatlichen Akteuren, die – beispielsweise aufgrund vorteilhafter Standortbedingungen – Zugang zu zuverlässiger, günstiger und perspektivisch grüner Energie haben, eine sinnvolle und notwendige Option“ für das Unternehmen, erklärte der Thyssenkrupp-Sprecher.
Betriebsräte von Thyssenkrupp machen Druck
Betriebsräte von Thyssenkrupp Steel machen Druck und fordern mehr Informationen über den Stand der Gespräche mit Kretinsky. „Unsere Belegschaft braucht Antworten auf ihre Fragen und die Sicherung ihrer Arbeitsplätze durch notwendige Investitionen in die Anlagen“, wird Kirstin Zeidler, die Betriebsratsvorsitzende von Thyssenkrupp Steel am Standort Dortmund in dem Flugblatt der IG Metall zitiert. „Wir wollen den Prozess aktiv mitgestalten. Damit bildet man Vertrauen, im Moment überwiegt nur Misstrauen. Wir haben die Hand ausgestreckt, Herr López muss sie jetzt ergreifen.“
Auch Proteste vor der Konzernzentrale in Essen seien denkbar, warnt Helmut Renk, der Betriebsratsvorsitzende am Standort Siegerland in Kreuztal. Es sei nicht akzeptabel, dass die Arbeitnehmervertreter unzureichend über die Gespräche mit Kretinsky informiert würden. „Hier wird versucht, die Mitbestimmung auszuhebeln“, so Renk. „Das verunsichert die Belegschaften. Aber wir sind bereit, in voller Stärke nach Essen zu kommen.“
Strombedarf von Thyssenkrupp wird massiv wachsen
Die von Thyssenkrupp verfolgten Pläne für eine eigenständige Aufstellung der Stahlsparte zielten darauf ab, „durch strategische Partnerschaften die Energie- und Transformationskosten langfristig auf ein wettbewerbsfähiges Kostenniveau zu bringen“, so das Unternehmen. Thyssenkrupp Steel, die Stahlsparte des Essener Konzerns, biete „potenziellen Energiepartnern einen enorm großen und langfristig planbaren Energiebedarf“. Durch die staatliche geförderte Umstellung auf Wasserstoff als Primärenergieträger der Stahlproduktion steige der Bedarf an Grünstrom in den kommenden Jahren signifikant an.
Zur Stahlsparte von Thyssenkrupp gehören etwa 27.000 der knapp 100.000 Beschäftigten des Essener Industriekonzerns. Mit Standorten in Duisburg, Bochum, Dortmund und Südwestfalen hat die Stahlproduktion insbesondere für NRW eine große Bedeutung.
Auch die Landes- und die Bundesregierung sind beteiligt. Für den Aufbau der geplanten Produktion von klimafreundlichem Stahl in Duisburg soll der Revierkonzern rund zwei Milliarden Euro vom Staat erhalten. Davon sollen rund 1,3 Milliarden Euro aus der Kasse des Bundes kommen. NRW will bis zu 700 Millionen Euro beisteuern – die größte Einzelförderung in der Geschichte des Landes. Die Eigeninvestitionen für das Vorhaben seitens Thyssenkrupp liegen Unternehmensangaben zufolge bei knapp eine Milliarde Euro.
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