Essen. Im Einzelhandel könnte die Zukunft in Geschäften ohne Personal liegen. Mancherorts gibt's erste Automatenkioske. Auch große Ketten testen.

Einkaufen rund um die Uhr, an jedem Tag - klar, online geht das! Einzelhandelsgeschäfte dagegen sind an Öffnungszeiten gebunden - und der Sonntag ist zumeist tabu. Tatsächlich? In manchen Städten an Rhein und Ruhr finden sich bereits die ersten Automatenkioske. Noch sind es Geschäfte kleiner Betreiber. Doch Einzelhandelsketten testen vergleichbare Konzepte. Die Möglichkeit zum Verkauf rund um die Uhr an allen Tagen lockt.

„Herkömmliche Warenautomaten unterliegen nach gängiger Rechtsauffassung nicht dem Ladenschlussrecht, da es hierzu keine explizite Regelung gibt“, sagt ein Sprecher des NRW-Wirtschaftsministeriums. Man sehe, sagt der Sprecher, „automatisierte Verkaufsstationen (als) einen wichtigen Beitrag zur Nahversorgung im ländlichen Raum", vor allem dann, „wenn sich herkömmliche Verkaufsstellen nicht wirtschaftlich betreiben lassen.“

Automatenshops als Zukunft? Rewe testet Einkaufs-“Boxen“ á la Tiny House

Doch warum soll es nur bei Grillfleisch-, Getränke oder Snack-Automaten bleiben, wie man sie bereits kennt? Rewe etwa testet seit vergangenem Jahr für seine Tochter-Kette Nahkauf nach eigenen Angaben „Deutschlands erste nahkauf-Box“. Das Konzept nimmt das „Tiny House“-Prinzip auf, für Mini-Supermärkte ohne Verkaufspersonal. Zutritt gibt's nur per Bankkarte, die man am Eingang einlesen muss. Auf 39 Quadratmetern Verkaufsraum stehen 700 Artikel bereit, ausgerichtet am - stark reduzierten - üblichen Supermarkt-Sortiment. Zum Vergleich: Eine herkömmliche Nahkauf-Filiale ist bis zu 1000 Quadratmeter groß, sagt ein Rewe-Sprecher.

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Noch sind es „Pilot-Shops“ in fünf Kleinstädten, darunter das von der Flut-Katastrophe 2021 heimgesuchte Altenahr. Sie sind nicht als "Pop-up-Store" gedacht, also nicht nur für einen vorübergehenden Einsatz, sagt ein Rewe-Sprecher.

Nicht alle Einzelhandelsketten haben das Thema im Übrigen derzeit im Fokus: Aldi-Nord etwa sagt auf Anfrage, man versuche stets „die Bedürfnisse unserer Kunden zu antizipieren“ und nutze „die Vorteile der Digitalisierung.“ Automatenshops habe man aber noch nicht im Blick.

Automatenkioske: Niederlande als Vorbild

Rewe ist indes auf der Suche nach weiteren Geschäftsfeldern: Zusammen mit dem Energiekonzern EnBW betreibt man seit vergangenem Herbst einen vollautomatischen Pilot-Shop an der Autobahn A7 in Bispingen in der Lüneburger Heide, unter dem Namen „Rewe ready“. Nicht irgendwo, sondern an einer Schnelllade-Station für E-Autos. Die Idee: „Während das Auto lädt, lassen sich schnell ein paar Kleinigkeiten einkaufen – sowohl ein Snack für die kurzfristige Stärkung auf einer langen Strecke oder für das schnelle Abendessen auf dem Heimweg nach der Arbeit.“ Wie es angenommen wird, mochte man bei Rewe auf Anfrage nicht beantworten.

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"Der Handel befindet sich in einem nachhaltigen Strukturwandel: durch den Demografischer Wandel, geändertes Verbraucherverhalten, technologische Neuerungen, Digitalisierung", sagt eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums. Verkaufsautomaten könnten "neue Absatzmärkte eröffnen", meint sie.

Die Corona-Pandemie hat diesen Wandel erheblich beschleunigt.

„Wenn die Großen in diesen Markt einsteigen, dann können die kleinen Betreiber einpacken“, sagt Dirk Böhmer vom Verband der Automaten-Fachaufsteller. Noch sind Automatenshops die Domäne kleiner Anbieter, sagt er. In Witten öffnete im Juni ein erster Automatenkiosk, in Duisburg gibt es einen seit April. Und in Düsseldorf hat ein weiterer Ende Juni eröffnet. Alle ihre Betreiber sehen darin einen Trend und nennen die Niederlande als Vorbild und asiatische Länder.

Der Einstieg in die Warenautomatenwelt beginnt bei etwa 10.000 Euro

„Die Themen Fachkräftemangel und Nachfolgesuche treiben natürlich auch die Kioskbesitzer um, entsprechend bieten automatisierte Kioske hierfür eine Lösung“, meint Carina Peretzke, Sprecherin beim Handelsverband NRW.

Der Investitionsaufwand ist nicht gering für einen Automatenshop. 10.000 Euro muss man für einen einfachen Warenautomaten kalkulieren, der insgesamt etwa 250 Artikeln Platz bietet. Aber ein paar mehr Automaten sollte ein Shop dann schon bieten. Ein Pizza-Automat - auch das gibt’s inzwischen - kann bis zu 25.000 Euro kosten. Ein Eis-Automat, wie man ihn vereinzelt mittlerweile an Eisdielen finden kann für den Betrieb außerhalb der Öffnungszeiten, kostet um die 16.000 Euro. So ist es in der Branche zu erfahren. Nicht eingerechnet die laufenden Stromkosten.

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„Ape Inn“ in Hamburg und Bamberg oder der „Typy“ Concept-Store in Düsseldorf: Start Ups setzen auf eine weitere Form von Automatenshop als App-gesteuerte Abholstationen. Produkte werden dabei auf Bestellung aus dem angeschlossenen Warenlager innerhalb von wenigen Minuten im Shop ausgegeben. Auch hier ist das Sortiment deutlich kleiner als im herkömmlichen Supermarkt und auf Snack-Bedarf ausgerichtet. Die Bezahlung läuft online.

Zukunftsmarkt für Verkaufsautomaten? Seniorenheime...

Was all' diesen Konzepten gleich ist: Der Personalaufwand ist gering, sagt ein Automatenkiosk-Betreiber in Düsseldorf: Service-Personal gibt es keins. Er etwa schaue täglich in seinem Geschäft vorbei, ob Ware aufzufüllen ist. Wenn er mal nicht kann, dann käme ein Verwandter. Und ein Automatenanbieter aus Düsseldorf wirbt: “Warenautomaten haben keinen freien Tag und sind frei von schlechter Laune oder Krankheit.“

„Es geht um Impulskäufe“ beschreibt Dirk Böhmer die bisherige Ausrichtung solcher Automatenshops im Lebensmittelbereich: Snacks, Bier, Limo seien am meisten gefragt vor allem abseits der Öffnungszeiten von Supermarkt und Co. Bei der IHK Düsseldorf bewertet man Automaten-Kioske denn auch nicht als Konkurrenz zu herkömmlichen Trinkhallen, sagt Handels-Referent Sven Schulte: "Trinkhallen sind ein Mix aus Versorgungsauftrag und Rolle als 'sozialer Kitt' im Viertel." Wo sich die Nachbarschaft auf einen Kaffee oder ein Bier trifft.

In der Automaten-Branche sieht man die Zukunft in punkto Warenautomaten in einem sehr speziellen Bereich: „Altenheime sind der Zukunftsmarkt“, sagt Böhmer. Denn die jetzige Generation an Senioren „versteht es, mit Automaten umzugehen“, meint er. Senioreneinrichtungen seien häufig nicht so gut angebunden, manche der Bewohner sind auch nicht mehr so gut zu Fuß, begründet Böhmer. Warenautomaten im Foyer eines solchen Hauses könnten daher interessant sein. Dem Sortiment, sagt Böhmer, „sind keine Grenzen gesetzt.“

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Verkaufsstellen dürfen in NRW auch an Samstagen rund um die Uhr geöffnet sein - auch solche, die mit Personal arbeiten. An Sonntagen indes „ist die Sonntagsruhe einzuhalten“, teilt die Industrie- und Handelskammer zu Essen mit; Ausnahme sind „verkaufsoffene Sonntage“ oder eine Frage des Sortiments: Tankstellen oder Geschäfte in Bahnhöfen oder Flughäfen werden dem "Reisebedarf" zugeordnet und dürfen auch Sonntags verkaufen. An Heiligabend dürfen Verkaufsstellen bis 14 Uhr geöffnet sein - sofern der Tag nicht auf einen Sonntag fällt. Trinkhallen und Kioske dürfen auch sonntags öffnen, ist bei der Stadt Düsseldorf zu erfahren: "Es handelt sich (bei ihnen; Red.) um einen Gaststättenbetrieb im Sinne des Gaststättengesetzes, der am Sonntag geöffnet sein darf.“ (dae)