Düsseldorf. Der anstehende Umbau in der Stahlindustrie beschert dem NRW-Anlagenbauer SMS Group Milliardenaufträge – in Duisburg und auch in Schweden.

Der Düsseldorfer Anlagenbauer SMS ist für ein Großprojekt verantwortlich, das enorme Bedeutung für NRW hat. Duisburg, Deutschlands größter Stahlstandort, soll für eine Zukunft ohne die Kohle gerüstet werden. Eine Schlüsselrolle spielt dabei Burkhard Dahmen, der Chef der SMS Group. Sein Unternehmen soll die erste DRI-Anlage in Duisburg bauen, mit deren Hilfe Thyssenkrupp künftig „grünen Stahl“ im Ruhrgebiet herstellen will. Zwar kommt viel Geld aus der Staatskasse, das wirtschaftliche Risiko bei dem Großprojekt trägt aber im Wesentlichen der SMS-Konzern, zu dem weltweit 13.500 Beschäftigte gehören.

„Die Arbeiten in Duisburg haben begonnen und wir kommen gut voran“, berichtet SMS-Chef Dahmen im Gespräch mit unserer Redaktion. „Wir sind uns der Verantwortung bewusst, die damit verbunden ist, die grüne Transformation von Deutschlands größtem Stahlproduzenten mit unserer Technologie zu unterstützen.“

Das Kürzel DRI, das in der Stahlindustrie mittlerweile gängig ist, steht für „direkt reduziertes Eisen“ („direct reduced iron“). Daher heißen die neuen Aggregate, die anstelle von Hochöfen laufen sollen, DRI-Anlagen. Das Material, das dort entsteht, ist fest und wird auch Eisenschwamm genannt. Die Zeiten, in denen flüssiges Roheisen aus Hochöfen fließt, dürfte damit zumindest in Deutschland in einigen Jahren Geschichte sein. „Fern der Heimat haben wir noch Aufträge für neue Hochöfen, in Asien zum Beispiel. Aber ich gehe fest davon aus, dass in Deutschland kein Hochofen mehr gebaut wird“, sagt SMS-Chef Dahmen. „Auch die bestehenden Anlagen kommen an ihr Ende. Es gibt das Ziel, dass unser Land bis 2045 klimaneutral ist. Das funktioniert nicht, solange Kohle für die Stahlerzeugung eingesetzt wird.“

Mit 135 Metern soll die neue DRI-Anlage in Duisburg noch größer werden als die bestehenden Hochöfen. Hinzukommen sollen zwei Einschmelzer, um den festen Eisenschwamm für die Weiterverarbeitung zu verflüssigen.

Umfangreiche Arbeiten stehen an. „Es ist eine riesige Baustelle“, sagt Dahmen. „Wir rechnen damit, dass zwischenzeitlich bis zu 3000 Menschen auf der Baustelle in Duisburg arbeiten. Wir haben für unsere

Burkhard Dahmen, Chef der SMS Group, in seinem Büro in Düsseldorf: „Wir stellen fest, dass in der ganzen Welt genau beobachtet wird, was wir in Duisburg machen.“
Burkhard Dahmen, Chef der SMS Group, in seinem Büro in Düsseldorf: „Wir stellen fest, dass in der ganzen Welt genau beobachtet wird, was wir in Duisburg machen.“ © FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Ingenieursarbeit 750.000 Arbeitsstunden eingeplant. Weitere zwei Millionen Stunden werden voraussichtlich bei unseren Partner-Unternehmen erforderlich sein, um die Anlage zu bauen.“ Das Auftragsvolumen für SMS beträgt über 1,8 Milliarden Euro – es ist der größte Einzelauftrag in der Firmengeschichte. Die Anlage soll Ende 2026 fertiggestellt sein.

„Wir liefern die Anlage schlüsselfertig zum Festkostenpreis“

Andernorts in Deutschland haben sich Großprojekte verzögert oder sie sind teurer geworden. Ob er sicher sei, dass es in Duisburg glatt läuft? „Wir tun jedenfalls alles dafür, dass es so sein wird. Ich bin sehr zuversichtlich“, antwortet Dahmen. Es ist der SMS-Konzern und nicht etwa Thyssenkrupp, der die Rolle des Generalunternehmers übernimmt. Der Anlagenbauer müsste auch dafür geradestehen, sollten die Kosten für das Großprojekt steigen. „Wir liefern die Anlage schlüsselfertig zum Festkostenpreis. Eine Preisanpassungsklausel gibt es nicht“, betont Dahmen.

Bis zu 700 Millionen Euro sollen für das Vorhaben in Duisburg aus der Kasse des Landes NRW fließen, wie Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sagt. Noch mehr finanzielle Mittel sollen vom Bund kommen. Dieses Geld sei gut angelegt, betont Dahmen. „Es geht darum zu zeigen, dass eine klimaneutrale Stahlproduktion in Deutschland technologisch und auch wirtschaftlich möglich ist“, erklärt er. „Dafür bauen wir eine Direktreduktionsanlage, die ohne Kohle betrieben wird. Statt Kohle kommt zunächst Erdgas und später Wasserstoff zum Einsatz. Der Effekt für den Klimaschutz ist enorm.“

Allein Thyssenkrupp Steel stößt derzeit eigenen Angaben zufolge rund 20 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) pro Jahr aus – etwa 2,5 Prozent der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland. „Mit der neuen Anlage können bereits 3,5 Millionen Tonnen CO2 jährlich vermieden werden. Gemessen an Anstrengungen, die andernorts für eine solche Einsparung erforderlich wären, ist das sehr viel auf einen Schlag“, so Dahmen. Dieser Klimaschutzeffekt entsteht allerdings erst, wenn die Anlage nicht mehr mit Erdgas, sondern mit klimaneutral erzeugtem Wasserstoff betrieben wird. „Aber schon durch den Einsatz von Erdgas statt Kohle gibt es eine massive Verbesserung der Klimabilanz“, sagt Dahmen. „Der Anteil an Wasserstoff soll ab 2027 sukzessive erhöht werden bis auf 100 Prozent im Jahr 2028. Dafür müssen zunächst die Pipeline-Kapazitäten geschaffen werden.“

SMS Group auch an Großprojekt in Schweden beteiligt

Das weltweit erste grüne Stahlwerk will SMS allerdings nicht in Deutschland, sondern im Norden Schwedens errichten. „H2 Green Steel“ heißt das Vorhaben. Der Unterschied: In Duisburg baut SMS im Bestand, in Schweden wird alles neu aus dem Boden gestampft. „Auch hier geht es um ein Milliardenprojekt“, sagt Dahmen. „Es ist großartig, dass wir beteiligt sind und die ganze Prozesskette von der DRI-Anlage über das Stahlwerk, die Gieß- und Walzanlage bis zur Bandbeschichtungsanlage liefern.“ In Schweden soll die Stahlproduktion schon im Jahr 2025 beginnen – gefolgt von einer Hochlaufphase im Jahr 2026.

Zum Vergleich: In Duisburg plant Thyssenkrupp die Fertigstellung der Anlage mit einer jährlichen Kapazität von 2,5 Millionen Tonnen direkt reduziertem Eisen für Ende 2026. Bei „H2 Green Steel“ ist mit Blick auf die Anfangsproduktion ebenfalls von rund 2,5 Millionen Tonnen grünem Stahl pro Jahr die Rede.

„Wir stellen fest, dass in der ganzen Welt genau beobachtet wird, was wir in Duisburg machen“, berichtet Dahmen. „Wir können unter Beweis stellen, dass wir technologisch vorn sind und die nötige Expertise haben, solche Großprojekte erfolgreich umzusetzen.“

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