Essen. Eon hat 2022 die eigenen Gewinnziele übertroffen. Die Dividende soll steigen. Konzernchef Birnbaum kündigt in Teilen weiter steigende Preise an.

Eigentlich könnte Eon-Chef Leonhard Birnbaum bester Laune sein. Deutschlands größter Energiekonzern, den er führt, hat sogar seine selbst gesteckten Gewinnziele übertroffen: Auf 8,1 Milliarden Euro kletterte im vergangenen Jahr die wichtige Kennziffer, die in der Bilanz unter dem Kürzel „Ebitda“ läuft und das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen dokumentiert. 8,1 Milliarden Euro – so viel hatte der Vorstand nicht einmal selbst vorhergesagt. Doch Birnbaum betont: „Die Krise ist nicht vorbei.“

Wer angesichts glänzender Gewinnzahlen auf eine Entspannung bei den Energiepreisen für Endkunden gehofft hat, wird enttäuscht. „Wir müssen auf Dauer die Großhandelspreise an unsere Kundinnen und Kunden durchreichen“, sagt Birnbaum. Im vergangenen Jahr habe Eon lediglich 30 Prozent der zum Teil extremen Preissteigerungen an den Großhandelsmärkten weitergegeben. „Das können wir aber nicht ewig durchhalten.“ So ließen sich auch Preiserhöhungen für Strom und Gas erklären, die Eon seit Anfang des Jahres vorgenommen habe. „Ich kann schon verstehen, dass jetzt die Frage kommt: Wie kann es sein, dass die Endkundenpreise weiter steigen werden und die Preise im Markt sinken?“, sagt Birnbaum. Seine Erklärung laute: „Unsere Endkundenpreise ziehen jetzt nach.“

Wie sich Eon als Deutschlands Marktführer mit Blick auf die Preise für Strom und Gas positioniert, dürfte die Branche insgesamt prägen. Rund 14,4 Millionen Kunden hat der Essener Energiekonzern eigenen Angaben zufolge in Deutschland. Die Zahl sei im Vorjahresvergleich stabil geblieben. Seit der Übernahme und Zerschlagung der früheren Essener RWE-Tochter Innogy konzentriert sich Eon mit knapp 72.000 Beschäftigten insbesondere auf das Endkundengeschäft, den Betrieb von kilometerlangen Strom- und Gasnetzen sowie Energieeffizienz-Dienstleistungen. Aus dem Netzgeschäft stammt ein großer Anteil des Eon-Gewinns. Der Konzernnachbar und Eon-Großaktionär RWE fokussiert sich auf die Energieerzeugung.

Eon ist auch an zahlreichen deutschen Stadtwerken beteiligt. Zur Eon-Tochterfirma Westenergie gehören rund 130 Stadtwerke-Beteiligungen – mit kommunalen Unternehmen wie ELE in Gelsenkirchen, RWW in

Eon-Vorstandschef Leonhard Birnbaum (links) und Finanzvorstand Marc Spieker. „Wir sind kein Krisengewinnler“, beteuert Spieker.
Eon-Vorstandschef Leonhard Birnbaum (links) und Finanzvorstand Marc Spieker. „Wir sind kein Krisengewinnler“, beteuert Spieker. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Mülheim, DEW21 in Dortmund, den Stadtwerken in Duisburg, Essen, Velbert und Ratingen sowie Rhein-Energie in Köln. Von der ehemaligen Tochterfirma Uniper, die aufgrund ihrer Nähe zum russischen Staatskonzern Gazprom in eine Schieflage geraten ist, hat sich Eon schon vor Jahren getrennt.

Letztes Akw von Eon vor der Stilllegung

Das letzte verbliebene Atomkraftwerk Isar 2 im bayerischen Essenbach wird nach Einschätzung von Konzernchef Birnbaum am 15. April abgeschaltet. Er halte dies für einen Fehler, sagt Birnbaum. „Wir schalten damit eine der sichersten, produktivsten und besten Anlagen der Welt aus.“ Dies sei keine technisch begründete, sondern eine politische Entscheidung.

Das Kernkraftwerk sei der „einzige Bereich“ des Konzerns gewesen, in dem Eon von den steigenden Energiepreisen profitiert habe, sagt Finanzchef Marc Spieker. Entsprechend stellt sich der Konzern auf die politisch beschlossene Erlösabschöpfung ein. Für das vergangene Jahr werde mit hoher Wahrscheinlichkeit „ein mittlerer zweistelliger Millionen-Euro-Betrag“ fällig.

Die Abschöpfung von Gewinnen der Versorger ist für Geschäfte aus der Erzeugung von Energie vorgesehen, dürfte damit also Unternehmen wie den Konzernnachbarn RWE stärker treffen als Eon. Spieker betont, die hohen Strom- und Gaspreise würden Eon vor allem Probleme bereiten. Die Umsatzmargen im Endkundengeschäft seien gesunken. „Wir sind kein Krisengewinnler“, beteuert Spieker. Eon beschaffe die Energie am Großhandelsmarkt und könne die Kosten nur an die Endkunden weiterreichen.

Energiepreise auf „sehr unterschiedlichem Niveau“

Wann Haushaltskunden mit Preissenkungen rechnen können? Die Preise der Kunden seien teils auf einem „sehr unterschiedlichen Niveau“, sagt Eon-Chef Birnbaum dazu. Verbraucherinnen und Verbraucher, die etwa wegen eines Umzugs auf dem Höhepunkt der Energiekrise nun teure Tarife hätten, könnten auf Preissenkungen nach dem Sommer hoffen. „Umgekehrt wird es auch eine ganze Reihe von Kunden geben, die vor dem Sommer noch weitere Steigerungen sehen. Das gilt für Gas und Strom“, so Birnbaum. Im Großhandel seien die Energiepreise für Lieferungen im Jahr 2026 noch doppelt so hoch im Vergleich zur Zeit vor der Krise.

Vergleichsportale und Verbraucherschützer sehen indes Bewegung auf dem Markt. 80 Prozent der angebotenen Energietarife seien bereits unterhalb der Preisbremsen, berichtet das Portal Check24. Durch die staatliche Preisbremse wird der Gaspreis ab Anfang März bei zwölf Cent pro Kilowattstunde (kW/h) gedeckelt. Beim Strompreis sind es 40 Cent pro kW/h – zumindest für den „Basisbedarf“, wie es die Bundesregierung nennt. Das heißt: Die Preisbremsen gelten für 80 Prozent des bisherigen Durchschnittsverbrauchs, aber nicht darüber hinaus.

„Eon hat Verbraucher im letzten Jahr gut durch die Krise gebracht – zumindest bei Strom, Gas und Heizstrom“, sagt Christina Wallraf, Energieexpertin der Verbraucherzentrale NRW. „In diesem Jahr hat Eon die Preise in der Grundversorgung Strom und Gas in einigen Vertriebsregionen allerdings merklich über Preisbremsenniveau erhöht, während in anderen Regionen weiterhin niedrige Preise herrschen. Angesichts der Milliardengewinne fordern wir Eon auf, die Preise mindestens auf Preisbremsenniveau abzusenken und von weiteren Preiserhöhungen abzusehen.“

Verbraucherzentralen gehen gegen Eon in Sachen Fernwärme vor

Kritisch blicken die Verbraucherzentralen aber auf Preiserhöhungen von Eon bei der Fernwärme. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) will daher mit einer Musterfeststellungsklage gegen das Unternehmen vorgehen. Der Verband fordert Betroffene auf, sich mit ihren Fernwärme-Rechnungen bei den Verbraucherzentralen zu melden. „Fernwärmekunden bei Eon wurden keineswegs fair durch die Krise gebracht, denn sie haben letztes Jahr oftmals hohe Preissteigerungen hinnehmen müssen“, sagt Energieexpertin Wallraf.

Eon-Chef Birnbaum sagt, sein Unternehmen habe die Musterfeststellungsklage zur Kenntnis genommen. Er verweist darauf, dass die Preisklauseln regional teils unterschiedlich und bislang „undiskutiert angewendet worden“ seien. Jetzt gebe es aber Ergebnisse, die „schwer verdaulich sind“, räumt Birnbaum auch ein.

Generell wolle Eon kulant sein, falls es bei Verbraucherinnen und Verbrauchern Zahlungsschwierigkeiten gebe. „Wir als Eon versuchen immer, wenn Kunden Zahlungsprobleme haben, irgendwelche Lösungen zu finden“, betont Birnbaum. Das Unternehmen habe „kein Interesse daran, Kunden zu überfordern“. Möglich seien beispielsweise Ratenzahlungen.

In der Jahresbilanz äußert sich Birnbaum mit den Worten: „Noch immer sind die Preise auf einem Niveau, das wir noch vor einigen Jahren für undenkbar gehalten haben.“ Und: „Niemand weiß, wie sich die Preise in den kommenden Wochen und Monaten entwickeln.“

In Summe rund 1,33 Milliarden Euro für die Eon-Aktionäre

Den Investoren hatte Eon-Chef Birnbaum im November 2021 ein Dividenden-Versprechen präsentiert. Die aktuelle Gewinnausschüttung soll um vier Prozent steigen – auf 0,51 Cent je Aktie, in Summe sind das 1,33 Milliarden Euro. Der Konzernüberschuss für das Jahr 2022 liegt bei rund 2,24 Milliarden Euro.

Als er vor zwei Jahren als Chef bei Eon angetreten sei, habe er „von einer Dekade des Wachstums für Eon“ gesprochen, sagt Birnbaum. Daran habe sich nichts geändert. Bis zum Jahr 2027 wolle Eon 33 Milliarden Euro investieren.

Bei der Bilanzpressekonferenz in der Essener Konzernzentrale schlägt Birnbaum auch nachdenkliche Töne an. „Wir haben uns alle nicht vorstellen können, was letztes Jahr passiert ist“, sagt der Eon-Chef. Daher mache er sich „in gewisser Weise auch Vorwürfe“, was sein Denken heute beeinflusse: „Ich frage mich die ganze Zeit: Was übersehe ich jetzt? Was könnte jetzt noch kommen? Deswegen bin ich auch ein bisschen angespannt.“ Es gebe viele Leute, die meinten, es sei alles geschafft, die Krise vorbei. „Ich bin da viel nervöser“, sagt Birnbaum. „Mir bereitet schon schlaflose Nächte, dass ich eine gewisse Selbstzufriedenheit sehe.“

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