Essen. Die Krupp-Stiftung feiert 150 Jahre Villa Hügel: Im Interview sprechen Stiftungschefin Gather und Vorstand Troche über den facettenreichen Ort.
Mit der Villa Hügel wird ein besonderer Ort des Ruhrgebiets 150 Jahre alt. Von 1873 bis 1945 hat die Unternehmerfamilie Krupp die Essener Villa als Wohnhaus und Repräsentationsort genutzt. Seit 1953 ist das Gebäude öffentlich zugänglich. Krupp-Stiftungschefin Ursula Gather und Stiftungsvorstand Volker Troche möchten die Villa im Jubiläumsjahr in neuem Licht zeigen. In unserem Interview sprechen Ursula Gather und Volker Troche auch darüber, welche Bedeutung die Villa Hügel in der Gegenwart für den Essener Industriekonzern Thyssenkrupp hat.
Die Villa Hügel prägt das Bild der Krupp-Stiftung in besonderem Maße. Ist Ihnen das eigentlich uneingeschränkt recht?
Ursula Gather: Zunächst einmal ist die Villa Hügel, das frühere Wohnhaus der Familie Krupp, ein großartiges Industriedenkmal. Die Stiftung hat dieses ganz besondere Gebäude in ihrem Besitz, aber die Villa ist nicht unser Arbeitsort. Unsere Büros befinden sich aus gutem Grund im ehemaligen Gästehaus gegenüber der Villa.
Volker Troche: Als Ort ist die Villa Hügel natürlich auch ein bisschen Segen und Fluch zugleich. Der Segen ist: Mit dem Hügel haben wir als Stiftung eine Herkunft. Hier können wir, ohne viel sagen zu müssen, transportieren, woher wir kommen.
Und warum auch ein Fluch?
Troche: Krupp ist ein Mythos. Das bringt mit sich, dass viel „hineingeheimnisst“ wird, wenn es um die Stiftung geht. Wir sind aber eine moderne Stiftung mit einem gemeinnützigen Auftrag. In unserer Arbeit widmen wir uns den aktuellen und zum Teil dringenden Themen der Gegenwart. Das wird von der Historie oft zu sehr überlagert.
Als Industriellen-Wohnsitz ähnelt die Villa Hügel einem Schloss, vielleicht auch ein wenig einer Festung, gerade bei einem Blick von unten am See nach oben auf das Gebäude.
Gather: Den Begriff Festung verbinde ich mit dem Haus nicht – und schon gar nicht mit der Stiftung. Ein Ort, der von 13 Millionen Menschen in den vergangenen Jahrzehnten besucht worden ist, kann keine Festung sein.
Als Stiftung betreiben wir eine offene Kommunikation. Auch die Villa selbst war in ihrem Baujahr ein ganz modernes und auch gastfreundliches Haus. Die Heizung und die Lüftung entsprachen der damaligen Spitzentechnologie. Und natürlich kann die Villa auch in einem fast romantischen Sinne etwas Besonderes sein, insbesondere dann, wenn Nebel über dem Anwesen liegt.
Inwieweit ist die Villa auch ein Ort des Unternehmens Thyssenkrupp? In der Firmensatzung ist schließlich klar geregelt, dass der Konzern den Betrieb der Villa zu finanzieren hat.
Troche: Ja, davon profitieren jährlich 100.000 Besucherinnen und Besucher. Schon Anfang der 1950er-Jahre ist der Hügel der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden, auch wenn es sich weiterhin um Privateigentum handelt. Und die Villa ist immer auch vom Unternehmen genutzt worden. Die Satzungsbestimmung gibt es, seitdem Firma und Stiftung nebeneinander existieren. Die Urväter der Satzung wussten bereits, dass die Villa als Ort der Geschichte, eben auch als Ort der Repräsentanz gepflegt werden muss, um ihn zu bewahren. Mit der Satzung ist dies auch im Sinne der Firma gewährleistet.
Aber die letzte Bilanzpressekonferenz von Thyssenkrupp in der Villa Hügel liegt Jahre zurück. Das war lange Zeit vor Martina Merz als Vorstandschefin.
Gather: Wir freuen uns über jede Veranstaltung der Firma auf dem Hügel. Das hat auch unter Frau Merz wieder zugenommen. Es gibt eine Vielzahl von Treffen, Führungskräfte-Meetings, Fortbildungen, aber auch festliche Anlässe etwa. Durch den Ort manifestiert sich auch die historische Bindung zwischen dem Unternehmen und der Stiftung. Das finde ich gut. Über aktuelle Themen kann man sich hervorragend in einem historischen Ambiente austauschen. Denn zwei Fragen liegen dann gleich auf der Hand: Woher kommen wir? Und wohin wollen wir gehen?
Die Dividenden von Thyssenkrupp fließen nicht in den Erhalt der Villa Hügel. Wie lässt sich das erklären?
Troche: Mit den Einnahmen aus der Dividende finanzieren wir tatsächlich unsere gemeinnützigen Förderaktivitäten in Wissenschaft, Bildung, Kunst und Kultur, Gesundheit und Sport. Es ist nicht der Satzungszweck der Stiftung, das Kruppsche Erbe in der Villa Hügel zu pflegen. Unser Auftrag geht weit darüber hinaus.
Erwarten Sie einen besonderen Ansturm auf die Villa Hügel im Jubiläumsjahr?
Gather: Wir möchten jedenfalls ein attraktives Angebot machen, das anknüpft an die Modernität der Villa Hügel aus dem Jahr 1873 und dabei den heutigen Erwartungen entspricht. Ein Gedanke dabei ist, die Villa Hügel als Ausstellungsobjekt erlebbar zu machen. Denken Sie etwa an die Verhüllungen von Christo. Diesen
Gedanken greifen wir auf und „verpacken“ die Villa Hügel mit einer transmedialen Lichtinstallation, die auf Algorithmen basiert und in Echtzeit entsteht. Und endlich ist der Hügel digitalisiert. Es gibt jetzt WLAN, die Menschen können über eine neue Hügel-App den Ort erkunden. Wir erfinden das Rad nicht neu. Aber für den Hügel ist das alles neu.
Troche: Ein Beispiel ist auch, dass wir in der oberen Halle der Villa Hügel Kinofilme zeigen werden –im ehemaligen Wohnzimmer der Familie Krupp. Wir denken an Klassiker wie „Shining“ mit Jack Nicholson, die in dieser Umgebung ganz sicherlich noch einmal eine andere Wirkung entfalten.
Sind die Jubiläums-Aktivitäten auf das Gelände der Villa Hügel begrenzt?
Troche: Nein, wir schreiben auch ein Programm aus, mit dem wir 150 Projekte fördern möchten – mit insgesamt 1,5 Millionen Euro. Dabei richten wir uns vor allem an Institutionen und Menschen in der Region. Das können ganz unterschiedliche Vorhaben aus Bereichen wie Bildung, Sport oder Kultur sein. Als Überschrift dient – in einer leichten Abwandlung – ein Zitat des Erbauers der Villa Hügel Alfred Krupp: „Anfangen im Kleinen, Weitermachen in Schwierigkeiten und Streben zum Großen.“