Essen. Ein Gericht hat den Rauswurf von Verdi-Spitzenmann Orhan Akman gestoppt. Der Machtkampf in der Einzelhandelssparte der Gewerkschaft geht weiter.

20 Jahre lang hat Orhan Akman für die Gewerkschaft Verdi Tarifverhandlungen in der hart umkämpften Einzelhandels-Branche geführt, um Arbeitsplätze bei Karstadt gekämpft und den Verkauf der SB-Warenhauskette Real begleitet. Im Spätsommer erhielt der bisherige Bundesfachgruppenleiter von Verdi die fristlose Kündigung. Richter erklärten den Rauswurf nun für unwirksam. Die Gewerkschaft muss Akman weiterbeschäftigen.

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Über Langeweile kann sich die große Einzelhandelssparte von Verdi aktuell wirklich nicht beklagen: Große Ketten wie Galeria Karstadt Kaufhof und Görtz stecken in der Insolvenz. Bei Ikea laufen Warnstreiks. Primark kämpft mit massiven Umsatzrückgängen. Und im kommenden Jahr stehen Flächentarif-Verhandlungen im Einzelhandel an, der massiv unter der gewaltigen Inflation leidet.

Verdi hält an Vorwürfen gegen Akman fest

Mitten in dieser krisenhaften Zeit hat Verdi einen Spitzenfunktionär fristlos entlassen: Orhan Akman, Leiter der Bundesfachgruppe Einzelhandel. Für Verdi sitzt er in den Aufsichtsräten von Galeria, Rewe und Douglas. Über die Gründe für die Kündigung will sich Verdi nicht im Detail äußern. „Zum jetzigen Zeitpunkt gehen wir weiter davon aus, dass die im Raum stehenden Vorwürfe gegenüber Herrn Akman Bestand haben. Dies gilt insbesondere in Bezug auf seine Äußerungen in den Medien“, sagte ein Sprecher auf Anfrage unserer Redaktion.

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Nach Akmans eigenen Angaben wirft ihm die Gewerkschaftsspitze vor, interne Daten an Dritte weitergegeben und in Interviews mit Medien Informationen preisgegeben zu haben. Diese Vorwürfe hielt das Arbeitsgericht Berlin aber nicht für stichhaltig. „Das Arbeitsverhältnis ist nicht aufgelöst. Der Kläger ist vorläufig weiterzubeschäftigen“, sagte Andrea Baer, Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg, unserer Redaktion. Vorläufig deshalb, weil Verdi noch die Möglichkeit hat, gegen des Urteil des Arbeitsgerichts Berufung einzulegen. Ob die Gewerkschaft davon Gebrauch machen werde, ließ ein Verdi-Sprecher zunächst offen.

Machtkampf in der Einzelhandelssparte von Verdi

Ob es rechtens war, dass Verdi Akman die Vollmachten zur Führung von Tarifverhandlungen entzog, muss nach Einschätzung der Richter in einem gesonderten Verfahren geklärt werden. In jedem Fall muss die Gewerkschaft dem Spitzenfunktionär seine Gehälter seit September nachzahlen und ihn weiterbeschäftigen. „Ich habe meine Arbeitskraft zur Verfügung gestellt“, sagt Akman selbstbewusst. Dem Vernehmen nach soll sein Büro in der Berliner Zentrale bereits geräumt worden sein.

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Die Gerichtsentscheidung ist der vorläufige Höhepunkt eines Machtkampfes, der seit Juli an der Spitze der Einzelhandessparte von Verdi tobt. Damals hatten die Gremien einmütig die aus Essen stammende NRW-Landesfachbereichsleiterin Einzelhandel, Silke Zimmer, für den Bundesvorstand nominiert. Sie soll Nachfolgerin von Stefanie Nutzenberger werden, die aus persönlichen Gründen nicht mehr zur Wahl antritt. Der im Nominierungsverfahren unterlegene Orhan Akman hatte das Verfahren als unfair kritisiert und war damit innergewerkschaftlich angeeckt. Beim Verdi-Kongress im April 2023 will er trotz seiner Niederlage für den Bundesvorstand kandidieren – gegen die NRW-Frau Zimmer.

Sorge um Mitgliederschwund

Akman vermutet politische Hintergründe, die seine Karriere verhindern sollen. „Im Verdi-Bundesvorstand gibt es meines Wissens eine CDU-Frau und ansonsten nur Mitglieder von SPD und Grünen“, sagt der Gewerkschafter, der sich selbst als „bekennenden Marxisten“ bezeichnet und vor Jahren bei „Die Linke“ ausgetreten war. „Ich als Parteiloser stehe für einen progressiv linken Kurs, um die Gewerkschaft angesichts von Mitgliederschwund und Erosion der Tarifbindung aus der Krise herauszuführen“, erklärt er und betont, dass sich Verdi zu weit von der Basis vor Ort entfernt habe und die Organisation deshalb dringend reformiert werden müsse.

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„Wir haben aktuell rund 1,8 Millionen Mitglieder. Bei der Gründung von Verdi im Jahr 2001 waren es noch 2,8 Millionen“, sagt er mit Bedauern, ärgert sich aber auch über einen weiteren Punkt: „Ich bin das einzige Verdi-Mitglied mit Migrationsgeschichte, das in den vergangenen 20 Jahren für den Verdi-Bundesvorstand kandidiert hat. Es ist mehr als bedauerlich, dass ein Vorstandmitglied mir nahelegte, dass ich meine Kandidatur zurückziehen soll“, sagt Akman.

Aufsichtsrat von Galeria Karstadt Kaufhof tagte

Mit der zunächst für unwirksam erklärten Kündigung sieht er sich nun wieder Aufwind. Am Mittwochnachmittag nahm Akman an einer Sitzung des Aufsichtsrats von Galeria Karstadt Kaufhof teil. Dabei sollte es um den Stand des Insolvenzverfahrens gehen. Im Januar will Sanierer Arndt Geiwitz eine Liste mit zu schließenden Warenhäusern präsentieren. Bei Verdi befürchtet man den Wegfall Tausender Arbeitsplätze.