Duisburg/Essen. Thyssenkrupp-Chefin Merz spricht von einer „Zeitenwende für die Stahlproduktion“. Der Konzern will viel investieren – wenn der Staat hilft.

Es geht um eine industrielle Großanlage, die künftig das Stadtbild von Duisburg prägen könnte: Rund 150 Meter hoch soll die neue Direktreduktionsanlage für CO2-armen Stahl von Thyssenkrupp werden – und damit die bestehenden Hochöfen noch etwas überragen. Dabei gleichen die sogenannten DRI-Anlagen optisch mehr Produktionsstätten der Chemie- und weniger der Stahlindustrie. Die symbolhaften Bilder von Arbeitern an glühenden Hochöfen könnte in nicht allzu ferner Zukunft der Vergangenheit angehören.

Ein radikaler Wandel in einer der deutschen Schlüsselindustrien bahnt sich an. Von einer „Zeitenwende für die Stahlproduktion im Ruhrgebiet“ spricht Thyssenkrupp-Vorstandschefin Martina Merz. Seit vielen Jahrzehnten gehört die Stahlindustrie zu den größten Verursachern von klimaschädlichem Kohlendioxid. Allein aus den Hochöfen von Thyssenkrupp in Duisburg stammen Unternehmensangaben zufolge aktuell rund 2,5 Prozent des bundesweiten Kohlendioxid-Ausstoßes. Das soll sich ändern, wenn die DRI-Anlagen die bisherigen Aggregate ersetzen. Doch der Umbau ist aufwendig und teuer. Eine Investition von mehr als zwei Milliarden Euro für den Aufbau der ersten DRI-Anlage in Duisburg sei erforderlich, erklärt Thyssenkrupp nach einer Sitzung des Aufsichtsrats.

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Die Freigabe dieser „enormen Investition“ erfolge „mitten im Umbau des Unternehmens, in einem zudem für alle sehr herausfordernden Umfeld“, betont Vorstandschefin Merz. „Wir unterstreichen damit unseren Anspruch, auch beim Stahl einen entscheidenden und vor allem schnellen Beitrag zur grünen Transformation zu leisten.“ Im Jahr 2026 soll die Produktion starten. Die Vergabe der Aufträge an die Anlagenbauer sei für den Herbst 2022 geplant. Obwohl der Industriekonzern selbst über eine Anlagenbausparte verfügt, ist er beim Projekt DRI-Anlage auf andere Unternehmen angewiesen, die nun auf Großaufträge hoffen können.

Das milliardenschwere Projekt stehe allerdings weiterhin unter dem Vorbehalt einer Förderung durch die öffentliche Hand, erklärt Thyssenkrupp. Spekulationen zufolge könnte der Staat etwa die Hälfte der Investitionsmittel übernehmen. Die genaue Summe ist allerdings noch offen. Thyssenkrupp hofft – ähnlich wie andere Stahlkonzerne in Deutschland auch – nicht nur auf eine Förderung aus Steuermitteln für den Aufbau der Anlagen, sondern auch auf finanzielle Unterstützung im laufenden Betrieb. Insofern sind finanzielle Aufstellungen mit Blick auf die kommenden Jahre schwierig.

Ein Zwei-Milliarden-Euro-Projekt

Der Thyssenkrupp-Vorstand habe nun die Voraussetzung für die Investitionen von mehr als zwei Milliarden Euro geschaffen, indem er den – nicht benannten – Eigenmittelanteil zum Bau der ersten DRI-Anlage am Standort Duisburg freigegeben habe, heißt es in einer Mitteilung des Konzerns. Der Aufsichtsrat unterstütze diese Entscheidung. Wann es Klarheit zu einer möglichen staatlichen Förderung geben wird, ist unklar. Möglicherweise falle die Entscheidung erst in einigen Monaten, heißt es in der Branche.

Mit einer Kapazität von 2,5 Millionen Tonnen direkt reduziertem Eisen pro Jahr werde die erste DRI-Anlage größer dimensioniert sein als zunächst geplant, teilt Thyssenkrupp mit. Es handle sich um die größte deutsche Direktreduktionsanlage für CO2-armen Stahl. Zum Vergleich: Thyssenkrupp Steel stellt jährlich etwa elf Millionen Tonnen Rohstahl her.

Arbeitnehmervertreter haben schon seit Monaten eine Entscheidung für die milliardenschwere Investition gefordert – auch als ein Signal des Aufbruchs. Entsprechend zufrieden äußert sich Tekin Nasikkol, der Gesamtbetriebsratschef von Thyssenkrupp Steel. „Das ist vor allem auch ein klares Bekenntnis zur Beschäftigungssicherung und zur Zukunft unseres Standortes“, sagt Nasikkol.

Bernhard Osburg, der Vorstandschef von Thyssenkrupp Steel, betont das erhebliche Potenzial für mehr Klimaschutz in der Stahlindustrie. Das Unternehmen wolle seiner gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen und den CO2-Ausstoß der Produktion im ersten Schritt um knapp 20 Prozent senken. „Das sind bereits fünf Prozent der Treibhausgasemissionen des Ruhrgebiets“, sagt Osburg. Der Konzern plant, im Laufe der kommenden Jahre und Jahrzehnte die bestehenden Hochöfen dann schrittweise zu ersetzen, um letztlich das Ziel Klimaneutralität zu erreichen.