Dortmund. Mitten in der Energiekrise geht Thyssenkrupp Steel in Dortmund mit einem neuen Werk an den Start, das einen enormen Erdgasbedarf hat.
Die neue Werkshalle auf dem Gelände der Dortmunder Westfalenhütte ist länger als drei Fußballfelder und so hoch wie das städtische Wahrzeichen U-Turm. Dutzende tonnenschwere Coils mit aufgewickeltem Stahl liegen schon bereit für die Produktion. Nicht nur die Ausmaße der sogenannten Feuerbeschichtungsanlage sind enorm, auch ihr Energiehunger ist es. Jeden Tag verbrauche das Aggregat ähnlich viel Erdgas wie „eine mittelgroße Stadt“, berichtet Bernhard Osburg, der Vorstandschef von Thyssenkrupp Steel.
Ein lautes Rauschen hallt beharrlich durchs Werk, während NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) die neue Anlage mit dem Kürzel „FBA 10“ besichtigt. Schon bald will Deutschlands größter Stahlkonzern seine Kunden, darunter insbesondere Autobauer und Hersteller von Haushaltsgeräten, mit feuerverzinkten Blechen beliefern. Die Verzinkung soll für einen hohen Korrosionsschutz sorgen, also für Rostfreiheit und Langlebigkeit.
Mehr als eine Viertelmilliarde Euro hat Thyssenkrupp Steel nach eigenen Angaben in das neue Werk investiert. Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) spricht in diesem Zusammenhang vom „Wunder von Dortmund“.
Das neue Aggregat soll die Produktionskapazität der Westfalenhütte um rund 600.000 Tonnen pro Jahr erhöhen. Damit steige das Volumen auf etwa eine Million Tonnen pro Jahr. „Am Standort Dortmund
sichern wir somit nicht nur die bereits bestehenden 1300 Arbeitsplätze, sondern schaffen auch rund 100 neue Stellen“, sagt Vorstandschef Osburg. Auch der Produktionsverbund von Thyssenkrupp Steel soll profitieren. Das Material, das in Dortmund verarbeitet wird, kommt mit der Bahn vom Hochofen-Standort Duisburg.
Den Namen FBA 10 trägt das Stahlwerk, weil es bereits neun weitere Feuerbeschichtungsanlagen von Thyssenkrupp Steel gibt. Sie befinden sich unter anderem in Bochum und Duisburg sowie im Sauer- und Siegerland.
Ministerpräsident Wüst hebt bei seinem Besuch in Dortmund die Bedeutung der Stahlindustrie für Nordrhein-Westfalen hervor. NRW habe immer von langen Wertschöpfungsketten profitiert, nicht nur in der Stahl-, sondern auch in der Chemieindustrie, sagt er.
Nach einer millionenschweren Förderung des Landes für den Aufbau einer klimafreundlichen Stahlproduktion von Thyssenkrupp in Duisburg rechnet Wüst auch mit finanzieller Unterstützung des Bundes für das Unternehmen. Die Landesregierung habe vor wenigen Wochen beschlossen, „enorme Fördermittel“ zur Verfügung zu stellen, betont er und fügt hinzu: „Ich habe keinen Zweifel, dass der Bund das Seine tun wird.“ Es gehe darum, dass Thyssenkrupp Steel „einen verlässlichen Rahmen“ bekomme, um in grünen Stahl investieren zu können. „Diesen Transformationsprozess gibt es nicht umsonst“, sagt Wüst mit Blick auf den geplanten Aufbau einer Produktion für klimafreundliche Werkstoffe.
Milliardenschwere Investition auch am Standort Duisburg geplant
Vor einem Monat hat die NRW-Landesregierung verkündet, den Umbau von Thyssenkrupp Steel mindestens mit einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag zu unterstützen. Um im Jahr 2026 mit der Produktion von CO2-armem Stahl in Duisburg beginnen zu können, will Deutschlands größter
Stahlkonzern eine rund 150 Meter hohe Direktreduktionsanlage (DRI-Anlage) bauen – als Nachfolgetechnologie für die bestehenden Hochöfen. Damit ist Unternehmensangaben zufolge eine Investition von mehr als zwei Milliarden Euro verbunden. Wie sich die Kosten verteilen sollen, ist noch unklar. Thyssenkrupp hat einen – noch nicht bezifferten – Eigenanteil zugesichert.
„Ich will, dass wir das können: grünen Stahl. Und ich will, dass der aus Nordrhein-Westfalen kommt“, sagt Wüst. Die Nachfrage nach grünem Stahl sei vorhanden, sagt er und verweist unter anderem darauf, dass der deutsche Traditionshersteller Miele CO2-armen Stahl von Thyssenkrupp im großen Stil in Haushaltsgeräten verbauen will. Der CO2-reduzierte Stahl soll aus der für das Jahr 2026 am Standort Duisburg geplanten Direktreduktionsanlage stammen. „Stahl hat sicher Zukunft“, sagt Wüst. „Und ich will, dass Stahl auch eine Zukunft in Nordrhein-Westfalen hat.“
Aktuell treffe die Energiekrise treffe Thyssenkrupp Steel hart, berichtet Vorstandschef Osburg. Das Unternehmen sei auf Erdgas angewiesen. Ausdrücklich begrüßt der Manager den Vorschlag der Gaskommission vom Montag dieser Woche, für 70 Prozent des Verbrauchs des Jahres 2021 einen Preis von sieben Cent pro Kilowattstunde festzulegen. „Dieser Vorschlag sollte umgesetzt werden“, sagt Osburg. Mit Spannung wird erwartet, wie sich die Krise auf die Bilanz der Essener Thyssenkrupp AG auswirkt, zu der auch die Duisburger Stahlsparte gehört. Das Geschäftsjahr ist im September zu Ende gegangen. Im November wird die Bilanz veröffentlicht.