Mülheim/Essen. Bei der Jahresbilanz von Siemens Energy spielte auch das Werk Mülheim eine Rolle – nicht nur wegen der Turbine, die der Kanzler besichtigt hat.

Ein Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz am Standort von Siemens Energy in Mülheim hat dem traditionsreichen Werk Anfang August besondere Aufmerksamkeit beschert. Scholz hatte eine Gasturbine in Augenschein genommen, die nach Darstellung von Bundesregierung und Unternehmen bereit ist für den Weitertransport nach Russland – und dort dem Betrieb der Pipeline Nord Stream 1 dienen könnte. Einen „Bluff“ des russischen Präsidenten Wladimir Putin habe er aufdecken wollen, erklärte Scholz. Es habe rein politische Gründe, dass die Turbine im Ruhrgebiet lagere.

Die Maschine, vor der sich der Kanzler ablichten ließ, stehe nach wie vor in Mülheim, berichtete Christian Bruch, der Vorstandschef von Siemens Energy, nun auf Nachfrage bei einer Pressekonferenz zur Jahresbilanz seines Unternehmens. „Bisher hat sie da noch keiner abgeholt“, sagte Bruch. Scherzhaft fügte er hinzu, Mülheim sei doch eine schöne Stadt, die Turbine fühle sich „da sehr wohl“.

Die Maschine stehe in einer Halle, in der Siemens Energy künftig Arbeiten rund um Elektrolyse-Anlagen für die Wasserstoff-Wirtschaft vornehmen will, erklärte Bruch in diesem Zusammenhang. Elektrolyse-Module, die am konzerneigenen Standort in Berlin entstehen, sollen in Mülheim unter anderem in Anlagen-Container eingebaut werden. „Packaging“ nennt sich der Vorgang in der Branchensprache.

„Der Standort Mülheim hat sich über die letzten zwei Jahre deutlich verändert“, sagte Konzernchef Bruch. Neben Geschäften rund um Wasserstoff sollen am Standort im Ruhrgebiet auch neue Produkte für die Stabilisierung von Stromnetzen groß gemacht werden. Wärmepumpen seien ein weiteres Thema. „Da entstehen neue Produkte um die Energiewende“, so Bruch. Unlängst habe auch eine Aufsichtsratssitzung von Siemens Energy in Mülheim stattgefunden. Mit dem früheren Siemens-Konzernchef Joe Kaeser an der Spitze des Gremiums und dem ehemaligen Vizekanzler Sigmar Gabriel als Mitglied ist der Aufsichtsrat des Konzerns prominent besetzt.

Stimmung am Standort Mülheim „durchaus positiv“

Die Stimmung am Standort Mülheim sei „durchaus positiv“, berichtete Bruch. „Wir haben viele Herausforderungen, viele schmerzhafte Prozesse gehabt in Mülheim.“ Aber die neuen Technologien seien vielversprechend. „Insofern bin ich zuversichtlich.“ Wichtige Kunden von Siemens Energy in Nordrhein-Westfalen sind traditionell die Betreiber von Kohle- und Gaskraftwerken. Als die Branche wegen der

Christian Bruch, der Vorstandschef von Siemens Energy: Das Unternehmen hat sich aus Russland zurückgezogen.
Christian Bruch, der Vorstandschef von Siemens Energy: Das Unternehmen hat sich aus Russland zurückgezogen. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Energiewende unter Druck geriet, hat der Konzern Stellenabbau in Mülheim auf den Weg gebracht. Er gehe davon aus, dass die Zahl der Beschäftigten von Siemens Energy in den kommenden Monaten insgesamt stabil bleibe oder wachse, sagte Vorstandschef Bruch bei der Bilanzpressekonferenz, die auch online übertragen wurde.

Mit rund 4000 Beschäftigten gehört das Werk von Siemens Energy in Mülheim zu den größten Industriestandorten im Ruhrgebiet. Im benachbarten Duisburg arbeiten weitere rund 2000 Beschäftigte für Siemens Energy. Ende September zählten länderübergreifend rund 92.000 Beschäftigte zum Konzern, etwa 1000 mehr als im Jahr zuvor. In Deutschland ist die Zahl der Beschäftigten allerdings um etwa 1000 auf 25.000 gesunken. Neben Mülheim und Duisburg sind auch Berlin, Erlangen und München große Standort-Städte des Konzerns. Im Ruhrgebiet war Siemens Energy zuletzt unter anderem am Bau neuer Gaskraftwerke für Evonik in Marl und für den Energiekonzern Steag in Herne beteiligt.

Siemens Energy zieht sich aus Russland zurück

Vor zwei Jahren – mitten in der Corona-Krise – ist Siemens Energy an die Börse gegangen und mittlerweile im Deutschen Aktienindex (Dax) vertreten. Das Geschäftsjahr 2021/22, das bis zum September lief, hat der Konzern mit roten Zahlen abgeschlossen. Die Verluste gingen um 15,5 Prozent auf 647 Millionen Euro in die Höhe. Gewinne erwartet Konzernchef Bruch erst im Geschäftsjahr 2023/24. Auch die Dividende fällt für das zurückliegende Jahr aus.

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Probleme bereitet dem Unternehmen unter anderem die spanische Windkrafttochter Gamesa, die saniert werden soll. Perspektivisch plant Vorstandschef Bruch fest mit Gamesa. Derzeit hält Siemens Energy gut zwei Drittel der Gamesa-Aktien. Nach einer Übernahme weiterer Anteile will Siemens Energy das Unternehmen von der Börse nehmen. Belastet hat die Bilanz des Dax-Konzerns auch der Rückzug aus Russland. „Das hat uns Geld gekostet“, räumte Bruch ein, „in nicht unerheblichem Maße“. Die Geschäftsaktivitäten in Russland hätten eine lange Tradition gehabt, doch nun sei Russland für Siemens Energy „kein Markt mehr“.

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