Essen. Um die Kette zu retten, erwägt Galeria offenbar wieder ein Schutzschirmverfahren. Betriebsrat warnt vor Stellenabbau und Filialschließungen.
Die wirtschaftlichen Probleme beim angeschlagenen Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof spitzen sich offenbar weiter zu. Einem Medienbericht zufolge erwägt das Essener Unternehmen, zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren Rettung in einem Schutzschirmverfahren zu suchen, um eine Insolvenz abzuwenden. Auch von Filialschließungen ist wieder die Rede.
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Erst die Corona-Pandemie, dann die Inflation und ein historisch schlechtes Konsumklima – Galeria-Chef Miguel Müllenbach spricht selbst von einer „bedrohlichen Lage“. In der Essener Zentrale ringt das Unternehmen seit Wochen um Lösungen, die Kette mit ihren 131 Warenhäusern und rund 17.000 Beschäftigten zu retten. Nun meldet sich auch der Betriebsrat mit einem Schreiben an alle Beschäftigten zu Wort. „Die Lage spitzt sich zu. Der Tag der Entscheidung rückt näher“, heißt es in dem Brief, aus dem das „Manager Magazin“ zitiert. „Die vorangegangenen Insolvenzen hatten Filialschließungen und Massenentlassungen zur Folge – dies gilt es jetzt zu verhindern.“
Warenhauskette erwägt offenbar Schutzschirmverfahren
Seit Wochen brütet die Bundesregierung über dem Antrag von Galeria, das Unternehmen mit einem weiteren Staatskredit in Höhe von knapp 300 Millionen Euro zu stützen. 680 Millionen Euro sind bereits aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds nach Essen geflossen. Eine Entscheidung des Bundesfinanzministeriums steht noch aus. Nach Informationen unserer Redaktion hat das Unternehmen zum Teil die Mieten für Oktober nicht bezahlt. Laut „Manager Magazin“ sollen auch Dienstleister auf offenen Rechnungen sitzen.
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Als Ausweg aus der Krise erwäge Galeria nun, beim Amtsgericht Essen einen Antrag auf Einleitung eines Schutzschirmverfahrens zu stellen. Das Unternehmen wollte sich am Wochenende auf Nachfrage unserer Redaktion nicht dazu äußern. Bereits Ende März 2020 hatte sich Galeria unter den staatlichen Schutzschirm begeben, um die Umsatzeinbußen im Zuge der Corona-Krise abzufangen. Durch den ersten Lockdown verloren die Warenhäuser seinerzeit wöchentlich 80 Millionen Euro Umsatz.
Bericht: Jede dritte Galeria-Filiale könnte mittelfristig schließen
Das Schutzschirmverfahren schützt in die Krise geratene Firmen vor dem Zugriff der Gläubiger, ohne dass die Betriebe bereits Insolvenz anmelden müssen. Die Geschäftsführung bleibt im Amt. Im Frühjahr 2020 stellte ihr das Essener Amtsgericht die Sanierungsexperten Arndt Geiwitz und Frank Kebekus zur Seite. Nach drei Monaten führten sie Galeria in ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Im Zuge dessen wurden 40 Warenhäuser geschlossen. Damals arbeiteten 28.000 Menschen für Karstadt Kaufhof. Aktuell sind es 17.000. Allerdings wurde zwischenzeitlich die Sparte mit den Sporthäusern in eigene Gesellschaft ausgegliedert.
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Unternehmen, die sich unter den Schutzschirm retten, haben drei Monate Zeit, einen Restrukturierungsplan zu erarbeiten, der eine vollständige Sanierung bei weiterlaufendem Geschäftsbetrieb ermöglicht. Das „Manager Magazin“ meldet unter Berufung auf Galeria-Kreise, dass etwa ein Drittel der Warenhäuser mittelfristig von Schließungen betroffen sein könnte. Eine Bestätigung für diese Überlegungen gibt es nicht.
In Berlin laufen Mietverträge aus
In Berlin, so die Befürchtung der Gewerkschaft Verdi, stehen die Filialen Müllerstraße in Wedding und an der Wilmersdorfer Straße in Charlottenburg vor dem Aus. Hier laufen die Mietverträge nach Informationen unserer Zeitung nur bis Januar 2024. Laut Verdi in Berlin habe das Galeria-Management den betroffenen Mitarbeitenden bereits betriebsbedingte Kündigungen in Aussicht gestellt.
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Sollte der Bund Galeria erneut Staatskredite gewähren, müsste auch der Eigner René Benko einen Eigenanteil in beträchtlicher Größenordnung aufbringen. Der Druck aus der Politik auf den österreichischen Milliardär, selbst etwas für die Rettung von Karstadt und Kaufhof zu tun, ist groß.
Darauf pocht auch Verdi. „Die 17.400 Beschäftigten und mögliche Geldgeber brauchen eine klare Entscheidung und die Verpflichtung des Eigentümers, Galeria und die Beschäftigten langfristig aus der Notlage zu befreien“, sagte Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger unlängst dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ . „Das könnte ein wesentliches Signal an die Bundesregierung und den Wirtschaftsstabilisierungsfonds sein.“
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In den vergangenen Jahren hatten sich die Beschäftigten in dem jetzt einseitig gekündigten Tarifvertrag dazu verpflichtet, auf Gehaltsbestandteile in Millionenhöhe zu verzichten, um Galeria zu stabilisieren.
Konsumflaute trifft gesamten Einzelhandel
Die Chefs von Handelsketten wie Kik und Ernsting’s Family hatten zuletzt aus Gleichbehandlungsgründen vor weiteren Staatskrediten für Galeria gewarnt. Die gesamte Branche leide unter hohen Energiepreisen und der Konsumflaute, argumentierten sie. „Der Einzelhandel bekommt diese Kaufzurückhaltung deutlich zu spüren“, erklärte am Wochenende auch Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbands Deutschland. Steigende Energiekosten und die hohe Inflation sorgten für große Verunsicherung.
Einer Umfrage des Instituts Insa für die „Bild am Sonntag“ zufolge will jeder zweite Verbraucher und jede zweite Verbraucherin in Deutschland (46 Prozent) an Weihnachten sparen, davon 79 Prozent an Geschenken. 36 Prozent haben Angst, ihre Rechnungen im Winter nicht mehr bezahlen zu können.