Essen/Bochum. Für sechs Stadtwerke aus dem Ruhrgebiet könnte der Steag-Verkauf ein milliardenschweres Geschäft werden. Eine Konzern-Teilung ist nun besiegelt.
Der traditionsreiche Essener Energieversorger Steag steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Innerhalb weniger Monate wollen mehrere Ruhrgebiets-Stadtwerke als Eigentümer aussteigen. Mitten im Verkaufsprozess ist auch eine Zweiteilung des Konzerns besiegelt. „Die Aufspaltung ist nun beschlossene Sache“, sagte Dietmar Spohn, der Chef der Stadtwerke Bochum, im Gespräch mit unserer Redaktion. „Im Aufsichtsrat der Steag haben wir einstimmig entschieden, das Unternehmen unterhalb einer Steag-Dachgesellschaft in einen grünen und einen schwarzen Bereich aufzuteilen.“ Durch die Aufspaltung sollen zwei Teilkonzerne entstehen: ein Unternehmen mit Geschäften rund um erneuerbare Energien und ein Betreiber von Kohlekraftwerken. Das Projekt trägt konzernintern den Namen „Sunrise“: Sonnenaufgang.
Die Zweiteilung wirft Fragen auf, da die Stadtwerke den Energieversorger mit rund 5700 Beschäftigten in Gänze an einen Käufer abgeben wollen. Rund 1900 Mitarbeitende sollen künftig Unternehmensangaben zufolge zum schwarzen und etwa 3800 zum grünen Bereich gehören. „Klar ist: Wir werden die Steag nur als Ganzes verkaufen“, betont Stadtwerke-Manager Spohn, der nach dem plötzlichen Abgang von Steag-Aufsichtsratschef Gerhard Jochum als möglicher Nachfolger auf dem Chefkontrolleur-Posten gilt.
Die Zweiteilung helfe beim Steag-Verkauf, erklärt Spohn, „denn sie dürfte Investoren eine Finanzierung erleichtern“. Geldgeber würden „immer stärker ökologische und soziale Standards sowie Grundsätze transparenter Unternehmensführung berücksichtigen“.
Stadtwerke entschlossen zum Steag-Ausstieg
Derzeit gehört die Steag sechs Stadtwerken aus dem Ruhrgebiet, die vor mehr als zehn Jahren eingestiegen sind. Für insgesamt rund 1,2 Milliarden Euro übernahmen die kommunalen Betriebe den Energieversorger vom Chemiekonzern Evonik. Nach Querelen zur Strategie des Konzerns wollen sich die Steag-Städte – Essen, Bochum, Duisburg, Dortmund, Oberhausen und Dinslaken – bald verabschieden. „Es ist gut, dass wir als kommunale Eigentümer einen Schlussstrich unter das Kapitel Steag ziehen. Wir tun der Steag keinen Gefallen, wenn wir als kommunale Gesellschafter im Unternehmen bleiben“, sagt der Bochumer Spohn.
Mit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine hat sich die geschäftliche Situation der Steag seit einigen Monaten grundlegend geändert. Kohlekraftwerke, die als Auslaufmodell galten, sind plötzlich wieder stark gefragt, um für eine sichere Stromversorgung in Deutschland zu sorgen. „Dass die Steag wichtig ist für die Versorgungssicherheit Deutschlands haben wir natürlich im Blick“, sagt Stadtwerke-Manager Spohn mit Blick auf den Verkaufsprozess.
Ein Interessent an der Steag kommt aus Tschechien
Es könnte ein großes Geschäft für die kommunalen Unternehmen werden. Über einen Verkaufspreis in Höhe von zwei Milliarden Euro oder mehr wird spekuliert. Als möglicher Investor wird unter anderem der tschechische Konzern EPH gehandelt, der vom Unternehmer Daniel Kretinsky gelenkt wird. Vor einigen Jahren hat EPH bereits das Braunkohlegeschäft von Vattenfall in Ostdeutschland gekauft. Auch die Essener RAG-Stiftung ist dem Vernehmen nach in Sachen Steag angesprochen worden.
„Der Käufer muss zur Steag passen“, betont Spohn. Der Verkaufspreis sei wichtig, aber nicht allein ausschlaggebend. „Es kommt auf das Gesamtpaket an. Dazu gehört beispielsweise auch, dass die Interessen der Beschäftigten der Steag berücksichtigt werden und die Arbeitsplätze sicher bleiben.“ Mit der Begleitung des Verkaufs sei die Investmentbank Morgan Stanley befasst, die bisher schon im Auftrag der kommunalen Eigentümer den Markt sondiert hat.
Stadtwerke streben Unterschrift zum Steag-Verkauf bis Ende Juni an
Beim Verkaufsprozess drücken die Stadtwerke aufs Tempo. „Mit den Aufsichtsratsbeschlüssen kann der Verkaufsprozess für die Steag im nächsten Frühjahr starten“, sagt Spohn. „Eine Unterschrift unter den Vertrag mit einem Käufer streben wir bis Ende Juni an. Bis zum Jahresende 2023 soll alles in trockenen Tüchern sein.“
Nach dem internen Streit, der sich unter anderem um millionenschwere Berater-Honorare drehte, hat Steag-Aufsichtsratschef Jochum vor fast einem Monat das Unternehmen verlassen. Die Suche nach einem Nachfolger läuft. „Das Unternehmen ist voll handlungsfähig“, sagt Spohn. „Ich gehe davon aus, dass wir rasch eine Lösung zur Nachfolge an der Aufsichtsratsspitze finden werden.“
Zur Frage, ob er die Steag noch als Sanierungsfall sieht, sagt Spohn: „Wir befinden uns nach wie vor im Sanierungsregime – nicht weil Steag ein Sanierungsfall wäre, sondern weil die Separierung Teil der Sanierungsvereinbarung mit den Banken ist. Die Verträge mit den finanzierenden Banken mitten im Verkaufsprozess aufzuschnüren, wäre nicht hilfreich.“ Die Entscheidung, wer die Steag übernehme, liege aber nicht bei den Banken, sondern bei den kommunalen Eigentümern. „Das Entscheidende aus Sicht der Banken ist, dass sie das Geld aus den laufenden Kreditverträgen bekommen“, betont Spohn. „Daran besteht kein Zweifel.“