Duisburg/Essen. Helena Wisbert vom Duisburger CAR-Institut erwartet eine Revolution im Kfz-Handel durch Auto-Abos. Der Abo-Markt werde rasant wachsen.
Noch spielt der Online-Handel in der Autobranche eine untergeordnete Rolle. Doch das wird sich nach Einschätzung von Auto-Professorin Helena Wisbert in naher Zukunft ändern. Insbesondere durch „Auto-Abos“ werde der Wandel forciert, sagt die Expertin, die seit August am privaten Duisburger Forschungsinstitut CAR arbeitet – neben ihrer Tätigkeit als Professorin an der Hochschule Ostfalia in Wolfsburg. „Auto-Abos setzen den Handel schwer unter Druck“, sagt Wisbert, die aus Neuss stammt und jahrelang im Volkswagen-Konzern gearbeitet hat.
„Das Prinzip der Abos ist: Gezahlt wird monatlich. Damit sind dann auch die Versicherung, Wartung, Verschleiß und Kosten für Winterreifen abgedeckt“, erklärt Helena Wisbert im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Abo-Verträge seien in aller Regel monatlich kündbar. Das Prinzip erinnere an TV-Streaming-Dienste oder Handy-Verträge.
Mit einem Abo-Prinzip werde auch die Hemmschwelle für potenzielle Kundinnen und Kunden sinken, ein neues Fahrzeug auszuprobieren, zeigt sich Wisbert überzeugt. „Abo-Modelle werden voraussichtlich aktuell hierzulande noch wenig bekannten Marken den Markteintritt erleichtern. Ich denke beispielsweise an chinesische Marken wie Polestar oder Nio.“ Bei einem Erfolg von Auto-Abos würden Kundinnen und Kunden „nicht mehr so markenloyal sein wie in früheren Zeiten“. Auch die Elektromobilität wird nach Einschätzung von Wisbert einen Schub bekommen, wenn Autokäufe durch Abos ersetzt werden. Das zeichne sich jetzt schon ab. „Tesla etwa läuft sehr gut im Abo“, sagt Wisbert.
Dudenhöffer: Auto-Professorin „Zukunftssicherung“ für CAR-Institut
Die 39-jährige Auto-Professorin arbeitet beim Duisburger CAR-Institut mit Ferdinand Dudenhöffer zusammen, der das „Center Automotive Research“ aufgebaut hat. Für das CAR sei die Zusammenarbeit mit Wisbert „ein Stück Zukunftssicherung“, sagt Dudenhöffer. Das CAR ist eine private Ausgründung des langjährigen Professors der Universität Duisburg-Essen. Wisbert pendelt zwischen Neuss und Wolfsburg. In der VW-Stadt lehrt sie an der Fakultät Wirtschaft der Hochschule Ostfalia zum Thema Automobilwirtschaft.
Die Autobranche gilt als letzte Bastion des stationären Handels. „Beim Verkauf von Autos ist der Online-Handel noch nicht so verbreitet“, erklärt Wisbert. „Ein Grund ist, dass Kaufentscheidungen für Kundinnen
und Kunden bislang von großer Bedeutung sind. Es geht meist um viel Geld und Investitionen für mehrere Jahre.“ Auch bei marktüblichen Leasing-Verträgen seien Kundinnen und Kunden derzeit oft drei oder vier Jahre gebunden, sagt die Auto-Professorin. Daher sei den Menschen in aller Regel ein Besuch im Autohaus wichtig.
Sollten sich Auto-Abos durchsetzen, werde sich das Bild verändern: „Wenn ein Vertrag von Monat zu Monat gekündigt werden kann, steigt die Experimentierfreude. Auch eine reine Buchung über eine Online-Plattform – ohne Besuch im Autohaus – dürfte dann selbstverständlicher werden.“
Einer Übersicht des CAR-Instituts zufolge ist es aktuell marktüblich, dass Kundinnen und Kunden im Abo 1,7 Prozent des Kaufpreises – also Listenpreises abzüglich Rabatt – monatlich bezahlen und damit einen Neuwagen für 15.000 Kilometer pro Jahr inklusive aller Kosten außer Treibstoff erhalten.
„Das könnte ähnlich wie bei Amazon laufen“
In naher Zukunft sei ein harter Wettbewerb der Anbieter von Auto-Abos zu erwarten, sagt Wisbert. „Über die Jahre hinweg dürften sich wenige oder vielleicht auch nur ein Akteur durchsetzen. Das könnte ähnlich wie bei Amazon laufen.“
Derzeit gebe es unterschiedliche Anbieter von Abos – klassische Herstellermarken wie Volvo und Mercedes etwa, auch Autovermieter wie Sixt. Hinzu kämen aber auch Plattformen, die unabhängig sind von einzelnen Marken – etwa „ViveLaCar“, „Like2drive“ oder „Finn“. Noch sei der Markt für Auto-Abos vergleichsweise klein in Deutschland, berichtet die Expertin. „Im vergangenen Jahr waren es etwa 42.000 Abschlüsse. Ich rechne aber mit einem rasanten Zuwachs. Bis zum Jahr 2030 könnten 40 Prozent des Marktes in Deutschland über Auto-Abos abgedeckt werden.“
Wenn – ähnlich wie im Einzelhandel – das Onlinegeschäft wachse, steige der Druck auf klassische Autohäuser. „Einige Betriebe werden von der Bildfläche verschwinden“, sagt Wisbert voraus. „Derzeit haben wir rund 6800 Autohändler bundesweit. Deren Geschäft wird sich in den kommenden Jahren massiv verändern.“