Essen. Der angeschlagene Warenhauskonzern hat einen weiteren Staatskredit beantragt. Verdi sieht dagegen Eigentümer Benko in der Pflicht.

Nachdem der Essener Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof am Freitag überraschend den Tarifvertrag für die 17.000 Beschäftigten gekündigt hat, um das Unternehmen „nachhaltig zu stabilisieren“, laufen im Hintergrund Rettungsbemühungen. Das Bundesfinanzministerium bestätigte unerer Redaktion am Donnerstag, „dass die Galeria Karstadt Kaufhof GmbH den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) um weitere finanzielle Unterstützung gebeten hat. Das Begehren wird geprüft.“

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Es ist gerade einmal acht Monate her, dass der Bund Deutschlands einzig verbliebenem Warenhauskonzern finanziell kräftig unter die Arme gegriffen hat. Um die wirtschaftliche Krise nach den Corona-Lockdowns abzufedern, erhielt Galeria im Februar ein Darlehen in Höhe von 460 Millionen Euro aus Mitteln des Wirtschaftsstabilitätsfonds (WSF). Einer Mitteilung der Bundesfinanzagentur zufolge, hat „die Gesellschaft das Nachrangdarlehen in voller Höhe abgerufen“. Ergänzend erhielt Galeria danach obendrauf eine stille Beteiligung des Bundes von noch einmal 220 Millionen Euro, die in die Liquidität des Unternehmens floss.

Schon 680 Millionen Euro Steuergeld für Galeria

Doch die Stützungsmaßnahmen aus Berlin reichten offenbar nicht aus. Unter Berufung auf Regierungskreise berichtet „Business Insider“, dass Galeria mit dem Bund über eine weitere Staatsfinanzierung in „niedriger dreistelliger Millionenhöhe“. Nachfragen unserer Redaktion dazu beim Unternehmen und bei den Bundesministerien für Wirtschaft und Finanzen blieben zunächst unbeantwortet.

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Ob der Bund ein weiteres Mal für Galeria Karstadt Kaufhof in die Bresche springen wird, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Bei der Gewährung von Staatsdarlehen, so heißt es in einem „Merkblatt“ der Finanzagentur, sei grundsätzlich ein „den Strukturen und Vermögensverhältnissen angemessener Gesellschafterbeitrag“ erforderlich. Ob Galeria-Eigner René Benko mit seiner Signa-Gruppe dazu bereit ist, gilt als offen. Einer Finanzspritze aus Steuermitteln muss überdies die Europäische Kommission zustimmen. Und nicht zuletzt stellt sich die Frage nach den Sicherheiten. Da Galeria bereits mit rund 680 Millionen Euro aus öffentlichen Mitteln gestützt worden sei, sei der Staat bereits im Besitz der Sicherheiten wie Immobilien und Warenbestand, schreibt „Business Insider“.

Verdi: Probleme nicht auf Beschäftigte abwälzen

Die Große Tarifkommission der Gewerkschaft Verdi, die am Dienstag zusammentraf, sieht angesichts der zugespitzten Krise beim Essener Unternehmen vor allem den österreichischen Milliardär Benko am Zuge. „Die Verdi-Bundestarifkommission Galeria fordert das Management und den Eigentümer auf, ihrer Verantwortung durch das Aufzeigen von Lösungen für die aktuelle Situation gerecht zu werden“, sagt ein Verdi-Sprecher. „Probleme auf die Beschäftigten abzuwälzen, ist keine akzeptable Lösung.“

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Die Gewerkschaft will die einseitige Kündigung des im Jahr 2019 anlässlich der Fusion von Karstadt und Kaufhof geschlossenen Tarifvertrags nicht hinnehmen. Er sieht Gehaltserhöhungen im nächsten Jahr, vor allem aber den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis zum Jahr 2024 vor. Verdi will die „Tarifflucht“ deshalb juristisch prüfen lassen. „Darüber hinaus sollen Sachverständige Zahlen, Daten und Fakten des Unternehmens unabhängig von der vorliegenden Datenlage der Galeria-Unternehmensleitung bewerten“, so der Sprecher. Über das weitere Vorgehen will Verdi am 20. Oktober beraten.

Galeria.de soll zum „Rennwagen“ werden

Nicht nur die Gewerkschaft fordert von der Galeria-Chefetage um Geschäftsführer Miguel Müllenbach ein Konzept, wie er die bundesweit 101 Warenhäuser aus der Krise führen will. Es reiche nicht, immer nur nach dem Staat zu rufen, heißt es aus Verdi-Kreisen. Auch die bereits gewährten Darlehen des Bundes und mögliche weitere sind an Auflagen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds gebunden. So musste sich Galeria verpflichten, im Rahmen einer „soliden und umsichtigen Geschäftspolitik“ Verantwortung „für die direkte und indirekte Sicherung von Beschäftigung“ zu übernehmen. Die Finanzagentur des Bundes erwartet ebenfalls ein Konzept für die Zukunft. Im Sommer hatte Müllenbach angekündigt, Galeria.de zum „Rennwagen“ unter den Onlineshops auszubauen, zahlreiche Filialen auf ein neues Konzept umzustellen und in Berlin ein zusätzliches Warenhaus zu eröffnen.

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Der Frust in der Galeria-Belegschaft ist dennoch groß. Zumal kurz vor dem wichtigen Weihnachtsgeschäft die Einstellung von Aushilfen gestoppt worden sein soll. Es mache sich die Sorge breit, dass Kundinnen und Kunden in langen Schlangen an der Kasse und vor womöglich leerer werdenden Regalen stehen. In einem Flugblatt stellt sich Verdi vor die Mitarbeitenden: „Die Beschäftigten bei Galeria haben in den zurückliegenden Jahren unendlich oft ihren Beitrag zum Erhalt des Unternehmens geleistet und auf Entgelterhöhungen und Zusatzleistungen immer wieder verzichtet. Auf diese Weise sind in den letzten Jahren zig Millionen Euro zusammengekommen, die das Überleben der Warenhäuser maßgeblich möglich gemacht haben“, schreibt die Gewerkschaft. „Die Beschäftigten haben gerade angesichts der rasanten Inflation und der Unsicherheiten rund um die Energieversorgung keinen einzigen Cent mehr übrig.“