Essen. Galeria Karstadt Kaufhof hat den Tarifvertrag mit Verdi gekündigt. Der Schritt diene der Stabilisierung des Essener Konzerns, sagte ein Sprecher.

Die wirtschaftlichen Probleme des Essener Warenhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof sind offenbar größer als bislang bekannt. Das Unternehmen kündigte am Freitag überraschend den Sanierungsvertrag mit der Gewerkschaft Verdi. Einem Medienbericht zufolge sollen die Filialen auf „Notbetrieb“umgestellt werden.

Erst vor wenigen Wochen hatte Galeria einen neuen Onlineshop präsentiert und angekündigt, dass weitere Warenhäuser modernisiert werden sollen. Auf der Investitionsliste steht auch die Filiale im Oberhausener Einkaufszentrum Centro. Doch die grassierende Konsumflaute und die rasant steigenden Energiekosten setzen das Essener Unternehmen, das bereits Staatskredite in Anspruch genommen hat, weiter unter Druck. Das Statistische Bundesamt teilte am Freitag mit, dass der Umsatz des deutschen Einzelhandel im August preisbereinigt um 4,3 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum eingebrochen sei.

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„Wir sind in dieser wirtschaftlich angespannten Situation gezwungen, wie tarifvertraglich ausdrücklich in einem solchen Fall vorgesehen, unseren Integrationstarifvertrag mit der Gewerkschaft Verdi zu kündigen, um unser Unternehmen wieder insgesamt nachhaltig zu stabilisieren“, sagte ein Galeria-Sprecher unserer Redaktion. Die Kündigung bedeute aber nicht, „dass Galeria nunmehr nicht tarifgebunden ist“, so der Sprecher mit Verweis auf viele andere Einzelhandelsunternehmen, die nicht mehr dem Flächentarifvertrag angehören.

Nach Lesart von Galeria hat die Kündigung zur Folge, dass die Löhne und Gehälter der Beschäftigten zunächst einmal auf dem aktuellen Niveau eingefroren werden. Zum anderen gebe es aber auch „die Verpflichtung, mit Verdi zu verhandeln, um den Tarifweg nunmehr an die neue Situation anzupassen“. Einzelheiten zu den Bedingungen nannte der Sprecher nicht.

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Der Galeria-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Jürgen Ettl sagte am Abend der Deutschen Presse-Agentur, dass die Kündigung des Tarifvertrags keine unmittelbaren Auswirkungen habe. Doch werde die eigentlich vorgesehene schrittweise Annäherung der Löhne und Gehälter an das Tarifniveau damit erst einmal gestört.

Verdi reagierte mit Entsetzen auf die Kündigung des Tarifvertrags. „Das ist eine Art von Tarifflucht“, sagte Gewerkschaftssprecher Günter Isemeyer unserer Redaktion. Der Schritt sei aus heiterem Himmel ohne Ankündigung gekommen. Noch Ende September habe die Verdi-Tarifkommission in Hamm mit der Galeria-Geschäftsführung um Miguel Müllenbach zusammengesessen. „Von einer Kündigung des Tarifvertrags war da nicht die Rede“, betont Isemeyer. „Den Integrations- und Überleitungstarifvertrag ohne jede Vorankündigung zu kündigen, ist der Gipfel sozialer Verantwortungslosigkeit des Galeria-Managements und der Eigentümergesellschaft Signa mit dem Hauptgesellschafter René Benko an der Spitze“, erklärte das bei Verdi für den Handel zuständige Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger.

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Verdi kündigt nun an, das Vorgehen rechtlich prüfen zu lassen. Den Galeria-Eigentümer und österreichischen Milliardär René Benko fordert die Gewerkschaft auf, „endlich auch etwas für die Beschäftigten zu tun“. Der „Überleitungs- und Integrationstarifvertrag“, wie er offiziell heißt, war nach der Fusion von Karstadt und Kaufhof zu einem gemeinsamen Unternehmen mit Verdi geschlossen worden. Er sicherte den Erhalt von Standorten, Entgeltsteigerungen und den Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen zu. Unter dem Strich haben die Mitarbeitenden nach Gewerkschaftsangaben aber auf Gehaltsbestandteile in Millionenhöhe verzichtet – mit der Perspektive, wieder vollständig in den Tarifvertrag zurückzukehren.

Wie andere Händler auch hat Galeria immens unter den Einschränkungen den Corona-Pandemie gelitten. Anfang des Jahres erhielt das Unternehmen aus Mitteln des Wirtschaftsstabilisierungsfonds 460 Millionen Euro. Unter Berufung auf Aufsichtsratskreise meldet das „Handelsblatt“, es sei nicht ausgeschlossen, dass der Konzern weitere staatliche Unterstützung und frisches Geld benötige.

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Die Leiter der Warenhäuser seien indes auf einen harten Sparkurs eingeschworen worden, berichtet das „Manager Magazin“. Für das bevorstehende Weihnachtsgeschäft sei ein Einstellungsstopp für Aushilfen verhängt worden. Um Energie zu sparen, sollten die Heizungen so spät wie möglich angestellt werden. Die Rede sei von einem „Notbetrieb“, berichtet das Blatt.