Berlin/Essen. Gasumlage nur für kurze Zeit? Das Wirtschaftsministerium stellt sie wieder infrage. Uniper verhandelt mit Bund final über seine Verstaatlichung.

Um die angeschlagenen Gashändler zu retten und so die Versorgung aufrechtzuerhalten, sollen ab Oktober alle Gaskunden in Deutschland, gewerbliche wie private, eine Gasumlage zahlen. So zumindest plant es Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bisher. Nun kommen aus seinem Ministerium Zweifel, ob das verfassungsrechtlich überhaupt möglich ist und ob es angesichts der sich weiter zuspitzenden Lage noch sinnvoll wäre. Habecks ohnehin höchst umstrittene Gasumlage wackelt. Auch, weil es beim ums Überlebenden kämpfenden Düsseldorfer Uniper-Konzern inzwischen auf eine Verstaatlichung hinausläuft. Das erklärte das Unternehmen am Dienstagabend in einer Börsenpflichtmitteilung (Ad-hoc).

Habecks Ministerium hat nach Informationen unserer Redaktion „finanzverfassungsrechtliche Zweifel“ an seiner Gasumlage. Die rechtlichen Fragen müsse allerdings das Bundesfinanzministerium von Christian Lindner (FDP) klären. Darüber hinaus werde zunehmend deutlich, dass die instabile Lage „die Macht und die Garantie des Staates sowie alle Finanzkraft des Staates braucht, die nötig ist“, heißt es aus Kreisen des Wirtschaftsministeriums. Dort muss man inzwischen davon ausgehen, dass der Finanzierungsbedarf für die Gasversorger deutlich höher liegt als noch bei der Aushandlung des ersten Rettungspakets für Uniper.

Gasumlage wird zumindest als Brücke gebraucht

Habecks Ministerium erklärte auf Anfrage unserer Zeitung, ob die Gasumlage wackle: „Natürlich muss man auch im Blick behalten, wie sich der sich abzeichnende Stabilisierungsbedarf von systemrelevanten Unternehmen auf dem Gasmarkt auswirkt, welche Fragen er aufwirft und welche Antworten nötig sind.“ Aus Kreisen war zu hören, dass die Gasumlage schon noch als Brücke gebraucht werde, aber: „Es muss diskutiert werden, ob sie nicht angesichts der aktuellen Lage durch andere Instrumente wie staatliche Finanzierungsinstrumente abgelöst werden muss“, heißt es.

Also eine Gasumlage auf Abruf? Dafür spricht, dass die mögliche Verstaatlichung von Unternehmen nicht über Nacht funktioniert, schon gar nicht bei Börsennotierten. Der am Montag in den S-Dax abgestiegene Uniper-Konzern will in diesem Herbst eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen, die dem Staatseinstieg zustimmen soll. Bis dahin verlören die Düsseldorfer weiterhin jeden Monat rund drei Milliarden Euro, wenn die Gasumlage nicht kommt.

Bund will acht Milliarden nachschießen und Uniper übernehmen

Uniper erklärte am Abend in einer Börsenpflichtmitteilung, man befinde sich „in abschließenden Gesprächen“ mit dem Bund und seiner finnischen Mutter Fortum über ein neues Rettungspaket. Dieses sehe eine Kapitalerhöhung von acht Milliarden Euro durch den Bund vor. Der solle zudem Fortums Uniper-Aktien und damit die Mehrheit übernehmen.

Mit seiner Gasumlage wollte Habeck Uniper, Gazprom Germania (inzwischen in Sefe umbenannt) und die Leipziger EnBW-Gastochter VNG stützen. Zuletzt arbeitete sein Haus daran, dass die acht weiteren Unternehmen, die ebenfalls Bedarf angemeldet haben, aber nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecken, die Umlage nicht erhalten. Am Umfang der bisher auf 34 Milliarden Euro taxierten, bis Frühjahr 2024 laufenden Umlage würde das freilich wenig ändern, denn 92 Prozent davon entfallen auf die drei größten Sorgenkinder. Man sei „auf einem guten Weg“, die so genannten Trittbrettfahrer aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten auszuschließen, erklärte das Ministerium auf Anfrage unserer Redaktion.

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Allerdings ist jetzt schon klar, dass es noch mehr Geld braucht und die bisher auf 2,4 Cent je Kilowattstunde festgesetzte Gasumlage nicht reichen wird. So erklärte Uniper unlängst, inzwischen mehr als 100 Millionen Euro pro Tag zu verlieren, im August waren es noch 60 Millionen. Genau das hat auch die Bundesregierung auch dazu bewogen, inzwischen über eine Verstaatlichung von Deutschlands größtem Gasimporteur nachzudenken. Es werde zwischen Uniper, seiner finnischen Mutter Fortum und der Regierung über eine „direkte Kapitalerhöhung, die zu einer signifikanten Mehrheitsbeteiligung des Bundes an Uniper führen würde“, gesprochen, ließ das Unternehmen vergangene Woche in einer Börsenpflichtmitteilung (Ad-hoc) wissen.

Verstaatlichung auch von Gazprom Germania möglich

Das wiederum warf sofort die Frage auf, ob dann die Gasumlage überhaupt noch gebraucht werde und sinnvoll sei. Schließlich würde der Staat sie erheben und zum größten Teil in sein eigenes Unternehmen weiterleiten. Für ein einheitliches Vorgehen müsste auch Gazprom Germania verstaatlicht und zuvor enteignet werden, wofür die Regierung mit der Treuhandverwaltung bereits die Voraussetzung geschaffen hat. VNG liegt als EnBW-Tochter bereits mehrheitlich in staatlicher Hand – der des Landes Baden-Württemberg.

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Dass im Wirtschaftsministeriums nun der Gedanke kreist, es brauche „alle Finanzkraft des Staates“, diese Gaskrise in den Griff zu kriegen, lässt durchblicken, dass es eine starke Tendenz Richtung Verstaatlichung geht, was dann bedeuten könnte, dass die laufenden Verluste im Wesentlichen aus Steuermitteln aufgefangen würden. Das hatten Sozialverbände schon lange gefordert, weil es sozial ungerecht sei, nur die Gaskunden zur Kasse zu bitten.