Berlin/Bonn. Die Postbank soll Tausenden freien Handelsvertretern seit Jahren detailliert Einblicke in die Girokonten ihrer Kunden gewähren. Dies teilte die Stiftung Warentest am Montag mit. Betroffen seien auch Prominente, wie Ex-BVB-Präsident Gerd Niebaum oder Springer-Vorstand Mathias Döpfner.

Laut Stiftung Warentest können und sollen die freien Mitarbeiter der 2006 gegründeten Postbank Finanzberatung AG auf eine Datenbank zugreifen, aus der sämtliche Kontobewegungen hervorgehen. Dies geschehe auch ohne die Einwilligung der Kunden. Der Sinn der Aktion: Die Berater sollen die Postbank-Kunden anrufen, sobald ein höherer Geldbetrag auf einem Konto eingeht, um ihnen dann Geldanlagen zu verkaufen.

Nur mit Einwilligung

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz in NRW bestätigte gegenüber der WAZ, dass es eine Reihe von Beschwerden gegen diese Praktiken der Postbank gebe. Mitte November soll es ein Gespräch zwischen den Datenschützern und Vertretern der Postbank geben. „Sollten diese sensiblen Daten tatsächlich ohne Einwilligung der Kunden einzusehen sein, dann ist das illegal”, sagte Bettina Gayk, Sprecherin des Landesdatenschutzbeauftragten, dieser Zeitung.

Der stiftungseigenen Zeitschrift Finanztest zufolge sollen einzelne Chefs der Postbank-Gruppe sich genau vor dem schützen, was sie ihren Kunden zumuten: Sie verschließen ihre Konten vor dem Einblick der freien Berater.

Bank wehrt sich

Die Postbank wehrt sich gegen die Vorwürfe, gegen die Datenschutzbestimmungen zu verstoßen: „Diese mobilen Handelsvertreter treten ausschließlich im Namen und im Auftrag der Postbank als Finanzberater auf.” Bei der Weitergabe der Informationen werde der Datenschutz beachtet. Eine besondere Einwilligung der Kunden sei nicht erforderlich.

Ariane Lauenburg fiel jüngst aus allen Wolken. Die Redakteurin der Zeitschrift Finanztest war eher zufällig auf die dubiosen Praktiken des Finanzriesen gestoßen. Eigentlich wollte sie „nur” die umstrittenen Verkaufsmethoden von Postbank-Beratern bei Bausparverträgen unter die Lupe nehmen: Freie Berater sollen mit zweifelhaften Methoden Kunden der Postbank Verträge aufgeschwatzt haben – die WAZ berichtete. Aber bei der Recherche tat sich für Postbank-Kundin Lauenburg plötzlich ein weiterer, noch tieferer Abgrund auf: „Der freie Berater am Telefon erzählte mir auf einmal, was ich verdiene, wie viel Miete ich zahle, welche Überweisungen ich in letzter Zeit vorgenommen habe”, erzählt die Journalistin. „Ich fand das geradezu eklig, dass der so viel über mich wusste. Und nicht nur über mich, sondern auch über zehn andere Kollegen hier im Haus.”

Hinter diesem Wissen steckt offenbar Methode. Die Stiftung Warentest will herausgefunden haben, dass 4000 „selbstständige Handelsvertreter” für die Postbank lohnende Kontobewegungen ausspähen. Die Vertreter handeln im Auftrag der Postbank Finanzberatung AG und verkaufen auf Provisionsbasis Produkte der Postbank und der Bausparkasse BHW.

14,5 Millionen Kunden

Rund 14,5 Millionen Girokonten-Kunden soll das Bonner Geldinstitut haben. Etwa die Hälfte davon sollen, so Lauenburg, ihre Einwilligung dazu gegeben haben, dass die Postbank ihre Daten an Berater weitergibt. Viele andere aber haben dem nie zugestimmt und werden trotzdem von den freien Mitarbeitern angerufen.

„Das wäre in der Tat nicht legal”, sagte gestern Bettina Gayk , Sprecherin des NRW-Landesbeauftragen für den Datenschutz, zur WAZ. „Dieser Zugriff auf Kontodaten ist ohne Einwilligung der Inhaber verboten.” Selbst mit ausdrücklicher Genehmigung sei es nicht in Ordnung, sämtliche Ein- und Auszahlungen zu beobachten. Gayk vermutet, dass die „spezielle Unternehmensstruktur” der Postbank diese Praktiken begünstige. „Diese Bank ist viel mehr als andere auf freie Finanzberater, die in ihrem Auftrag handeln, angewiesen.”

Die Postbank weist die Vorwürfe der Verbraucherschützer zurück: Die Finanzberatungs AG sei eine Konzerngesellschaft der Postbank, die „mobilen Handelsvertreter” würden also im Auftrag der Postbank auftreten. Die Nutzung der Daten sei ein ganz normaler Bestandteil des Vertrages zwischen Bank und Kunden. Die Berater dürften die Informationen keinesfalls privat nutzen. „Außerdem erhalten die Berater nur die Zugriffe, die sie für die Erledigung ihrer Aufgaben auch benötigen. Ein genereller Download von Kundendaten ist technisch ausgeschlossen”, beteuerte gestern Postbank-Sprecher Rüdiger Grimmert.

Mitte November will der NRW-Datenschutzbeauftragte die Postbank-Verantwortlichen zum Rapport laden.