Essen. Wegen der Energiekrise und schwacher Nachfrage stellt der Stahlkonzern ArcelorMittal zwei Anlagen in Deutschland ab. Kurzarbeit auch in Duisburg.

Der Stahlkonzern ArcelorMittal stellt angesichts der Energiekrise zwei Anlagen in Deutschland ab. „Die exorbitant gestiegenen Energiepreise beeinträchtigen die Wettbewerbsfähigkeit der Stahlherstellung massiv“, erklärt der weltweit führende Stahlhersteller zur Begründung. Auch eine schwache Nachfrage, ein negativer Wirtschaftsausblick sowie anhaltend hohe Kosten für den Ausstoß des Klimagases CO2 hätten eine Rolle gespielt. In Deutschland ziehe ArcelorMittal nun Konsequenzen, „da nicht mehr alle Anlagen wirtschaftlich betrieben werden können“. Kurzarbeit für einen Teil der Belegschaft ist die Folge – auch am Standort Duisburg.

Ab Ende September will der Konzern nach eigenen Angaben bis auf weiteres einen der beiden Hochöfen am Flachstahl-Standort Bremen stilllegen. Zudem werde ArcelorMittal im Hamburger Langstahl-Werk, in dem Walzdraht produziert wird, ab dem vierten Geschäftsquartal die unternehmenseigene Direktreduktionsanlage außer Betrieb nehmen. In beiden Werken gebe es bereits jetzt Kurzarbeit, die noch ausgeweitet werden müsse, kündigt ArcelorMittal an. Auch an den Produktionsstandorten in Duisburg und Eisenhüttenstadt seien Beschäftigte bereits in Kurzarbeit. Bundesweit gehe es um mehr als 1500 Beschäftigte in Kurzarbeit, davon rund 150 in Duisburg.

Beim Betrieb der Direktreduktionsanlage in Hamburg kommt unter anderem Erdgas zum Einsatz. Das Stahlwerk von ArcelorMittal ist das derzeit einzige in Westeuropa mit einer Direktreduktionsanlage, in der bereits seit Jahren Eisenerzpellets mit einem Reduktionsgas statt mit Koks in metallisches Eisen umgewandelt werden. Die DRI-Technologie spielt auch in den Planungen von Thyssenkrupp Steel in Duisburg eine wichtige Rolle. Der Konzern will die klassischen Hochöfen im Laufe der kommenden Jahre schrittweise durch DRI-Anlagen ersetzen, die zunächst mit Erdgas und später mit Wasserstoff betrieben werden sollen. Die steigenden Gaskosten kommen daher auch für Thyssenkrupp Steel zu einem ungünstigen Zeitpunkt.

Stahlindustrie sieht Mehrkosten durch Gasumlage von 500 Millionen Euro jährlich

„Die hohen Kosten für Gas und Strom belasten unsere Wettbewerbsfähigkeit stark“, sagt Reiner Blaschek, der Chef von ArcelorMittal Germany. „Dazu kommt ab Oktober die geplante Gasumlage der Bundesregierung, die uns weiter belasten wird.“

Die Wirtschaftsvereinigung Stahl, die für die Branche mit rund 85.000 Beschäftigten in Deutschland spricht, hat die Zusatzkosten der Gasumlage unlängst mit jährlich rund 500 Millionen Euro beziffert. Wettbewerbsfähige Preise für Gas und Strom seien „eine Grundvoraussetzung“ für die Stahlproduktion und weiterverarbeitende Betriebe in Deutschland, sagt Stahl-Präsident Hans Jürgen Kerkhoff. Aktuell hätten die erheblichen Energiepreissteigerungen für die Unternehmen im Vergleich zum Vorjahr schon zu Mehrkosten von rund sieben Milliarden Euro geführt. Die Gasumlage komme noch zusätzlich hinzu.

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„Mit einer Verzehnfachung der Gas- und Strompreise, die wir innerhalb weniger Monate hinzunehmen hatten, sind wir nicht mehr wettbewerbsfähig in einem Markt, der zu 25 Prozent aus Importen versorgt wird“, konstatiert ArcelorMittal-Deutschlandchef Blaschek. „Wir sehen dringenden politischen Handlungsbedarf, um die Energiepreise umgehend in den Griff zu bekommen.“

Uwe Braun, der den Standort von ArcelorMittal in Hamburg führt, erklärt mit Blick auf den Produktionsstopp der Direktreduktionsanlage, sein Unternehmen habe den Verbrauch von Gas bereits sehr stark reduziert. Unter anderem habe ArcelorMittal das Vorprodukt Eisenschwamm extern aus Amerika zugekauft. Die Anlage in Deutschland habe den Betrieb bereits um rund 80 Prozent verringert. „Der extreme Preisanstieg bei Gas und Strom macht es uns unmöglich, weiter profitabel zu arbeiten, weshalb wir Eisenschwamm nun mit höherem CO2-Fußabdruck komplett importieren müssen, um zumindest weiter produzieren zu können.“

Thyssenkrupp beobachtet Entwicklung aufmerksam

Bei Thyssenkrupp Steel wird die Entwicklung bei ArcelorMittal aufmerksam beobachtet. Dem Vernehmen nach gibt es bei Thyssenkrupp Steel bislang keinen vergleichbaren Produktionsstopp aufgrund der Energiekrise. Die Situation werde aber fortlaufend neu bewertet.

Mit einem Produktionsvolumen von rund acht Millionen Tonnen Rohstahl ist ArcelorMittal einer der größten Stahlhersteller Deutschlands. Der Konzern beschäftigt eigenen Angaben zufolge bundesweit rund 8500 Angestellte. Auto-, Bau- und Verpackungsindustrie gehören ebenso zum Kundenkreis wie die Haushaltswaren-Branche. Der Stahlkonzern hat vier große Produktionsstandorte in Deutschland. Dazu gehören zwei Flachstahl-Werke in Bremen und Eisenhüttenstadt sowie zwei Langstahl-Werke in Hamburg und Duisburg. In Bottrop betreibt ArcelorMittal eine Kokerei. Der Standort sei von den aktuellen Entscheidungen nicht direkt betroffen, heißt es bei ArcelorMittal.

Das Management des Stahlkonzerns fordert insbesondere rasche Entlastungen bei den Strom- und Gaspreisen. Ein erster Schritt müsse sein, das Strommarktdesign zu verändern, damit nicht der Erdgaspreis allein ausschlaggebend für die Strompreisbildung sei. Diese Systematik hatte zuletzt zu einem erheblichen Strompreisanstieg geführt.