Essen. Der Industriekonzern hat im dritten Quartal operativ einen Gewinnsprung gemacht, vor allem wegen der hohen Stahlpreise. Zinswende belastet aber.
Der Stahl, von dem sich Thyssenkrupp eigentlich trennen will, hat dem Essener Industriekonzern ein gutes Frühjahr beschert. Das Traditionsunternehmen konnte seinen operativen Gewinn im dritten Quartal des Geschäftsjahres 2021/22 von April bis Juni fast verdreifachen – auf 721 Millionen Euro. Das verdankt es vor allem seiner Stahlsparte, die mit 376 Millionen Euro den Löwenanteil zum bereinigten Ebitda beisteuerte. Weil auch die anderen Geschäftsfelder, vor allem Marine, Autokomponenten und Materialhandel zulegten, sieht Finanzchef Klaus Keysberg den Konzern auf einem guten Weg.
Thyssenkrupp Steel Europe mit großen Werken in Duisburg, Bochum, Gelsenkirchen und Dortmund profitiert von den besonders nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine stark gestiegenen Stahlpreisen. So konnte das Duisburger Unternehmen deutlich mehr Geld verdienen, obwohl es mengenmäßig weniger Stahl verkaufte. Gestörte Lieferketten und Materialengpässe sorgten für weniger Bestellungen aus der Auto- und der Zulieferindustrie.
Keysberg: Niedrigwasser im Rhein gefährdet Stahlproduktion nicht
Obwohl die Stahlpreise seit dem Sommer wieder sinken, kann Thyssenkrupp die steigenden Rohstoffkosten mehr als kompensieren. Keysberg sieht auch in dem bedenklich sinkenden Rheinpegel keine akute Gefahr für die Versorgung der Stahlwerke im Ruhrgebiet. Er hoffe zwar sehr, „dass es bald mal wieder regnet“, sagte er bei der Bilanzvorlage. Die Rheinpegel nähern sich dem Tiefstand aus dem Jahr 2018, doch trotz des Niedrigwassers sei die Belieferung der Stahlwerke über den Rhein nicht in Gefahr, sagte der Konzernfinanzchef. Am Hafen Schwelgern wird vor allem Steinkohle für die Kokereien und Eisenerz für die Hochöfen der Stahlstadt im Duisburger Norden angelandet.
Keysberg betonte erneut, der Konzernvorstand um Martina Merz sehe für den Stahl das größte Potenzial, wenn er eigenständig werde. Konkrete Pläne gibt es aber weiterhin nicht. Auch zu einem möglichen Staatseinstieg des Landes NRW, den die IG Metall und die SPD-Opposition im Land fordern, sagte er: „Es gibt derzeit mit der Landesregierung keine Gespräche über einen Einstieg.“
Weitgehend fest steht dagegen, dass die stark wachsende Wasserstoff-Tochter Nucera in Dortmund an die Börse gebracht werden soll, die viele große Aufträge sammelt, zuletzt aus Australien. Doch das wegen des russischen Krieges in der Ukraine und seinen mannigfachen Folgen für die Weltwirtschaft instabile Kapitalmarktumfeld lässt Thyssenkrupp weiter mit dem Börsengang zögern: „Es gibt noch keinen Zeitplan“, sagte Keysberg.
Thyssenkrupp muss Prognose für Nettogewinn senken
Thyssenkrupp kämpft trotz der verbesserten Zahlen weiterhin mit einem Kapitalabfluss, der freie Cashflow blieb auch im dritten Quartal negativ, was bedeutet, dass mehr Geld ausgegeben wurde als einging. Zudem verdarb die Zinswende dem Konzern auch die Nettobilanz: Durch Abschreibungen von 480 Millionen Euro wegen steigender Kapitalkosten blieben im dritten Quartal unterm Strich nur 92 Millionen Euro übrig. Deshalb senkt Thyssenkrupp auch seine Prognose für den Nettogewinn im Gesamtjahr von mindestens einer Milliarde Euro auf einen „hohen dreistelligen Millionenbetrag“.
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Auf seinem Weg vom bedrohten Dax-Urgestein zu einem gesunden MDax-Konzern trennt sich Thyssenkrupp nach wie vor von Tausenden Beschäftigten. Von den 12.000 Stellen, die weltweit bis 2024 wegfallen sollen, seien bereits 9500 abgebaut worden, teilte Finanzchef Keysberg mit, davon 1700 in den ersten neun Monaten dieses Geschäftsjahres.