Düsseldorf. Können die Atomkraftwerke von Eon, RWE und EnBW über 2022 hinaus laufen? Ein monatelanger lückenloser Weiterbetrieb ist laut Industrie unmöglich.
Für seinen Auftritt vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung in Düsseldorf hat der Chef des Energiekonzerns EnBW, Frank Mastiaux, einen Sprechzettel mitgebracht, der einen schnellen Überblick zur Vergangenheit und Zukunft seines Unternehmens ermöglichen soll. Auch die Atomkraft spielt dabei eine Rolle, allerdings ausschließlich im historischen Kapitel. Ein Schwarzweißfoto des Kernkraftwerks Obrigheim aus dem Jahr 1969 illustriert, wofür EnBW in früheren Zeiten stand. Auf den Seiten, die sich mit der Perspektive bis zum Jahr 2030 befassen, fehlt das Stichwort Atomkraft.
Auf Nachfrage äußert sich Mastiaux skeptisch zu einer politisch heiß diskutierten Laufzeitverlängerung. Zwar lasse sich das EnBW-Kernkraftwerk Neckarwestheim ein paar Wochen im jetzigen Zustand weiterbetreiben, sagt er. Im Falle einer deutlichen Verlängerung des Betriebs wären nach Darstellung des EnBW-Chefs aber neue Brennstäbe nötig. „Sie könnten jetzt ein paar Tage, ein paar Wochen noch weitermachen, aber das ist es dann“, sagt Mastiaux. „Dann muss man über neue Brennstäbe reden.“ Üblicherweise seien zwischen zwölf und 18 Monaten nötig, „bis die jemand liefert“. Vielleicht könne es aber auch schneller gehen.
Voraussetzungen und Erfordernisse für Laufzeitverlängerung
Als ein Ding der Unmöglichkeit stellt Mastiaux einen möglichen Weiterbetrieb des Kernkraftwerks nicht dar, aber es gebe eine Reihe von Voraussetzungen und Erfordernissen. „Wir haben eine Gesetzeslage, wir haben einen ökonomischen Plan und eine Umsetzungsverpflichtung“, sagt Mastiaux. „Dahinter hängt ein Rattenschwanz an anderen Effekten.“ So gebe es etwa für die mehr als 700 Beschäftigten im aktiven Kraftwerksbetrieb Pläne für Umschulungen oder Frühpensionierungen. „An die muss man denken. Was macht man mit den Menschen?“ Für Spezialarbeiten nach der geplanten Stilllegung gebe es schon seit Jahren Verträge mit Unternehmen. Hinzu kommen Fragen zur Atommüll-Lagerung und der Entsorgung.
Bislang seien die Planungen auf ein Ende des Betriebs spätestens am 31. Dezember 2022 ausgerichtet, betont Mastiaux. Mit der klaren Herangehensweise: „Das ist jetzt die Gesetzeslage, und die wird umgesetzt.“ Die „Entscheider“ mit Blick auf die Frage, ob von diesem Plan abgewichen werden soll, seien die Bundesregierung und der Bundestag.
Mastiaux, ein gebürtiger Essener und ehemaliger Eon-Manager, führt seit knapp zehn Jahren den baden-württembergischen Energiekonzern EnBW, im September hört er auf. Das Land Baden-Württemberg mit der vom Grünen-Politiker Winfried Kretschmann geführten Landesregierung hält bei EnBW einen Anteil von rund 47 Prozent, hinzu kommen kommunale Aktionäre. Anders als die Revierkonzerne Eon und RWE betreibt EnBW weiterhin alle Geschäfte rund um die Energieerzeugung, Netze, Vertrieb und Service unter einem Dach.
„Nun ist der Tank bald leer“
Die Gemeinsamkeit von Eon, RWE und EnBW: Jeder der drei großen Versorger betreibt noch ein Atomkraftwerk. Bei RWE ist es das Kernkraftwerk Emsland bei Lingen in Niedersachsen. Zur Eon-Tochter Preussen-Elektra gehört das Kernkraftwerk Isar 2 im bayerischen Landkreis Landshut.
Auch der Verband Kerntechnik Deutschland – ein Zusammenschluss der Atomindustrie – betont, ohne neue Brennelemente sei „nur ein zeitlich eng begrenzter Beitrag zur Stromversorgung“ der drei Kraftwerke von Eon, RWE und EnBW möglich. „Nun ist der Tank bald leer“, heißt es in einer Mitteilung der Branchenvereinigung. Ein unterbrechungsfreier Weiterbetrieb im kommenden Jahr sei selbst mit frischen Brennelementen schon jetzt nicht mehr drin. RWE-Chef Markus Krebber sagte unlängst, es könnten nicht einfach von irgendwoher die benötigten Brennstäbe für die AKW eingekauft werden, diese müssten „genau zum Reaktortyp passen“.