Stuttgart/Essen. . EnBW-Chef Frank Mastiaux im Interview: Er zeigt sich trotz des Deals von Eon und RWE gelassen. Mastiaux sieht sogar Vorteile für EnBW.
Die beiden größten deutschen Energiekonzerne Eon und RWE verbünden sich und teilen ihre Reiche neu auf. EnBW, die Nummer drei, ist nicht beteiligt. Warum EnBW einen eigenen Weg geht, sagt Vorstandschef Frank Mastiaux im Gespräch mit Ulf Meinke.
Herr Mastiaux, die beiden größten deutschen Energiekonzerne Eon und RWE sortieren sich neu – durch Abspaltungen, Zu- und Verkäufe. Warum macht EnBW, die Nummer drei auf dem Markt, bei diesem Spiel nicht mit?
Mastiaux: Jeder geht offensichtlich seinen eigenen Weg. Wir haben bereits vor Jahren – Mitte 2013 – unsere Hausaufgaben gemacht und damals auch eine Aufspaltung optional durchdacht. Dabei sind wir aber zu dem Ergebnis gekommen, die EnBW als ganzes Unternehmen weiterzuentwickeln und Energieerzeugung, Netze, Vertrieb und Dienstleistungen weiter unter einem Dach zu vereinen.
Die Mitarbeiter der RWE-Tochter Innogy müssen angesichts der geplanten Zerschlagung bangen, die Beschäftigten der früheren Eon-Tochter Uniper stehen vor einer ungewissen Zukunft. Geht EnBW weniger hart mit der Belegschaft um?
Mastiaux: Wir haben im Rahmen unserer Effizienzprogramme ebenfalls harte Entscheidungen treffen und umsetzen müssen. So haben wir bis heute etwa 2400 Stellen abgebaut. Parallel haben wir aber auch im Zuge des Unternehmensumbaus etwa 1300 neue Stellen geschaffen und vorzugsweise intern vermittelt. Das war uns wichtig. Wir müssen uns auch in Zukunft in einem harten Wettbewerb weiter anstrengen. Das wollen wir aber möglichst als „eine EnBW“ tun und sind hier auch auf einem guten Weg.
Die Logik des Deals von Eon und RWE lautet: Die Zeit der Energiekonzerne, die sich von der Stromerzeugung über die Netze bis zum Vertrieb um alles kümmern, ist vorbei. Läuft EnBW Gefahr, von gestern zu sein?
Mastiaux: Wir sehen das anders. Dass wir uns weiterhin in sämtlichen Bereichen der Energiewirtschaft bewegen und auskennen, bedeutet einen Kompetenzerhalt, der unsere Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft eindeutig stärkt. Und: Gerade in der Phase des Konzernumbaus war und ist es uns wichtig, dass wir keine Abgrenzung im Unternehmen vornehmen. Wir haben nie zwischen der vermeintlich alten und neuen Energiewelt unterschieden. Unsere Mitarbeiter in den Kraftwerken haben jahrzehntelang großartige Arbeit geleistet, ihr Know-how bleibt für uns sehr wertvoll. Hinzu kommt, dass wir durch unsere breite Aufstellung Risiken wesentlich besser ausgleichen können, die in den einzelnen Geschäftsbereichen entstehen können.
Überprüfen Sie Ihre Aufstellung angesichts der aktuellen Entwicklung bei Eon und RWE nun noch einmal neu?
Mastiaux: Nein, wir hatten von Anfang an gute Gründe für unsere Strategie, die wir deshalb bis heute nicht geändert haben und die wir durch unsere Ergebniswende bestätigt sehen. Wir sehen es momentan als Wettbewerbsvorteil, dass wir uns auf unser Geschäft und unsere Kunden konzentrieren können, anstatt intern über Strategien und Strukturen zu diskutieren.
Wollen Sie auch an Ihren Kohlekraftwerken festhalten? Die großen Stromerzeuger RWE und Uniper könnten Interesse haben.
Mastiaux: Dieser konkrete Punkt ist derzeit kein Thema. Grundsätzlich gebietet es sich natürlich, für jedes Geschäftsfeld regelmäßig unterschiedliche Perspektiven und Optionen zu prüfen.
Haben Sie unternehmensintern ein Datum für den Ausstieg aus der Kohleverstromung festgelegt?
Mastiaux: Nein, aber wir beobachten natürlich die Arbeit der von der Bundesregierung eingesetzten Kohlekommission sehr genau und werden je nach Ergebnis entsprechend handeln.
Die baden-württembergische Landesregierung unter Führung des Grünen-Politikers Kretschmann hält einen Anteil von rund 47 Prozent an EnBW. Muss Ihre Unternehmensstrategie entsprechend grün sein?
Mastiaux: Wir sind ein Wirtschaftsunternehmen und unsere Entscheidungen orientieren sich entsprechend an nachhaltig wirtschaftlichen Kriterien. Es ist sowohl aus ökonomischen und ökologischen Gründen geboten, dass wir erheblich in erneuerbare Energien investieren, in große Windkraftprojekte auf See zum Beispiel, und dass wir gleichzeitig die Kohleverstromung reduzieren. Wir sind generell sehr froh, dass wir mit dem Land und der OEW Eigentümer haben, denen die langfristige Entwicklung des Unternehmens am Herzen liegt.
Warum haben Sie nicht längst alle Kohlekraftwerke vom Netz genommen?
Mastiaux: Weil es entweder wirtschaftlich keinen Sinn macht oder sie für die Sicherheit der Energieversorgung gebraucht werden. Letzteres gilt für neun Kraftwerksblöcke, die wir stilllegen wollten und nicht durften, weil sie systemrelevant für die Stabilität des Stromnetzes in der Region sind. Zu dieser Einschätzung kamen Bundesnetzagentur und Übertragungsnetzbetreiber. Daher befinden sich diese Anlagen in der Reservekraftwerksverordnung. Wir erhalten für ihren Betrieb eine entsprechende Vergütung, die übrigens nicht vollkostendeckend ist.
Entsteht eine Versorgungslücke in Deutschland, wenn EnBW die verbliebenen Atomkraftwerke stilllegt?
Mastiaux: Unsere beiden letzten Nuklear-Anlagen gehen 2019 und 2022 vom Netz. Für eine Vermeidung von Engpässen in der Zukunft wird es sehr darauf ankommen, dass wir die geplanten Fortschritte beim Netzausbau erzielen, damit vor allem der im Norden Deutschlands erzeugte Windstrom in den Süden der Republik gelangt.
Kohle und Kernkraft gelten als Auslaufmodelle. Gilt das aus Ihrer Sicht auch für Gaskraftwerke?
Mastiaux: Nein. Wir sind bereits dabei, ein Kohlekraftwerk auf Gas umzubauen. Und wir erhalten uns die Option, weitere Gaskraftwerke zu bauen. Insbesondere zur Erzeugung von Strom in Kombination mit Fernwärme sind diese klimafreundlich und effizient.
Wie wirkt sich der Deal von Eon und RWE auf den Wettbewerb um Stromkunden in Deutschland aus? Haben Sie die Sorge, dass Eon nach der Übernahme durch Innogy zu stark wird?
Mastiaux: Diese konkrete Frage müsste wohl besser das Kartellamt beantworten. Generell gilt: Wir erleben heute schon einen extrem intensiven Wettbewerb. Je nach Postleitzahl können Stromverbraucher zwischen 100 und 150 Anbietern auswählen.
EnBW gehört mit Yello-Strom zu den Versorgern, die als erste auf Energie-Discounter gesetzt haben, auch mit schriller Werbung. Hat sich das bewährt?
Mastiaux: Yello ist eine starke Marke mit großer Bekanntheit. Die Markenpositionierung haben wir vor anderthalb Jahren überarbeitet. Den Slogan „Gelb, gut, günstig“ haben wir weiterentwickelt zu „Mehr als du denkst“. Dahinter steckt die Idee, dass wir den Kunden kombinierte Angebote machen – nicht nur Strom, sondern auch Gas im Paket und dies in Verbindung mit dem Angebot, zum Beispiel Elektroautos leasen und Smartphones und Waschmaschinen kaufen zu können.
Strom- und Gasverbraucher können die Preise online vergleichen und mit wenigen Klicks den Anbieter wechseln. Verträge der Grundversorgung sind verhältnismäßig teuer. Macht es EnBW zu schaffen, dass die Treue der Kunden zum örtlichen Anbieter abnimmt?
Mastiaux: Auch wir haben lange Zeit als Grundversorger Kunden verloren, aber die Lage hat sich jetzt durch erhebliche Anstrengungen unseres Vertriebs stabilisiert. Für uns ist klar, dass wir mehr sein müssen als ein reiner Kilowattstunden-Lieferant. Wir punkten heute mit Verlässlichkeit, Service und neuen Produkten. Vermutlich wird die Wechselbereitschaft von Stromverbrauchern der nächsten Generation noch zunehmen. Die Herausforderung bleibt also.
Trotz des Wettbewerbs sind die Strompreise für die Verbraucher in den vergangenen Jahren gestiegen. Gehen die Preise weiter nach oben?
Mastiaux: Das hängt von vielen Faktoren ab, unter anderem von den Rohstoff- und CO2-Preisen. Die Entwicklung der vergangenen Jahre lag nur begrenzt in den Händen der Stromunternehmen. Mehr als die Hälfte des aktuellen Strompreises sind staatliche Abgaben. Dabei spielen zum Beispiel die Förderung der erneuerbaren Energien und die Netzregulierung eine maßgebliche Rolle.
EnBW ist Mehrheitseigner der Stadtwerke Düsseldorf. Sind Sie mit Ihrer Tochterfirma zufrieden?
Mastiaux: Die Düsseldorfer Stadtwerke entwickeln sich sehr positiv. und steuern einen operativen Gewinn in Höhe von 160 Millionen Euro zum Konzernergebnis bei. Das kann sich sehen lassen.
Viele Stadtwerke, an denen Innogy beteiligt ist, haben Verträge mit einer Ausstiegsklausel bei Eigentümerwechseln. Könnte EnBW einsteigen, wenn sich die Stadtwerke nicht mit dem Innogy-Käufer Eon einig werden?
Mastiaux: Grundsätzlich gilt auch für uns, bei Marktveränderungen offen für Gespräche zu sein. Aber es muss natürlich für beide Seiten passen.
Bald sind Kohle- und Atomkraft in Deutschland Geschichte. Wo will EnBW eigentlich wachsen?
Mastiaux: Wir versprechen uns viel von Geschäften rund um das Thema Infrastruktur. Dazu gehören beispielsweise der Breitbandausbau und die Elektromobilität, aber auch die Entwicklung von Wohnquartieren – von der intelligenten Straßenbeleuchtung über Parkraum-Optimierung bis zur Nutzung von Erdwärme. Wir arbeiten mit Stadtplanern, Architekten, Ingenieuren und externen Energieexperten zusammen und können so Angebote aus einer Hand machen. Komplexe Themen liegen uns. Auch die Digitalisierung bietet uns Wachstumsmärkte. All das sind für uns keine Randaktivitäten, sondern eine strategisch wichtige Weiterentwicklung für die Zukunft des Unternehmens.
Soll EnBW in Zukunft etwa kein Energiekonzern mehr sein?
Mastiaux: Wir werden künftig mehr sein als ein reiner Energiekonzern alter Prägung. Der Markt für Infrastruktur hat großes Potenzial, hier sehen wir gute Wachstumschancen.
Verändert sich damit auch das Arbeitsklima?
Mastiaux: Es hat sich schon deutlich verändert, für uns war das Thema Unternehmenskultur von Beginn an ein Schwerpunkt unserer Neuausrichtung. Unsere Zukunftsstrategie wurde zum Beispiel nicht von oben verordnet, sondern im Team erarbeitet. Mir ist es wichtig, dass wir offen und direkt kommunizieren, ohne groß in Hierarchien zu denken. Die meisten Leute bei uns arbeiten nicht mehr in Einzelzimmern, sondern in Teambüros. Wir haben 1000 Türen eingerissen, Silodenken deutlich reduziert. Für unsere Mitarbeiter bin ich zum Beispiel direkt über das Handy erreichbar. Mit einer SMS lässt sich vieles ziemlich schnell klären. Das alles führt zu einer neuen Form von Zusammenarbeit, schnell und unkompliziert.
Sie sind gebürtiger Essener und im Ruhrgebiet aufgewachsen. Wie kommen Sie im Ländle klar?
Mastiaux: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es viele Gemeinsamkeiten gibt. Die Menschen in beiden Regionen sind gradlinig und ehrlich. Erfolg und Wohlstand werden nicht zur Schau gestellt, man bleibt auf dem Boden. Arroganz und Selbstverliebtheit sind hier wie dort verpönt.
Ist eine Rückkehr ins Ruhrgebiet ausgeschlossen?
Mastiaux: Ausgeschlossen ist natürlich nichts, und mein Herz wird immer am Ruhrgebiet hängen. Aber jetzt ist mein Platz erstmal hier.
Thyssenkrupp sucht gerade einen neuen Chef...
Mastiaux (lacht): Es gibt noch viel zu tun bei EnBW.