Düsseldorf/Essen. Lebensmittel und Energie: Verbraucherzentrale NRW warnt vor einer krisenbedingten Kostenlawine. Warum es die Mittelschicht „hart treffen“ wird.

Wenn es um gestiegene Preise im Supermarkt gehe, bekämen Verbraucherinnen und Verbraucher häufig zu hören: „Es ist Krieg in der Ukraine – und deshalb wird leider alles teurer.“ Wolfgang Schuldzinski hält dagegen: „Lassen Sie sich nicht damit abspeisen.“ Es müsse nicht alles teurer werden, sagt der Vorstand der Verbraucherzentrale NRW und rät: „Vergleichen Sie die Preise! Wechseln Sie Ihre Geschäfte, in denen Sie regelmäßig einkaufen.“

Bei der Jahresbilanz der Verbraucherzentrale NRW stellen Schuldzinski und sein Kollege Bernhard Burdick Ergebnisse einer Stichprobe vom 24. Mai bei den vier großen Einzelhandelsketten Edeka, Rewe, Lidl und Aldi Süd vor. Bei einigen Produkten habe es zum Teil große Preisunterschiede gegeben, berichten die Verbraucherschützer.

Verbraucherzentrale NRW: Preisunterschiede in Supermärkten nicht nur durch die Krise

Eine 250-Gramm-Packung Butter zum Beispiel habe zwischen 2,29 Euro und 3,49 Euro gekostet. Bei Rapsöl seien es Preise zwischen 3,39 Euro und 4,99 Euro je Liter gewesen. Die Preisspanne für Tomaten habe sogar zwischen 1,11 Euro und 22,17 Euro je Kilogramm gelegen. „Solche eklatanten Preisunterschiede am gleichen Tag in unterschiedlichen Supermärkten lassen sich nicht alleine durch höhere Herstellungskosten, Hamsterkäufe oder die Folgen des Ukrainekrieges erklären“, sagt Schuldzinski. Die Stichprobe zeige, dass die Preisbildung für Lebensmittel „in hohem Maße intransparent und spekulativ“ sei.

Nach Einschätzung der Verbraucherzentrale NRW sollten die Kartellbehörden „mehr Kompetenzen erhalten, um Lebensmittelpreise zu überprüfen und mögliche Preisabsprachen zu verhindern“. Die Verbraucherschützer fordern auch die Schaffung einer Markttransparenzstelle für Lebensmittelpreise – ähnlich wie schon jetzt für Benzin und Diesel.

Ruf nach Markttransparenzstelle für Lebensmittel

Die bestehende Markttransparenzstelle für Kraftstoffpreise veröffentlicht Daten, mit denen unter anderem Spritpreis-Apps betrieben werden. Die Bonner Behörde sollte nach Einschätzung der Verbraucherschützer künftig auch Informationen von Lebensmittelhändlern erhalten und dann einen aktuellen Preis-Überblick ermöglichen, sagte Schuldzinski. „Wir versprechen uns davon einen Druck auf die Händler, dass überzogene Preise – wenn sie verglichen werden können – zurückgenommen werden.“

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Nicht die Durchschnittspreise sind den Verbraucherschützern ein Dorn im Auge, sondern die Ausreißer nach oben – die sollten „kritisch in den Blick genommen und hinterfragt werden“, sagt Bernhard Burdick. Es sei zwar richtig, dass Energie- und Logistikkosten angesichts des Ukraine-Krieges gestiegen seien, das erkläre aber nicht die großen Preisspannen in den Lebensmittelmärkten. „Wir vermuten, dass es da an manchen Stellen Mitnahme-Effekte gibt“, erklärt Burdick.

Der Handelsverband Lebensmittel betont in einer ersten Reaktion, die Verbraucherzentrale NRW habe lediglich eine Stichprobe „von einigen Produkten bei einigen Handelsketten“ genommen. Der Lebensmittelhandel sei sich seiner Verantwortung bewusst – „gerade gegenüber den Bevölkerungsgruppen, die sehr genau auf ihre monatlichen Ausgaben schauen müssen“.

Große Preisunterschiede bei Strom- und Gasversorgern in NRW

Bei einer Untersuchung aller aktuellen NRW-Grundversorgungstarife für Strom und Erdgas hat die Verbraucherzentrale ebenso wie bei Lebensmitteln große Preisunterschiede festgestellt. Wer neu in die Grund- oder Ersatzversorgung falle, zahle beim teuersten Tarif 43 Cent pro Kilowattstunde für Gas, beim günstigsten nur 6,6 Cent, berichtet Energieexperte Udo Sieverding. Für einen Musterhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden bedeute dies eine Jahresrechnung von 8600 Euro im teuersten Tarif, das seien 6,5-mal mehr als die 1315 Euro im günstigsten Tarif.

Bei Strom müssen Haushalte im teuersten Grundversorgungstarif für Neukunden aktuell 76 Cent pro Kilowattstunde zahlen, im günstigsten Tarif werden nur etwa 30 Cent fällig. Bei einem Jahresverbrauch von 3000 Kilowattstunden bedeutet das eine Differenz von knapp 1400 Euro.

Warnung der Verbraucherschützer vor „Preis- und Kostenlawine“

Wegen des Ukraine-Krieges sieht die Verbraucherzentrale NRW eine „Preis- und Kostenlawine“ auf die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland zurollen. „Das bedeutet, dass für Haushalte, die jetzt schon knapp sind mit ihrem Budget, eine Überforderung eintreten wird“, sagt Verbraucherzentrale-Vorstand Schuldzinski. „Da reden wir in Deutschland nicht von ganz wenigen Menschen, die ohnehin Transferleistungen bekommen“, erklärt er. Es gehe um einen „größeren Teil der sogenannten Mittelschichtshaushalte, die bisher klarkommen, knapp klarkommen, aber keine großen Rücklagen bilden können“. Die Krise werde diese Menschen „sehr hart treffen“.

Schuldzinski appelliert an die Bundesregierung, auf die Entwicklung zu reagieren. Es seien auch „Hilfsprogramme“ für Menschen erforderlich, „die bislang keine Transferleistungen bekommen“. Absehbar sei schon jetzt, dass Verbraucher mit geringem Einkommen und Empfänger von Sozialleistungen die gestiegenen Lebenshaltungskosten nicht mehr ohne Unterstützung schultern könnten.

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