Essen. Verbraucherzentrale NRW: Strom- und Gaskunden müssen sich auf anhaltend hohe Preise einstellen – ein Blick auf die Energiepreise im Ruhrgebiet.

Seit Monaten liegen die Preise für Strom und Gas auf einem historisch hohen Niveau. Doch auch für den Sommer haben einige Versorger Preiserhöhungen angekündigt, darunter auch Anbieter aus dem Ruhrgebiet, wie aus Daten hervorgeht, die das Vergleichsportals Check24 für unsere Redaktion zusammengestellt hat. Demnach wird Strom in der Grundversorgung unter anderem beim Oberhausener Versorger EVO und beim Branchenriesen Eon ab Juni teurer. Die Stadtwerke Bochum haben zum Mai ihre Gaspreise für Bestandskunden in der Grundversorgung erhöht, bei den Stadtwerken Herne und Witten gab es beim Gas schon im April einen Preissprung.

„Wir müssen uns wohl an Strom- und Gaspreise gewöhnen, die vor einiger Zeit noch als unvorstellbar galten“, sagt Udo Sieverding, Energieexperte der Verbraucherzentrale NRW. „Die Preise an den Großhandelsmärkten, auf denen sich die Versorger mit Strom und Gas eindecken, sind weiterhin hoch. Bei den meisten Kunden kommt dies mit einer gewissen Verzögerung an. Wir müssen also davon ausgehen, dass die Preise weiter steigen.“

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Beispiel Erdgas: Am 6. Mai kostete eine Megawattstunde an der europäischen Gas-Börse nach Angaben von Check24 durchschnittlich 101 Euro. Ein Jahr zuvor waren es gerade einmal 25 Euro. Unsicherheiten – wie ein möglicher Lieferstopp aus Russland – ließen die Großhandelspreise steigen.

Erneut erhöhen Stromversorger die Preise – auch im Sommer

Der Strompreis für Deutschlands Haushalte verharrte nach Angaben des Portals auch im April auf einem sehr hohen Niveau. Ein Musterhaushalt mit einem jährlichen Verbrauch von 5000 Kilowattstunden (kWh) zahlte demnach im Schnitt 2054 Euro für Strom. Das entspreche einem Preis von 41,1 Cent pro kWh im Schnitt. Im Vorjahresmonat seien es 1512 Euro gewesen – ein Plus von 36 Prozent.

Obwohl schon etliche Strom-Grundversorger ihre Preise erhöht hatten, seien seit März in 330 Fällen Preise erhöht oder Anhebungen angekündigt worden. Im Schnitt betragen diese den Angaben zufolge mehr als 25 Prozent. Für einen Haushalt mit einem Verbrauch von 5000 kWh bedeute das Zusatzkosten von rund 426 Euro pro Jahr.

Für Juni hätten Versorger in 109 Fällen Preiserhöhungen angekündigt – so auch der Essener Energieversorger Eon, der 15 Prozent mehr verlange. Eine Familie mit einem Verbrauch von 5000 kWh habe damit künftig jährliche Stromkosten in Höhe von 1954 Euro. Auf Bestandskunden des Oberhausener Stromanbieters EVO komme bei diesem Verbrauch eine Preiserhöhung in der Grundversorgung von 7,4 Prozent auf 1726 Euro zu.

Auch für die Gasversorgung müssen viele Verbraucher tiefer in die Tasche greifen. Trotz zahlreicher Erhöhungen in den vergangenen Monaten seien seit März in 270 Fällen die Preise von Gas-Grundversorgern erhöht oder Erhöhungen angekündigt worden, so Check24. Im Durchschnitt gehe es um rund 45 Prozent mehr. Für einen Haushalt mit einem Verbrauch von 20.000 kWh bedeutet das zusätzliche Kosten in Höhe von rund 860 Euro pro Jahr. Für Juni hätten zudem Versorger in 73 Fällen Preiserhöhungen um durchschnittlich 61 Prozent angekündigt.

„Neukunden insbesondere von Stadtwerken mit hohen Preisen schikaniert“

Abhängig davon, ob es sich um Verträge für Neu- oder Bestandskunden handelt, gibt es allerdings große Preisunterschiede – sowohl beim Gas als auch beim Strom. „Weiterhin werden Neukunden insbesondere von Stadtwerken mit hohen Preisen schikaniert“, sagt Energieexperte Sieverding dazu.

Ein Jahresvergleich beim Gaspreis fällt ernüchternd aus: Ein Musterhaushalt mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden zahlt laut Check24 im Schnitt rund 2900 Euro für Erdgas. Das entspricht einem Durchschnittspreis von 14,5 Cent pro kWh. Zum Vergleich: Im April vergangenen Jahres waren es lediglich 1264 Euro. Allerdings gibt es auch hier aktuell große Unterschiede bei den Tarifen für Neu- oder Bestandskunden.

Nach Preiserhöhungen liegen die Gaspreise für Musterfamilien bei Ruhrgebiets-Stadtwerken zwischen rund 1700 Euro und etwa 2000 Euro im Jahr. Die Preise für Neukunden hingegen sind in aller Regel mehrere Hundert Euro höher.

Entlastung soll der Wegfall der EEG-Umlage bringen: Der Bundestag hat beschlossen, dass ab Juli die Erneuerbare-Energien-Umlage auf Strom entfällt. Für einen Singlehaushalt mit einem Jahresverbrauch von 1500 Kilowattstunden bringe der Wegfall der Umlage von derzeit 3,723 Cent eine jährliche Ersparnis von etwa 66 Euro, rechnet Check24 vor. Bei einer Familie mit einem Verbrauch von 5000 kWh seien es etwa 222 Euro weniger. „Das müssen die Versorger bei ihren Abrechnungen berücksichtigen“, sagt Udo Sieverding.

Verbraucherschützer nennt Strompreis von Eon akzeptabel

Generell könne sich für Verbraucher ein Anbietervergleich durchaus lohnen, sagt der Energieexperte. „Dabei geht es aber eher um die Frage, ob sich die Kosten beim bestehenden Vertrag noch einigermaßen in Grenzen halten“, erklärt Sieverding. „Ein Beispiel ist die Strom-Grundversorgung von Eon. Hier würde ich von einem akzeptablen Preis sprechen“, sagt Sieverding. Es gebe wieder „einen gewissen Wettbewerb“ unter den Energieversorgern. „Anbieter wie Eon, Vattenfall oder Energiediscounter gehen bundesweit mit Tarifen an den Markt, die einigermaßen bezahlbar sind. Generell kann aber von Schnäppchen keine Rede sein.“

Seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine habe sich die Lage an den Energiemärkten weiter verschärft, berichtet Kerstin Andreae, die Chefin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), der die Interessen der Energiewirtschaft vertritt. „Der Druck auf die Energiepreise ist enorm.“ Seit Beginn des vergangenen Jahres hätten sich die Großhandelspreise für Strom vervierfacht, die für Gas fast verfünffacht. Angesichts des „nie dagewesenen Preisniveaus“ könne die Abschaffung der EEG-Umlage die gestiegenen Beschaffungskosten nicht abfedern. Der BDEW fordert daher die Bundesregierung auf, unter anderem eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Strom und Gas von 19 auf sieben Prozent zu prüfen.