Essen. Friedrich von Bohlen und Halbach im Podcast „Die Wirtschaftsreporter“: Um den Stahl zu stärken, würde der Krupp-Nachfahre Firmenteile verkaufen.

Friedrich von Bohlen und Halbach ist in aller Frühe in Heidelberg aufgebrochen, um mit dem Zug ins Ruhrgebiet zu fahren. Er reist regelmäßig von seinem baden-württembergischen Wohnort in die Stadt Essen, der er sich heimatlich verbunden fühlt. Häufig ist Friedrich von Bohlen und Halbach auch im Stadion des Fußballklubs Rot-Weiss. Seinen Besuch in unserer Redaktion, um eine neue Folge für das Podcast-Format „Die Wirtschaftsreporter“ aufzuzeichnen, verbindet er mit einem beruflichen Termin am Uniklinikum.

Der 59-jährige Nachfahre der Essener Unternehmerfamilie Krupp hat sich als Unternehmer im Medizin-Sektor mit seiner Firma Molecular Health einen Namen gemacht. Biotechnologie, so sagt er, sei die beste Medizin, nicht nur gegen Corona. Der Neffe des letzten Alleineigentümers der Firma Krupp, Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, ist Biochemiker, hat einen Doktortitel in Neurobiologie und führt die Geschäfte einer Holding, in der Beteiligungen des SAP-Mitgründers Dietmar Hopp und seiner Familie gebündelt sind. Im Portfolio befindet sich auch der Tübinger Impfstoffhersteller Curevac, in dessen Aufsichtsrat Friedrich von Bohlen und Halbach sitzt.

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Aufmerksam verfolgt der Unternehmer seit jeher die Entwicklung des Stahl- und Industriegüterkonzerns Thyssenkrupp. Zuweilen gibt er Kommentare zur aktuellen Lage der Essener Traditionsfirma ab, so auch auf Nachfrage im Podcast „Die Wirtschaftsreporter“. Thyssenkrupp, so scheint es, spürt derzeit in besonderem Maße negative Folgen des Kriegs von Russland gegen die Ukraine. „Ich mache mir eigentlich schon lange Sorgen um das Unternehmen, weil die Fehler sehr weit zurückreichen“, sagt Friedrich von Bohlen und Halbach. Derzeit werfe der Anstieg der Preise für Erdgas und Rohstoffe Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz in ihren Bemühungen zurück, das Unternehmen zu sanieren. Doch die „Ursachen für die Probleme des Unternehmens“ hätten nicht allein mit der aktuellen Weltlage zu tun, bemerkt der Krupp-Nachfahre.

„Das Unternehmen ist ein Gemischtwarenladen geworden über die Zeit“, kritisiert er und fügt hinzu: „Ich glaube, ich würde eine andere Strategie wählen.“ Friedrich von Bohlen und Halbach jedenfalls würde klar auf den Stahl setzen und sich von anderen Aktivitäten trennen. In den vergangenen Jahren seien zum Konzern

Krupp-Nachfahre Friedrich von Bohlen und Halbach zu Besuch in der Redaktion in Essen.
Krupp-Nachfahre Friedrich von Bohlen und Halbach zu Besuch in der Redaktion in Essen. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Aktivitäten gekommen, die „wenig bis gar nichts miteinander zu tun“ hätten. Er sehe eher den Bauchladen als das Problem – und nicht den Stahl. „Ich würde den Ballast loswerden“, sagt der Krupp-Nachfahre, „und mich auf den Stahl konzentrieren“. In der Herstellung von klimafreundlichem Stahl liege viel Potenzial, zeigt sich Friedrich von Bohlen und Halbach überzeugt. Das Geschäft sei zwar Schwankungen unterworfen, aber der Werkstoff werde gebraucht und verschwinde auch in Zukunft nicht.

Ob es gelingen werde, in Duisburg den ersten sogenannten grünen Stahl mit Hilfe von erneuerbar erzeugtem Wasserstoff herzustellen? „Das ist der einzige Weg nach vorne“, antwortet Friedrich von Bohlen und Halbach. „Es gibt gar keine Alternative. Wenn das nicht gelingt, wird’s das irgendwann mal gewesen sein.“ Er sagt, er würde auch „aggressiv“ darauf hinwirken, eine grüne Energieversorgung ins Unternehmen zu holen, um „damit die Zukunft des Stahls neu zu definieren“.

„Frieden ohne Freiheit ist für mich kein Frieden“

Als Unternehmer richtet Friedrich von Bohlen und Halbach den Blick nach vorne. Antworten auf Fragen der Gegenwart entwickelt er dabei gerne im Bewusstsein historischer Entwicklungen. Mit Blick auf Deutschlands Verhältnis zu Russland kommt er zu dem Urteil, „das neue Russland“, das sich viele Menschen im Westen vor etwas mehr als 30 Jahren – ausgelöst durch den damaligen Präsidenten Michail Gorbatschow – herbeigesehnt hätten, „gibt es nicht“. Stattdessen herrsche mit Wladimir Putin wieder ein Mann, der „wie ein Sowjet“ denke und handle. Sein Krieg gegen die Ukraine sei auch „ein Krieg der Systeme“: Die Freiheit in Europa werde durch ein totalitäres Regime bedroht. Die Bundesrepublik müsse daher bereit sein, ihre Freiheit notfalls mit militärischen Methoden zu verteidigen. „Frieden ohne Freiheit ist für mich kein Frieden“, sagt Friedrich von Bohlen und Halbach.

Sein Vater Harald, der jüngere Bruder des letzten Krupp-Alleininhabers Alfried von Bohlen und Halbach, war elf Jahre lang in sowjetischer Kriegsgefangenschaft, nachdem die Wehrmacht 1944 in Rumänien kapituliert hatte. „Mein Vater ging in den Krieg, weil alle seine Freunde in den Krieg gingen“, erzählt Friedrich von Bohlen und Halbach. Seine Familiengeschichte habe auch sein Bild von der Sowjetunion und vom heutigen Russland geprägt. „Er hatte Respekt vor dem Russen, aber er hatte eine ungeheure Angst vor dem Sowjet“, sagt Friedrich von Bohlen und Halbach über seinen Vater. „Die größte Angst, die er hatte, war, dass der Sowjet zurückkommt nach Europa.“ Denn er habe erlebt, mit welcher Subversion, Propaganda und Unfairness versucht worden sei, Menschen zu brechen oder zu manipulieren. „Das wollte er auf keinen Fall nochmal erleben.“