Essen. Immer mehr Menschen in NRW wollen ihre Energie selbst erzeugen. Vor allem Photovoltaik wird immer beliebter. Allerdings fehlen dafür Fachkräfte.

Noch weiß man nicht, wie sehr sich die Energiekrise in Zukunft weiter zuspitzt. Der Wunsch vieler Verbraucherinnen und Verbraucher, ihre Energieversorgung autark, also unabhängig, zu gestalten, ist aber bereits jetzt vorhanden. Eine beliebte Lösung dafür ist Photovoltaik. Das Problem: Genügend Potenzial ist zwar vorhanden, „einfach mal so“ können Solarzellen aber nicht installiert werden. Ein Grund dafür ist der Fachkräftemangel.

„Wir nutzen das Potenzial für Photovoltaik in NRW gerade einmal zu sechs Prozent aus“, sagt Reiner Priggen, Vorstandsvorsitzender des Landesverbands Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW). Seiner Meinung nach müsse vor allem die Industrie nachschärfen. „Das Gewerbe muss die Möglichkeiten nutzen.“ So sollten insbesondere Supermärkte verstärkt darüber nachdenken, Solarzellen auf den großen Dächern zu installieren. Auch bei städtischen Parkhäusern sei das möglich.

In einigen Städten laufen Fördermodelle

Reiner Priggen, Vorsitzender des Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW), sieht beim Thema Photovoltaik vor allem beim Gewerbe noch Luft nach oben.
Reiner Priggen, Vorsitzender des Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW), sieht beim Thema Photovoltaik vor allem beim Gewerbe noch Luft nach oben. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Der ehemalige Fraktionsvorsitzende der Grünen im NRW-Landtag sieht bereits eine zwar langsame, aber dennoch positive Entwicklung. „Firmen, die vor zehn Jahren noch nichts damit am Hut hatten, entscheiden sich jetzt immer mehr für Photovoltaikanlagen.“ Das könnte sich nun noch einmal beschleunigen. „Der Ukraine-Krieg hat deutlich gemacht, dass es nicht sinnvoll ist, so abhängig zu sein“, sagt Priggen.

Auch für Privatleute wird die autarke Energieversorgung deshalb immer interessanter. Wer sich derzeit etwa eine Anlage mit einer Maximalleistung von drei Kilowatt auf das Dach setzen lassen will, muss ungefähr 3000 bis 5000 Euro investieren, bei sieben KW, zehn KW und so weiter wird das Ganze teurer, im Vergleich ist eine größere Anlage jedoch günstiger. Einige nutzen zudem einen Batteriespeicher. Erzeugt die Photovoltaikanlage mehr Strom als zum gleichen Zeitpunkt verbraucht wird, lädt der Speicher anstatt den Strom ins allgemeine Netz einzuspeisen. Die Verbraucherzentrale NRW weist allerdings darauf hin, dass man dadurch nicht vollends unabhängig vom Stromnetz wird, da Solaranlagen zum Beispiel von November bis Januar nur wenig Strom erzeugen und eine saisonale Speicherung nicht möglich ist.

In einigen Städten wie Bottrop, Essen, Köln oder Münster sollen Förderprogramme Anreize schaffen und die Bürgerinnen und Bürger bei ihren Solaraktivitäten unterstützen. Die neue Bundesregierung hat sich dabei zum Ziel gesetzt, die installierte Solarleistung bis zum Jahr 2030 auf 200.000 Megawatt zu verdreifachen. In Nordrhein-Westfalen hat die Landesregierung angekündigt, die Solarleistung im gleichen Zeitraum auf dann etwa 24.000 Megawatt sogar zu vervierfachen.

Berliner Start-Up setzt auf Quereinsteiger

Das Problem: Die Nachfrage wird zwar immer größer, aber es fehlen Handwerkerinnen und Handwerker, die die Anlagen installieren. Die Berliner Start-Up-Firma Enpal versucht, diese Nische für sich zu nutzen. Das Solarunternehmen, das in Nordrhein-Westfalen unter anderem auf Baustellen in Duisburg, Oberhausen, Hemer und Werl unterwegs ist, setzt auf Quereinsteiger und bildet sie zu Solarteuren aus. Bis zu 50 sind es im Monat. „Uns interessieren Lebensläufe und Noten nicht besonders. Es ist viel wichtiger, dass jemand Bock auf uns hat und den richtigen Spirit mitbringt. Alles andere können wir den Leuten beibringen“, sagt Ausbildungsleiter Manuel Lippert. Der bisherige Berufsweg spielt also keine Rolle, so sind beispielsweise auch zwei ehemalige Köche Teil des Teams.

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Zudem will Enpal Geflüchteten wie Mohammad Hallak Perspektiven bieten. Er kam vor sechs Jahren aus Syrien nach Deutschland und konnte die Sprache kaum. Hallak arbeitete zunächst als Lagerist, als einer seiner Freunde bei Enpal anfing und ihm davon erzählte. Schnell wurde er Vorarbeiter, mittlerweile hat er sich zum Teamleiter hochgearbeitet, berichtet sein Ausbilder Lippert.

Eon steigert Anteil von Solaranlagen

Manuel Lippert ist Ausbildungsleiter beim Solar-Start-Up Enpal. Dort setzt man auf Quereinsteiger.
Manuel Lippert ist Ausbildungsleiter beim Solar-Start-Up Enpal. Dort setzt man auf Quereinsteiger. © Enpal | Enpal

Man spüre, dass immer mehr Leute die Energiewende aktiv vorantreiben wollen, sagt Lippert. „Wir arbeiten also in einem absoluten Zukunftsmarkt, der wahnsinnig viele Möglichkeiten hat. Junge Leute möchten Veränderung und das muss man ihnen bieten.“

Veränderungen gibt es nicht nur im Kleinen und Privaten. Auch die großen Energieunternehmen richten sich immer mehr in Richtung Erneuerbare Energien und Solar aus. So gab Eon-Vorstandschef Leonhard Birnbaum auf der Bilanzpressekonferenz zuletzt bekannt, dass der Energieversorger im Jahr 2021 rund 125.000 neue Solaranlagen und Batteriespeicher installiert hat, ein Viertel mehr als noch im Vorjahr.

Im vergangenen Jahr hat zudem bereits der Immobilienriese Vonovia angekündigt, 30.000 seiner Wohndächer mit Solaranlagen auszustatten. Ab 2030 will der größte deutsche Vermieter jährlich 194 Millionen Kilowattstunden Strom aus Sonnenenergie produzieren und auf diese Weise 76.500 Tonnen des klimaschädlichen CO2 vermeiden. Und so kann auch das heimische Hausdach einen nicht unerheblichen Beitrag zur Energiewende leisten.