Essen. Die Krupp-Stiftung veröffentlicht ihre jahrzehntelang geheim gehaltene Satzung. Krupp-Nachfahre: „Satzung entspricht nicht dem Stifterwillen.“

Die Krupp-Stiftung lüftet ein Geheimnis. Mehr als 50 Jahre nach ihrer Gründung veröffentlicht sie ihre bislang unter Verschluss gehaltene Satzung, in der Vorgaben zu Zweck, Organisation und Tätigkeit der legendären Ruhrgebietsinstitution festgehalten sind. Es gehe darum, ein „Zeichen der Öffnung und Transparenz“ zu setzen, erklärte Stiftungschefin Ursula Gather gegenüber dem „Handelsblatt“.

Die gemeinnützige Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung – kurz AKBH – nahm im Jahr 1968 ihre Tätigkeit auf. Stifter ist der letzte persönliche Alleininhaber des Krupp-Konzerns, Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, dessen Vermögen auf die von ihm errichtete Stiftung überging.

Für die private Stiftung habe es keine Verpflichtung gegeben, die Satzung zu veröffentlichen, betont Gather: „Aber es steht auch nichts Geheimnisvolles drin.“ Friedrich von Bohlen und Halbach, der Neffe des Essener Industriellen, sagt indes, es wundere ihn nicht, dass die Satzung „so lange so mysteriös geheim gehalten“ worden sei, denn: „Diese Satzung entspricht nicht dem Stifterwillen.“

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Prägende Persönlichkeit für die Arbeit der Stiftung war der 1913 in Vorpommern geborene Berthold Beitz, den Alfried Krupp von Bohlen und Halbach im November 1953 als seinen persönlichen Generalbevollmächtigten nach Essen holte. Mit dem Tod von Krupp am 30. Juli 1967 bekam Beitz die Aufgabe des Testamentsvollstreckers. Bis zu seinem Tod am 30. Juli 2013 führte Beitz den Vorstand und das Kuratorium der Stiftung. Die Satzung blieb ein gut gehütetes Geheimnis.

Einfluss der Stiftung bei Thyssenkrupp Stück für Stück gesunken

„Für mich ist das heute ein Novum, denn ich sehe die Satzung, die ja die Werke und das Vermögen meiner Familie und Vorfahren treuhänderisch wahren soll, um Erträge gemeinnützig zu verwenden, zum ersten Mal“, sagte Friedrich von Bohlen und Halbach, ein gut vernetzter Biotech-Unternehmer, unserer Redaktion. „Interessanterweise ist genau dieser immer zitierte Stifterwille nicht in der Satzung zu finden“, fügte er hinzu.

Die Satzung der Krupp-Stiftung habe einen Konstruktionsfehler, kritisiert Friedrich von Bohlen und Halbach: An erster Stelle hätte das Wohlergehen des Unternehmens stehen müssen, dann erst könnten daraus abgeleitete gemeinnützige Ziele unterstützt werden. „Genau das war im Stifterwillen mit der ‚Wahrung der Einheit der Werke‘ vorgegeben“, betont der Unternehmer. In der Satzung der Krupp-Stiftung sei dies aber nicht richtig berücksichtigt worden. Eine Konsequenz daraus: Bei ihrer Gründung sei die Stiftung als 100-Prozent-Eigentümerin gestartet, im Laufe der Jahrzehnte habe sich Krupp dann aber „immer mehr selbst abgeschafft“.

Friedrich von Bohlen und Halbach äußert sich kritisch

Mit einem Anteil von rund 21 Prozent ist die Stiftung zwar noch größte Einzelaktionärin des heutigen Stahl- und Industriegüterkonzerns Thyssenkrupp, aber weit entfernt von der einstigen Alleineigentümerschaft. Aus den Dividendenzahlungen des Konzerns will die Stiftung, die auf dem Gelände der Essener Villa Hügel residiert, Projekte aus Wissenschaft, Kunst, Kultur, Bildung, Gesundheit und Sport fördern. Doch zuletzt blieben vielfach die Dividenden aufgrund der Krise des Konzerns aus.

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1967 begann die Krupp-Stiftung aufgrund der „letztwilligen Verfügung des Stifters“ mit drei von ihm berufenen Testamentsvollstreckern: Neben Beitz waren es Alfrieds Sohn Arndt von Bohlen und Halbach sowie der Jurist Dedo von Schenck. Da Arndt als Testamentsvollstrecker rasch zurücktrat und Dedo von Schenck kurz nach Alfried starb, habe Beitz freie Bahn gehabt, sagt Friedrich von Bohlen und Halbach heute. Dass die Satzung „nicht die über Generationen verfolgten Ziele und Absichten der Familie“ widerspiegele, sei Beitz und dem Kuratorium bewusst gewesen, weswegen die Satzung geheim gehalten worden sei, urteilt der Krupp-Nachfahre.

„Nicht verpflichtet, den Anteil an Thyssenkrupp zu halten“

Im Laufe der Jahre ist die Satzung verändert worden, zuletzt im Dezember 2003, also noch zu Lebzeiten von Beitz, wie aus dem nun von der Stiftung veröffentlichten Text hervorgeht. Wirksam geworden ist die neue Form der Satzung demnach einen Tag nach dem Tod des Konzernpatriarchen Ende Juli 2013. Nach seinem Ableben wurde eine Gewaltenteilung zwischen dem Vorstand und dem Kuratorium eingeführt, der neue Stiftungsvorsitzende solle wählbar und damit auch abwählbar sein. Es solle „nach Beitz keinen Beitz mehr geben“, hieß es.

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Den Vorstand der Stiftung bilden derzeit Volker Troche und Thomas Kempf, die relativ selten öffentlich in Erscheinung treten. Die beiden Männer sind für die Verwaltung des Stiftungsvermögens zuständig und kümmern sich um das tägliche Geschäft. Troche sagte dem „Handelsblatt“, laut Satzung sei die Stiftung „nicht verpflichtet, den Anteil an Thyssenkrupp zu halten“, es gebe aber „gute Gründe, das zu tun“.

Die frühere Rektorin der Technischen Universität Dortmund, Ursula Gather, ist seit Oktober 2013 Vorsitzende des Stiftungskuratoriums. Früheren Angaben der Stiftung zufolge läuft das derzeitige Mandat der 68-Jährigen als Kuratoriumschefin bis Mitte 2022. „Das Kuratorium wählt aus seiner Mitte seinen Vorsitzenden oder seine Vorsitzende“, heißt es in der jetzt veröffentlichten Satzung. Die Wahl erfolge „für die Dauer von höchstens sieben Jahren“, eine erneute Berufung sei aber zulässig.

Altersbegrenzung für Mitglieder des Stiftungskuratoriums

Für die Mitglieder des Kuratoriums sieht die Stiftungssatzung – zumindest im Grundsatz – eine Altersbegrenzung vor. Die Amtszeit der Mitglieder des Kuratoriums beträgt der Satzung zufolge „sieben Jahre vom Tag der Berufung an“. Erneute Berufungen seien allerdings „zulässig“. Und: „Die Amtszeit endet grundsätzlich mit der Vollendung des 75. Lebensjahres.“ Für eine Verlängerung darüber hinaus ist eine Dreiviertel-Mehrheit im Kuratorium erforderlich.

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Die aktuelle Veröffentlichung der Stiftungssatzung helfe dabei, „die Verfehlungen und die Unlogik in dieser Satzung und Stiftung zu erkennen“, sagt der Krupp-Nachfahre Friedrich von Bohlen und Halbach. Der Wille des Stifters, „nämlich das Unternehmen und die Werke gesund fortzuführen und zu erhalten und dadurch Sicherheit für Mitarbeiter und Standorte zu geben“, sei „grandios verfehlt“ worden.