Essen. Wird die Stahlsparte aus Thyssenkrupp herausgelöst? Die IG Metall zeigt sich offen für Pläne, die Stahlproduktion zu verselbstständigen.

Die IG Metall zeigt sich offen für eine Herauslösung der Stahlsparte aus dem Essener Industriekonzern Thyssenkrupp. Gewerkschaftsvorstand Jürgen Kerner nennt es „die richtige Entscheidung“, dass der Vorstand das Stahlgeschäft nun „aus eigener Kraft“ weiterentwickeln wolle und dabei auch erwäge, die Konzernsparte „zu verselbstständigen“.

Zuvor hat Thyssenkrupp-Vorstandschefin Martina Merz in einem Informationsschreiben an die Belegschaft erklärt, ihr Ziel sei es, das Stahlgeschäft in die Selbstständigkeit zu führen. Dieses Vorhaben sei zwar „sehr anspruchsvoll“, aber „machbar“. Merz fordert in diesem Zusammenhang auch, die Stahlsparte müsse „so robust aufgestellt sein, dass es keine Zuschüsse mehr aus der Zentrale braucht“.

Besondere Bedeutung für NRW

Zur Stahlsparte gehören etwa 27.000 der rund 100.000 Beschäftigten von Thyssenkrupp. Mit Standorten in Duisburg, Bochum und Dortmund hat das Traditionsgeschäft des Essener Industriekonzerns insbesondere für NRW eine große Bedeutung.

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Um die Jahrtausendwende herum hat Thyssenkrupp schon einmal Pläne für einen Börsengang der Stahltochter verfolgt. Doch im Sommer 2000 sagte die damalige Konzernleitung um Ekkehard Schulz das Vorhaben ab und begründete den Schritt mit einer schwachen Bewertung des Stahlsektors am Kapitalmarkt. Einige Jahre später versuchte der langjährige Vorstandschef Heinrich Hiesinger, den Stahl durch eine Fusion mit dem indischen Hersteller Tata aus dem Konzern herauszulösen. Auch dieser Plan scheiterte letztlich – wenige Monate nach dem Rückzug von Hiesinger.

Pensionslasten und notwendige Investitionen erschweren Neustart

Aktuell stellt sich erneut die Frage, ob Thyssenkrupp Steel als eigenständiges Unternehmen an der Börse erfolgreich sein könnte. Milliardenschwere Pensionslasten erschweren einen Neustart der Sparte. Hinzu kommt, dass für den Aufbau einer klimaneutralen Stahlproduktion erhebliche Investitionen erforderlich sind. Gespräche mit dem britisch-indischen Unternehmer Sanjeev Gupta zu einem Verkauf der Stahlsparte hatte der Thyssenkrupp-Vorstand kürzlich beendet.

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Vorstandschefin Merz argumentiert, es sei „strategisch sinnvoll“, den Stahl mit seinem klassischen Auf und Ab von den „typischen Industriegeschäften“ der Thyssenkrupp-Gruppe abzutrennen. In der Öffentlichkeit wird Thyssenkrupp stark als Stahlkonzern wahrgenommen. Derzeit ist das Unternehmen allerdings ein klassisches Konglomerat mit unterschiedlichen Geschäften rund um den Bau von Autoteilen, Industrieanlagen und U-Booten sowie Werkstoffhandel.

IG Metall hofft auf staatliche Unterstützung beim Umbau

IG Metall-Bundesvorstand Kerner, der auch Vize-Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp ist, verweist in einer Reaktion auf den Vorstoß von Vorstandschefin Merz unter anderem auf die aktuellen Investitionen an den NRW-Stahlstandorten und betont, es gebe „eine gute Grundlage für einen eigenständigen Stahl-Plan“. Klar sei aber auch: „Ohne eine deutliche Unterstützung von staatlicher Seite wird der Umstieg auf grünen Stahl nicht gelingen.“ Auch der Thyssenkrupp-Vorstand hat stets hervorgehoben, kein Stahlkonzern könne den Umbau ohne staatliche Hilfe meistern.

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Sollte Thyssenkrupp kein Stahlkonzern mehr sein, stellt sich die Frage, welche Identität das verbliebene Unternehmen hat. „Auch für die Gruppe – ohne Stahl – muss ein zukunftsorientiertes Zielbild entwickelt werden“, mahnt der stellvertretende Aufsichtsratschef Kerner. Derzeit stünden in allen Geschäften „Kostensenkungen und Personalabbau im Mittelpunkt“, bemerkt er. Es sei zwar „unstrittig, dass ohne profitable Geschäfte Investitionen in Zukunftsfelder nicht realisierbar sind“, aber Sparen allein reiche auf Dauer nicht aus: „Für die Arbeitnehmerseite ist klar, dass allein mit diesen Maßnahmen die Zukunft nicht gestaltet werden kann.“